Zum selbstbestimmten Sterben geht's in die Schweiz

Trier · Soll ein Arzt einem Sterbenskranken Beihilfe zur Selbsttötung leisten dürfen? Die Meinungen dar-über gehen auseinander - nicht nur in der Ärzteschaft. Die Trierer SPD-Bundestagsabgeordnete Katarina Barley ist dafür, Bischof Stephan Ackermann dagegen.

Trier. Als der Bundestag vor einigen Monaten über die Sterbehilfe diskutierte, da war der Chef der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, anschließend voll des Lobes über die "herausragende Debatte". Von seiner eigenen Position rückte Montgomery aber auch nach der fünfstündigen Diskussion keinen Millimeter ab. Oberste Maxime seines Berufsstandes sei und bleibe es, Leben zu retten, sagte der prominente Gegner ärztlicher Sterbehilfe. Noch etwas deutlicher formulierte es jetzt der Vorsitzende der regionalen Ärztekammer, Günther Matheis. "Töten ist keine ärztliche Aufgabe", sagte der Facharzt für Thoraxchirurgie bei einer Diskussion in Trier. Matheis dürfte mit dieser Aussage Bischof Stephan Ackermann aus der Seele gesprochen haben. "Was laden wir denen denn noch alles auf?", warnte Ackermann vor einer Überforderung der Ärzte.
Dabei stoßen viele Ärzte auch jetzt schon hin und wieder an Grenzen, wenn sie sich um sterbenskranke Patienten kümmern. "Für diese Grenzsituationen wünsche ich mir eine Regelung", sagt Loren Fischer, der Chefarzt der Palliativstation im Trierer Mutterhaus.
Die regionale SPD-Bundestagsabgeordnete Katarina Barley, die die Diskussion organisiert hat, ist dafür, dass auch Ärzte den begleitenden Suizid unterstützen dürfen, wenn sie dies wollen. Nach den Berufsordnungen der einzelnen Bundesländer ist dies den Ärzten untersagt. "Ich finde es besser, wenn Menschen, die sich mit dem Gedanken an Suizid tragen, damit zu ihrem Arzt gehen können, statt sich vor den Zug zu werfen oder in die Schweiz zu fahren", sagt Barley, die für das Thema auch Berichterstatterin ihrer Fraktion im Rechtsausschuss des Bundestags ist.
Der Fall Raddatz


Zuletzt hatte Ende Februar der Suizid des bekannten deutschen Literaturkritikers Fritz J. Raddatz für Schlagzeilen gesorgt. Der 83-Jährige hatte sich in der Schweiz mit Hilfe des Vereins Dignitas durch die Einnahme eines tödlich wirkenden Barbiturats das Leben genommen.
Sterbehilfevereine lehnen sowohl der Trierer Bischof wie auch die SPD-Politikerin ab. Die Gefahr sei zu groß, dass sich in den Vereinen eine Eigendynamik entwickele oder aus der Sterbehilfe ein Geschäft werden könne.
Einig sind sich Stephan Ackermann und Katarina Barley auch in dem Punkt, dass die schmerzlindernde Palliativmedizin und die Hospizversorgung ausgebaut werden müssen. "Da gibt es auch in der Region Trier noch große Löcher", sagen Vertreter der Ärzteschaft.
Palliativmedizin und Hospizversorgung sind laut Katarina Barley voraussichtlich Mitte Juni auch Thema im Bundestag. Erst in einer der darauf folgenden Sitzungen werden sich die Abgeordneten dann mit dem Thema Sterbehilfe beschäftigen.
Extra

Bischof Stephan Ackermann: Die Würde des Lebens ist unantastbar, egal ob es sich um werdendes Leben handelt oder um Leben, das bald zu Ende geht. Katarina Barley, SPD-Politikerin: Sterben hat mit Entscheiden zu tun. Letztlich kann diese Entscheidung nur der Betroffene selbst treffen. Zur Würde des Menschen gehört dazu, dass er sagen darf: Ich kann nicht mehr. Bernd Henter, CDU-Politiker: Bei der Sterbehilfe geht es um eine Abwägung zwischen der freien Entfaltung der Persönlichkeit als zentralem Gut unserer Rechtsordnung und dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit als genau so wichtigem Rechtsgut. Ingeborg Sahler-Fesel, SPD-Politikerin: Die Debatte um die Sterbebegleitung bewegt die Menschen. Neben der Angst, im Falle einer schweren Erkrankung einen langen, qualvollen Tod erleiden zu müssen, besteht die Sorge, das eigene Leben im Alter nicht mehr bestimmen oder steuern zu können. Eine gesetzliche Regelung kann weder diese Ängste ausräumen noch das eigene Gewissen ersetzen. Jutta Blatzheim-Roegler, Grünen-Politikerin: Es ist gut, über das gesellschaftlich wichtige Thema Sterbebegleitung eine offene Debatte zu führen.sey/fcgExtra

Wenn der rheinland-pfälzische Landtag heute zum heiklen Thema Sterbehilfe eine "Orientierungsdebatte" führt, dann ist das ein Novum. Die parlamentarischen Spielregeln sind maßgeblich in der Geschäftsordnung des Landtags festgelegt. Der Ablauf der Plenarsitzungen wird in der jeweiligen Woche im Ältestenrat des Landtags festgelegt, dem unter anderem die Fraktionschefs und die Parlamentarischen Geschäftsführer angehören. Neben mündlichen Anfragen mit der Möglichkeit für die drei Fraktionen, dazu später auch längere Aussprachen zu verlangen, gibt es zum Beispiel Aktuelle Stunden. Die Redezeiten sind streng limitiert und werden vom Landtagspräsidenten überwacht. Nur Mitglieder der Landesregierung dürfen ohne zeitliche Beschränkung sprechen. Dadurch verlängern sich dann jeweils die Redezeiten der Fraktionen. In der neuen, heute erstmals erprobten Orientierungsdebatte sind, anders als üblich, keine Zwischenfragen oder Kurzinterventionen der Abgeordneten erlaubt. Angesichts der Ernsthaftigkeit des Themas Sterbehilfe wird es auch wohl nur wenige der sonst beliebten Zwischenrufe geben. Nach der Debatte soll es eine Expertenanhörung und dann noch mal eine Plenardebatte geben, ehe schließlich die Positionen via Bundesrat nach Berlin kommen.fcg

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