Zwischenbrise in der Windbranche

Mehr, höher, leistungsfähiger. 2014 wird mit voraussichtlich 3300 bis 3700 Megawatt neu installierter Leistung das Rekordjahr der Windenergie werden. Das prognostiziert der Branchenverband. Unser Berliner Korrespondent Werner Kolhoff hat die wichtigsten Fragen und Antworten zu dieser Entwicklung.

Wie erklärt sich die Rekordzahl?
Laut dem "Bundesverband Windenergie" aus der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Viele Investoren hätten Angst vor stark sinkenden Fördersätzen gehabt (die allerdings nicht gekommen sind). Außerdem haben die Länder künftig die Möglichkeit, eigene Abstandsregeln für Windräder festzulegen. Die Firmen beeilten sich wegen dieser drohenden Einschränkungen, ihre Projekte so schnell wie möglich zu realisieren. Und so gab es allein im ersten halben Jahr einen Zubau um 650 neue Windräder mit insgesamt 1722 Megawatt Leistung. Normalerweise werden bis zum Sommer nur 30 Prozent der geplanten Projekte realisiert, jetzt waren es fünfzig Prozent. Wegen des Vorzieheffektes dürfte der Zubau im nächsten Jahr wieder schwächer sein, zumal dann der neue "Deckel" von 2500 Megawatt jährlich gilt. Wird er überschritten, sinkt die Förderung schneller als vorgesehen.

Gibt es regionale Unterschiede beim Neubau von Windrädern?
Ja, sehr große. Schleswig-Holstein errichtete allein 25 Prozent der neuen Kapazitäten, insgesamt 159 Anlagen. Es folgen Niedersachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit jeweils 64 bis 77 zusätzlichen Windrädern. Erstaunlich ist, dass die Binnenländer Bayern und Rheinland-Pfalz mit jeweils etwas über 50 neuen Windrädern auf den folgenden Plätzen rangieren - vorher war hier der Zubau viel schwächer. Dass Berlin kein einziges Windrad neu gebaut hat, verwundert in einem Stadtstaat nicht. Überraschender ist da schon, dass auch Sachsen völlig ohne neues Windrad blieb und in Baden-Württemberg nur ein einziges errichtet wurde. In Sachsen gibt es Widerstände in der Landesregierung, im Ländle bei den Bürgern an den Baustandorten.

Wie verteilt sich die Windkraft insgesamt und wie leistungsfähig ist sie?
Inzwischen ist Deutschland mit insgesamt 24 193 Windenergieanlagen "verspargelt", die 35 388 Megawatt Leistung bringen. Sie produzieren zehn Prozent des deutschen Stroms. Die Windkraft auf See kommt mit 146 Anlagen und 628 Megawatt dazu, wovon ein Sechstel allein im ersten Halbjahr 2014 ans Netz angeschlossen wurde. Zusammen mit der Biomasse und der Photovoltaik kommt heute 29 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen. Die fünf Küsten-Länder beherbergen 42 Prozent der Windenergie, die Mittelländer rund 46 und die Südländer Rheinland-Pfalz, Bayern, Baden-Württemberg und das Saarland zusammen rund zwölf Prozent.

Wie hat sich die Technik entwickelt?
Es geht im wahrsten Sinne des Wortes weiter nach oben. Neue Windräder an der Küste sind im Schnitt heute etwas unter 100 Meter hoch und haben einen Rotordurchmesser von 91 bis 94 Meter. Die Anlagen im Binnenland schießen ungefähr 130 Meter in die Höhe. Sie lägen damit alle auf Platz 30 der höchsten Häuser in Deutschland, noch vor dem Frankfurter Garden Tower und dem Essener RWE-Turm. Die durchschnittliche Leistung neuer Anlagen liegt bei 2,7 Megawatt. Altanlagen sind viel schwächer. Deswegen und wegen der Schwierigkeiten mit lokalen Bürgerinitiativen werden häufig vorhandene Windräder durch neue am gleichen Standort ersetzt (Repowering). Im ersten Halbjahr betraf das 93 Anlagen. 102 kleinere Windräder mit jeweils kaum mehr als einem halben Megawatt Leistung verschwanden sogar ganz.Extra

Auch in Rheinland-Pfalz nehmen die Anträge für Windräder zu. Das Land will bis 2030 den Strombedarf aus erneuerbaren Energien decken. Allein im Kreis Trier-Saarburg liegen Bauanträge für 56 Windräder vor. Mit 29 sind die meisten in der Verbandsgemeinde Hermeskeil geplant, es folgen Trier-Land (14), Schweich (9), Konz (3) und Ruwer (1). red

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