Zweite Wahl am 2. Oktober

BERLIN/ DRESDEN. (dpa) Das Endergebnis der Bundestagswahl wird erst nach der verspäteten Abstimmung in Dresden am 2. Oktober feststehen. Im Wahlkreis Dresden I muss die Wahl nachgeholt werden, weil eine NPD-Direktkandidatin gestorben war.

Betroffen sind rund 219 000 Wahlberechtigte, teilte die sächsische Landeswahlleiterin Irene Schneider-Böttcher am Freitag mit. Ein Vorziehen der Nachwahl auf den Tag der Bundestagswahl am 18. September war nach Auskunft des Bundeswahlleiters bei Beachtung der Rechtsvorschriften nicht möglich. Um eine mögliche Beeinflussung der Wähler zu vermeiden, sprachen sich Politiker dafür aus, künftig Ersatzkandidaten zu nominieren.Die Dresdner NPD will den früheren Chef der rechtsradikalen "Republikaner", Franz Schönhuber, als Direktkandidaten bei der Nachwahl nominieren. Bundeswahlleiter Johann Hahlen wird am Abend des 18. September auf jeden Fall ein Endergebnis nennen, das aber wegen der Nachwahl in Dresden "in besonderer Weise" vorläufig ist. Eine wie auch immer geartete Geheimhaltung der Ergebnisse aus den 298 nicht betroffenen Wahlkreisen bis zum Abschluss der Nachwahl würde dem Bundestagswahlrecht widersprechen, sagte Hahlen in Wiesbaden. Er halte es für unwahrscheinlich, dass die Nachwahl Zusammentritt und Beschlussfähigkeit des Bundestages beeinträchtigt. Zweifel an dem Verfahren der Nachwahl wies Hahlen zurück. Der Gesetzgeber habe in Kauf genommen, dass die Wahlberechtigten in einem Wahlkreis ihre Stimme "in Kenntnis des Wahlergebnisses aus dem übrigen Wahlgebiet abgeben".

Politiker aller Parteien wiesen das Ansinnen zurück, wegen der Nachwahl die Veröffentlichung eines vorläufigen Ergebnisses zurückzuhalten. Dies hatten unter anderem die Dresdner Direktkandidaten Andreas Lämmel (CDU) und Peggy Bellmann (FDP) verlangt. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz nannte diese Forderung "geradezu widersinnig". Ein Ergebnis zu verschweigen, "wäre ein eklatanter Rechtsbruch", sagte der Staatsrechtler. Die Entscheidung des Bundeswahlleiters sei "zwingend richtig".

Nach-Wähler "Zünglein an der Waage"?

Der Rechtsexperte der Grünen, Jerzy Montag, nannte den Vorschlag "völlig abenteuerlich und weltfremd". FDP-Generalsekretär Dirk Niebel ist strikt gegen ein Zurückhalten des vorläufigen Endergebnisses. "So was kann man vielleicht in Afrika machen, (...) nicht in der Bundesrepublik", sagte Niebel .

Auch die Union wandte sich dagegen. CDU-Generalsekretär Volker Kauder sagte: "Ich glaube, man es nicht anders machen, als am 18. September das Wahlergebnis zu veröffentlichen." Bayern Innenminister Günther Beckstein (CSU) unterstrich: "Es ist ja gar nicht möglich, das Ergebnis geheim zu halten." Er trat aber für eine Änderung der gesetzlichen Vorgaben ein.

In Bayern wird beispielsweise beim Tod eines Direktkandidaten dennoch gewählt. Nach der Wahl rückt dann der nächste auf der Liste nach. FDP-Chef Guido Westerwelle schlug vor, künftig bei der Nominierung der Kandidaten einen Ersatzbewerber mitzuwählen. Auch Wiefelspütz meinte, man sollte nach der Wahl über Alternativen nachdenken. Klagen gegen die Entscheidung des Bundeswahlleiters räumte er keine Chancen ein. Auch der Staatsrechts-Professor Hans-Peter Schneider hält Klagen für aussichtslos. Verfassungsrechtliche Bedenken gebe es dennoch: "Es ist eine schwierige Situation, das Prinzip der Gleichheit der Wahl ist berührt, da die Wähler in dem Wahlkreis das vorläufige amtliche Endergebnis kennen", sagte Schneider. Aber das Bundeswahlgesetz hat Nachwahlen vorgesehen. "Alternativen kommen daher nicht in Betracht."

In der Geschichte der Bundesrepublik hatte sich 1961 und 1965 nach dem Tod von Direktkandidaten das Endergebnis von Bundestagswahlen um einige Wochen verzögert.

Bei der Bundestagswahl 2002 hatten sich SPD und CDU in Dresden wie in ganz Sachsen ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert. Nach der jetzt erforderlichen Nachwahl wird spekuliert, ob Dresden bei einem knappen Ausgang zum "Zünglein an der Waage" werden könnte. Bei der Bundestagswahl 2002 hatten SPD und Grüne zusammen bei knapp 48 Millionen gültigen Stimmen 577 567 mehr Zweitstimmen als Union und die Liberalen.

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