Zwei Glühbirnchen erhitzen Gemüter

TRIER. Mehr Sicherheit für die einen, zusätzliche Gefahren für andere: Die auf den ersten Blick sinnvolle Forderung nach einem generellen Tagesfahrlicht stößt bei physikalischer Betrachtung an die Grenzen ihrer Vernunft.

Die Argumentation des Automobilclubs von Deutschland (AvD) scheint logisch, wenn auch schwer verständlich: "Wer jemals einen Finger in den Lichtstrom eines Diaprojektors gehalten hat, kennt die Wahrnehmung minimaler Verdunkelung bei gleichzeitigem ,Verschwinden' des Objekts", heißt es in einer Mitteilung und im Anschluss daran das konkrete Problem: "Fußgänger und Radfahrer gehen im Lichtstrom entgegenkommender Autos ebenfalls regelrecht unter - ein Versuch im Lichtkanal bestätigt dieses Phänomen."Stolpe: Aktion kann Menschenleben retten

Ein Phänomen, das Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe scheinbar anders wahrnimmt. "Mit der Einführung des Tagfahrlichts können durch eine einfache Aktion Menschenleben gerettet werden", erklärte dieser vor wenigen Tagen im Zusammenhang mit der Forderung, dass Autofahrer zur Erhöhung der Verkehrssicherheit ab Anfang Oktober auch tagsüber mit Abblendlicht fahren sollten. "Am Tag ist ein Auto mit Licht schneller zu erkennen als eines ohne Licht", bediente sich Stolpe ebenfalls der Physik, um sein Vorhaben zu untermauern.

Das stimmt - zumindest bestätigen das einige Experten. Verkehrsverbände sehen in der Neuregelung jedoch kaum Sinn und einen Nachteil für die übrigen Verkehrsteilnehmer, die bereits aus Sicherheitsgründen mit Abblendlicht fahren (müssen). Motorradfahrern - aber auch Rettungsdiensten - werde durch eine generelle Abblendlichtpflicht der "Wahrnehmbarkeitsvorteil" genommen, argumentiert der AvD, und der ADAC hält eine Abblendpflicht am Tag gar für überflüssig. "Wir kennen keine einzige Studie, die stichhaltig einen Zusammenhang zwischen der Lichtpflicht und sinkenden Unfallzahlen nachweist", sagt ein Sprecher des ADAC und appelliert stattdessen an Autofahrer, bei Regen und Dämmerung das Licht einzuschalten.

Was beide Verbände allerdings begrüßen, ist die vom Verkehrsminister angekündigte EU-Initiative, Neufahrzeuge zusätzlich mit speziellen Tagfahrleuchten auszustatten. Eine ebenfalls obligatorische Aufrüstung für die bereits 45 Millionen fahrenden Fahrzeuge hält der ADAC jedoch für überzogen.

Der Unterschied der Tagleuchten zu den herkömmlichen Abblendlichtern ist, dass sie sich automatisch mit Starten des Motors einschalten, allerdings nicht so hell leuchten und deshalb weniger Kraftstoff verbrauchen. Studien zufolge soll sich bei konventionellem Abblendlicht der Spritverbrauch um durchschnittlich 0,1 Liter pro 100 Kilometer erhöhen - was dem Staat durch mehr Mineralölsteuereinnahmen immerhin zusätzlich Geld in die Kassen spülen könnte. Damit wäre jedoch den Autofahrern kaum geholfen - und Motorradfahrern noch weniger. Damit letztere zukünftig im von Abblendung erhelltem Tageslicht überhaupt noch auffallen, soll deren optisches Erscheinungsbild geändert werden. Stolpe hat deshalb die Bundesanstalt für Straßenwesen damit beauftragt, "ein neues Signalbild für Motorräder zu erarbeiten, damit diese auch im Straßenverkehr wahrgenommen werden". Was sich der Motorradbesitzer und der Rest der Menschheit darunter vorstellen muss, ist bisher noch offen.

Ob ab Oktober durch Abblendlicht oder nachträglich installierte Tagfahrleuchten Fußgänger, Auto- und Motorradfahrer gefährdet oder geschützt werden, bleibt vorerst Ermessenssache desjenigen, der mit dem Wagen unterwegs ist. Denn zunächst gilt diese Regelung nur freiwillig.

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