Zurück nach Deutsch-Südwest

In ein paar Monaten schon wird die Aufregung um die Oettinger-Rede eine jener Irritationen sein, für die man "google" braucht, um sich ihrer zu erinnern. Was war da eigentlich? War da was? Der baden-württembergische Ministerpräsident hat gerade noch rechtzeitig die Kurve gekriegt und sich von seinen Worten distanziert.

Bei "Wikipedia" wird in der Biographie des CDU-Politikers freilich noch sehr lange etwas zu finden sein. Denn diese Erkenntnis bleibt: Günther Oettinger, 53, Ministerpräsident eines der stärksten Länder, zweitwichtigster CDU-Landesvorsitzender, aufstrebendes Talent, er ist zurückgestutzt. Er hat sich selbst degradiert zu einem, der noch tief in lokalen Sichtweisen steckt, und darüber sowohl politischen Weitblick als auch historisches Einfühlungsvermögen vergisst. All das war so überflüssig wie ein Kropf. Oettinger ist nicht rechts, er muss auch nicht am rechten Rand fischen, wie ihm die SPD vorwirft. Er ist großstädtisch, eher liberal. Der ganze Skandal war wohl viel weniger Kalkül, als viele glauben. Bei Oettingers Grabrede für Hans Filbinger spielte das in der Südwest-CDU noch verbreitete Bedürfnis nach später Rache gegen die vereinigte Linke mit, die damals den Ministerpräsidenten abschoss. Und es spielte sicher auch eine Rolle, es den Angehörigen Filbingers am Grab leichter zu machen. Über dem Tod ruht jeder Streit. Dass Oettinger aber sagte, Filbinger sei ein NS-Gegner gewesen, das war zu viel aktive Verdrehung der historischen Wahrheit und vor allem zu wenig Mitgefühl für die Opfer solcher willfährigen Richter. Angela Merkel hat Oettinger darauf hingewiesen. Auf dieser Seite liegt das erfreuliche Fazit dieser Affäre. Die Bundes-CDU hat klar reagiert, sie ist also weiter als noch vor wenigen Jahren. Man erinnere sich an die Auseinandersetzung um die Wehrmachtsausstellung. Wenn die Union rechte Wähler einbinden will - und das sollte sie - dann nicht über den Weg, die alten Nazi-Geschichten schön zu reden. Jene, die mit einem klaren Bekenntnis zur historischen Verantwortung Deutschlands für Krieg und Völkermord ein Problem haben, sterben aus. Und jene neuen Rechten, die nachwachsen, haben andere Themen. Es sind Deklassierte, denen vielleicht der starke Staat und eine restriktive Einwanderungspolitik imponieren. Aber jedenfalls nicht solche Geschichtsklitterung a la Oettinger. Eigentlich sollte die Union jetzt so weit sein, auch den Kampf gegen die neuen Rechten nicht den Linken allein zu überlassen. nachrichten.red@volksfreund.de

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