Bildung Am Montag geht’s wieder los – Das Ziel: So viel Schule wie möglich
Trier · So will das Land den Regelunterricht trotz Corona möglich machen. Schulen und Lehrer stehen vor Herausforderungen.
„Wir alle wünschen uns für das kommende Schuljahr möglichst viel Schule in der Schule.“ Das sagte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) in einem gestern auf Facebook geposteten Video, in dem sie gemeinsam mit Susanna Hubo von der Landesschülervertretung erklärt, wie das am Montag beginnende Schuljahr trotz wieder steigender Corona-Infektionen so normal wie möglich vonstatten gehen soll.
Es gebe dafür „ganz klare und einheitliche Vorgaben“ für alle Schulen im Land, teilte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage unserer Zeitung mit. Zusammengefasst sind diese Vorgaben in dem erst gestern veröffentlichten fünften Hygieneplan für die Schulen. Auf 17 Seiten werden die Maßnahmen aufgelistet, die aus Sicht des Ministeriums notwendig sind für die Wiederaufnahme des Regelbetriebs, also den Präsenzunterricht für möglichst alle Schüler. Gleichzeitig hat das Ministerium den Lehrern eine 44-seitige Handreichung zukommen lassen, in der es schwerpunktmäßig um Fernunterricht geht. Denn Schulschließungen werden auch im kommenden Schuljahr nicht ausgeschlossen. Allerdings hofft man im Ministerium, flächendeckende Schließungen wie im Frühjahr verhindern zu können. „Wir haben inzwischen viel über das Virus gelernt und schnellgreifende Mechanismen entwickelt, um Infektionswege nachzuvollziehen, schnell zu testen, Quarantänemaßnahmen einzuleiten und eine Ausbreitung dadurch zu begrenzen“, sagt ein Sprecher. Ausschließliches Homeschooling wie im März soll es nur noch regional begrenzt geben, dann wenn in einer Region die Zahl der Neuinfektionen in einer Woche über 50 bezogen auf 100 000 Einwohner steigt und das öffentliche Leben dort dann eingeschränkt werden muss. Die Entscheidung, ob bei Infektionsfällen eine ganze Schule geschlossen wird oder eine Klassenstufe oder nur eine einzelne Klasse in Quarantäne geschickt wird, trifft letztlich das Gesundheitsamt vor Ort. Das zu verhindern, sei eine Aufgabe aller, sagt der Ministeriumssprecher: „Es hilft nichts, wenn in der Schule Maske getragen und gelüftet werden muss, die Menschen sich in der Freizeit aber nicht an die Regeln halten. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, dass das Recht auf Bildung gelingt.“
Trotzdem betrachten einige – Eltern, Lehrer und auch Schüler – die Rückkehr zum Regelbetrieb mit Sorge. So etwa eine Mutter eines 13-jährigen Schülers aus Trier. Sie selbst ist, wie sie sagt Krebspatientin, und kann nicht nachvollziehen, warum Rheinland-Pfalz anders als Nordrhein-Westfalen keine Maskenpflicht während des Unterrichts angeordnet hat. „Eine Maskenpflicht im Unterricht halten wir derzeit nicht für erforderlich, zumal die Nachverfolgbarkeit bei einem möglichen Infektionsfall innerhalb der Gruppen jederzeit gegeben ist“, sagt dazu der Ministeriumssprecher. Das dauerhafte Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung beeinträchtige nicht nur die direkte Kommunikation im Klassenraum, „sie kann insbesondere für jüngere Kinder eine Belastung darstellen, wenn die Maske mehrere Stunden ununterbrochen getragen werden müsste“. Gedeckt wird das auch von Günther Matheis. Der Präsident der Landesärztekammer hält eine Maskenpflicht während des Unterrichts auch aus medizinischen Gründen nicht für erforderlich. Die Pflicht einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, gilt aber außerhalb des Unterrichts, auch auf dem Pausenhof. Was die Mutter, die Lehrerin in Luxemburg ist, wiederum für überflüssig hält.
Vor welchen Herausforderungen Schulen unter den gegebenen Bedingungen stehen, lässt sich in den Elternbriefen herauslesen, die derzeit verschickt werden. So werden an einzelnen Schulen detailliert die Pausen geregelt, wann welche Stufen auf den Schulhof dürfen. Auch wie und ob Musikunterricht mit Gesang und Instrumenten stattfinden darf (“Im Musikunterricht darf nicht gesungen werden“, lautet etwa die Vorgabe beim Trierer Humboldt-Gymnasium) und wie der Sportunterricht in der Halle geregelt wird. Vereinzelt müssen Schüler immer an festen Plätzen sitzen und die Sitzordnung muss auch dokumentiert werden, um im Falle einer Infektion Kontaktpersonen nachverfolgen zu können.
Er sei gespannt, wie der Unterricht unter diesen Bedingungen laufe, sagt Oliver Pick. Er leitet die Grundschule in Idesheim (Eifelkreis Bitburg-Prüm) und ist stellvertretender Landesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung. Pick glaubt nicht, dass alles reibungslos laufen wird. Vor allem fehle es am notwendigen Personal. Zum einen seien etwa wegen der versetzten Pausenregeln mehr Lehrer notwendig, die Aufsicht führten. Doch ein Mehr an Lehrern gebe es nicht. Pick geht davon aus, dass der Anteil der Kollegen, die wegen eines erhöhten Risikos, sich mit Corona zu infizieren, nicht zum Präsenzunterricht kommen kann, genauso hoch sein wird wie vor den Ferien. Bis zu 20 Prozent der Lehrkräfte ließen sich da vom Unterricht in der Schule befreien. Das ist ab kommendem Schuljahr nur nach Vorlage eines Attests möglich. „Die, die vorher Risikopatienten waren, sind es jetzt auch noch“, sagt Pick.
Beim Bildungsministerium ist man hingegen optimistisch, dass nur ein ganz geringer Teil der Lehrer zu Hause bleiben und von dort unterrichten wird. Derzeit gehe man von einem Anteil von zwei Prozent der 41 000 Lehrer im Land aus, die aus gesundheitlichen Gründen zu Hause bleiben werden.