Zwei Seelen in einer Brust

TRIER. Die Klagen über Raser häufen sich. Erstaunlich allerdings, dass manche erst als Anwohner Beschränkungen durchsetzen und sie danach als Autofahrer ignorieren.

Die Beschilderung deutscher Straßen ist regelmäßig ein Grund, staatliche Gängelung zu beklagen und lautstark die Bürgerfreiheiten einzufordern. Aber das Straßenverkehrsamt der Stadt Trier hat die Erfahrung gemacht, dass die Bürger die treibende Kraft sind, wenn es um zusätzliche Schilder geht. Anwohner fordern neue Regelungen, die meist auf Geschwindigkeitsbeschränkungen hinaus laufen. Dabei teilt die Polizei, die angehört werden muss, nicht immer die Ansicht der Initiatoren. Hans Falk von der Trierer Inspektion weist darauf hin, dass man im Präsidium auch mal gegen Reglementierungen plädiert, und beruft sich auf die Straßenverkehrsordnung. Danach dürfen Verkehrszeichen nur dort aufgestellt werden, wo dies "zwingend geboten" ist. Was nur heißen kann: Dass ohne die Schilder unzumutbare Gefährdungen, Behinderungen oder Belästigungen eintreten würden. Werden tatsächlich überflüssige Schilder aufgestellt? Curt-Rüdiger Stodulka vom Trierer Straßenverkehrsamt kann den Vorwurf nicht nachvollziehen. Das Amt halte sich an die gesetzlichen Vorschriften, verhalte sich äußerst zurückhaltend und baue auch Schilder zurück. Allerdings gebe es zur Verdeutlichung für manche Verkehrsteilnehmer eine Zusatzbeschilderung. Hans Falk dagegen will eine Überbeschilderung nicht ausschließen. Dass sich alle Beteiligten große Mühe bei Entscheidungen gäben, sei allerdings selbstverständlich. Und ein Schild könne ja auch einfach Orientierungshilfe sein. Davon wollen die meisten Autofahrer immer weniger wissen. Die Klagen der Anwohner über Raser in 30-er-Zonen häufen sich. Auch sonst steht es um die Einhaltung der Vorschriften nicht zum Besten. Um das zu ermitteln genügt ein simpler Praxistest. Wer auf der Trierer Moseluferstraße mit den erlaubten 50 Stundenkilometern fährt, sieht mehr Rücklichter, als manchem lieb ist. Die strikte Einhaltung der 30-Stundenkilometer-Vorschrift führt in der Regel zu einem Stau und zu ungeduldigen bis aggressiven Reaktionen. Und dass die Vorschriften in verkehrsberuhigten Spielzonen - Schritttempo und Vorrang für Fußgänger - fast völlig ignoriert werden, ist keine gewagte Behauptung.Keine flächendeckende Überwachung möglich

Grund genug, nach dem Sinn von Vorschriften zu fragen, deren Einhaltung anscheinend nicht durchsetzbar ist. Die Polizei beschränkt sich bei Geschwindigkeitskontrollen auf Unfallschwerpunkte - eine flächendeckende Überwachung sei gar nicht möglich. Aber Initiativen zur Lichtung des Schilderwalds sind stecken geblieben. Aktionen des ADAC in Selm und Dreieich blieben ohne Nachfolge, obwohl dort mehr als ein Drittel aller Schilder abgebaut werden konnten. Die Deutsche Verkehrswacht beschränkt sich auf Appelle. Und die Bundesregierung hat einen Arbeitskreis gegründet. Mit anderen Worten: In nächster Zeit ist von dort nichts zu erwarten. In der Brust des Verkehrsteilnehmers wohnen zwei Seelen. Als Anwohner fordert er noch mehr Schilder. Wenn er sich dann ans Steuer setzt, kommt es nicht selten zu einem erstaunlichen Sinneswandel. Das Trierer Straßenverkehrsamt kennt Fälle, in denen einer erst eine 30-er-Zone veranlasste und diese dann als Autofahrer konsequent ignorierte. Da spiele das berühmte "Sankt Floriansprinzip" eine gewisse Rolle. Hans Falk hat ähnliche Erfahrungen gemacht. In einem Trierer Stadtteil hatten Eltern und Erzieherinnen eine verkehrsberuhigte Zone rund um den Kindergarten durchgesetzt, um die Kleinen vor Rasern zu schützen. Als die Polizei kontrollierte, stellte sie erstaunt fest, dass vor allem Eltern und Erzieherinnen gegen die neuen Vorschriften verstießen.

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