Zwischen Kaiserreichen und Kommunistenregime

China ist Gastland der Frankfurter Buchmesse. Und anstatt darüber zu zanken, ob das eine richtige Entscheidung war, kann man ja vielleicht einmal: lesen. Dafür eignet sich die "Sammlung chinesischer Klassiker" im S. Fischer Verlag, die pünktlich zur Messe erscheint.

Frankfurt. (fpl) Der chinesische Dichter und Aristokrat Qu Yuan ertränkte sich, 62-jährig, im Fluss Miluo - aus Verzweiflung an der Welt. Das war im Jahr 278 vor Christus, in der "Zeit der streitenden Reiche". Wer weiß: Hätte er in diesem oder dem vergangenen Jahrhundert gelebt, vielleicht wäre Qu Yuan schon längst ins Wasser gegangen, bevor er auch nur eine einzige Zeile zu Papier gebracht hätte. So aber wurde er zu einem Wegbereiter der chinesischen Literatur. Und um die geht es hier - nicht um eine Gegenwart, in der die Volksrepublik Gastland der Frankfurter Buchmesse ist.

Nicht um die großen ideologischen Mauern, die da schon wieder gebaut werden, die politischen Diskussionen, die man mit einer solchen Entscheidung unweigerlich hervorruft, bei denen West und Fernost bislang doch eine eher bedenkliche Figur zwischen Belehrung und beleidigter Leberwurst abgaben - und die immer wieder den Blick auf die Schätze verdecken, die zu heben wären.

Diese Möglichkeit bieten nun die Herausgeberinnen Eva Schestag und Olga Barrio Jiménez mit ihrer vierbändigen, im S. Fischer Verlag erscheinenden "Sammlung chinesischer Klassiker", mit vielen erstmals oder neu übersetzten Texten aus der reichen literarischen Geschichte Chinas zwischen Kaiserreichen und Kommunistenregime. Gut - es finden sich in dieser prächtigen Sammlung auch ein paar Texte, die nur vielleicht etwas für absolute Chineasten sind und in denen Schilf und Seide unaufhörlich zu rascheln scheinen. Andererseits werden geradezu beiläufig Hände abgehackt, Kehlen durchschnitten, Köpfe abgetrennt (was ja für manchen durchaus ein Kaufanreiz sein mag).

Zahlreiche hinreißende Entdeckungen



Vor allem aber lassen sich zahlreiche hinreißende Entdeckungen machen: der überbordende 600-Seiten-Roman "Der Aufstand der Zauberer", Gedichte über Sehnsucht, Trunkenheit und Sehnsuchtstrunkenheit und "Die acht köstlichen Gerichte" von Hackbraten bis Hundeleber. Oder die philosophischen Texte, darunter der fast 2300 Jahre alte Dialog zwischen dem Sophisten Gongsun Long und einem Herrn von angeblich "gesundem Menschenverstand".

Ein Pingpong der Spitzfindigkeiten über die Frage, ob ein weißes Pferd tatsächlich noch ein Pferd sei - und warum es das in der Argumentation des Philosophen dann doch nicht ist. Ein sympathischer Mann also, dieser Gongsun Long. Um es mit den Worten des Fürsten Ping Yuan zu sagen: "Er taugt nichts."

So gilt am Ende für dieses Buchpaket das Gleiche wie für das darin ebenfalls behandelte konfuzianische Lehrwerk. Zitat: "Ein guter Leser dreht und wendet es wieder und wieder, hin und her, bis er alles erfasst und ein ganzes Leben lang praktiziert. Es ist etwas Unerschöpfliches darin.”

Eva Schestag, Olga Barrio Jiménez (Hg.): Eine Sammlung chinesischer Klassiker, vier Bände im Schuber (plus das Schulbuch "Drei-Zeichen-Klassiker"). ISBN 978-3-10-010240-9. Subskriptionspreis bis 31. März 2010: 89 Euro, die Einzelbände kosten jeweils etwa 25 Euro.

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