Zurück in die Zukunft

Dass ein Priester nicht mehr "mit dem Rücken zur Gemeinde" stehen durfte, um "ein Gott wohlgefälliges Opfer darzubringen", war katholischen Traditionalisten jahrzehntelang ein Dorn im Auge.

Sie schworen weiter auf die Gottesdienste nach dem alten Ritus, die im Zuge der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils faktisch abgeschafft worden waren und seitdem nur noch unter strengen Auflagen erlaubt wurden. Wie schon seit Monaten erwartet, hat Papst Benedikt XVI. diese Auflagen jetzt deutlich gelockert. Künftig muss beispielsweise nicht mehr ein Bischof seinen Segen geben, wenn Gläubige eine Messe nach dem klassisch römischen Ritus (lateinische Sprache, alte Texte und Messgewänder) feiern möchten.Welche Reaktionen das hervorrufen wird, ist absehbar: Die katholischen Traditionalisten werden jubeln und Morgenluft wittern, während ihre Gegenspieler Zeter und Mordio schreien dürften über die Rückkehr zur Uralt-Theologie.

Ein Trugschluss - hüben wie drüben. Der Papst hat die Uhr nicht zurückgedreht, sondern nur einen Fehler der Vergangenheit korrigiert und das überzogene Quasi-Verbot der tridentinischen Messe wieder aufgehoben. Wenn es heutzutage immer noch Gläubige gibt, denen ein Gottesdienst nur gefällt, wenn ihnen der Lateinisch sprechende Priester den Rücken zukehrt, sollte ihnen die Möglichkeit dazu eröffnet werden. Der Zulauf wird sich weiter in überschaubaren Grenzen halten und allenfalls unwesentlich größer sein als heute.

Für die meisten Katholiken aber ändert sich mit dem am Wochenende veröffentlichten Papst-Erlass nichts. Denn ein Großteil der Priester weiß, dass wir nicht mehr im Mittelalter leben, sondern im 21. Jahrhundert. Wer da die Menschen gewinnen und zum Engagement in der Kirche bewegen will, der dreht ihnen nun einmal nicht den Rücken zu und redet so, dass die Gläubigen dies auch verstehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort