Fußball-EM-Qualifikation Mit Geduld und Genialität: Deutsche Elf deklassiert Estland mit 8:0

Mainz · Das war deutlich: Die deutsche Nationalmannschaft bescherte ihren Fans mit einem 8:0-Sieg gegen Estland in der EM-Qualifikation ein Fußball-Fest.

 Deutschlands Joshua Kimmich (Mitte) und Torschütze Leon Goretzka (rechts) bejubeln das Tor zum 3:0.  Foto: dpa

Deutschlands Joshua Kimmich (Mitte) und Torschütze Leon Goretzka (rechts) bejubeln das Tor zum 3:0. Foto: dpa

Foto: dpa/Federico Gambarini

Es lief die 24. Minute in Mainz. Ersatz-Bundestrainer Marcus Sorg, der ein weiteres Mal den erkrankten Coach Jogi Löw vertrat, zuckte mit dem rechten Handgelenk. Mit dieser Geste animierte er sein Team, weiter nach vorne zu schieben, nicht nachzulassen. Wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, als die deutsche Nationalmannschaft im EM-Qualifikationsspiel gegen Estland bereits mit 3:0 führte.

Die DFB-Auswahl deklassierte den völlig überforderten Weltranglisten-96. am Ende nach allen Regeln der Kunst mit 8:0 – und das, obwohl die Gäste aus dem Baltikum mit einem dicht gestaffelten Neuner-Riegel (Fünfer-Abwehrkette, Vierer-Mittelfeld) die deutsche Elf vom Tor weghalten wollten.

Der Plan ging von Beginn an überhaupt nicht auf, weil die deutsche Mannschaft Geduld mit Genialität paarte. Spielwitz in Kombination mit Tempo – das war eine zu explosive Mischung für Estland, das trotz der Gegentorflut bezeichnenderweise in Torwart Sergei Lepmets ihren besten Mann hatte.

In der zehnten Minute war der bemitleidenswerte Keeper, der sich mehrfach mit Paraden auszeichnen konnte, erstmals geschlagen. Der immer enorm weit aufgerückte Rechtsverteidiger Thilo Kehrer flankte von der rechten Seite vors Tor, wo Karol Mets ins Leere grätschte und Marco Reus mit seinem vermeintlich schwächeren linken Fuß den Ball unter die Latte zum 1:0 jagte.

Es ging weiter Schlag auf Schlag. Beim 2:0 (17.) lupfte Ilkay Gündogan den Ball zu Leroy Sané, der das Leder artistisch annahm, in der Mitte Serge Gnabry bediente, der nur noch einschieben musste. Drei Minuten später das 3:0. Kimmich chipte den Ball in den Strafraum, wo sich Leon Goretzka aus dem Stand hochraubte und einköpfte. Das 4:0 fiel per Foulelfmeter – Joonas Tamm hatte Goretzka zu Fall gebracht. Gündogan traf sicher vom Punkt (25.). In der 37. Minute verwandelte Reus einen Freistoß zum 5:0 – ein (weiterer) herrlicher Treffer.

In der Schlussphase der ersten Halbzeit schwappte die La-ola durchs mit 26 050 Zuschauern ausverkaufte Mainzer Stadion. Estland kam sehr selten aus der eigenen Hälfte – die wenigen Ballkontakte von Deutschlands Torwart Manuel Neuer wurden vom berauschten Publikum mit Applaus bedacht. In der Nachspielzeit des ersten Durchgangs musste Neuer dann aber tatsächlich einmal zupacken – bei einem Freistoß von Konstantin Vassiljew.

Fünf Tore, 15 Torschüsse, 81 Prozent Ballbesitz: Die Dominanz der DFB-Elf in den ersten 45 Minuten machte sich alleine an diesen drei Zahlen deutlich. Zudem wurden Erinnerungen wach: Eine deutsche 5:0-Führung zur Halbzeit gab es auch im Halbfinale der WM 2014 gegen Brasilien (Endstand 7:1) …

In der deutschen Startelf gab es zwei Wechsel im Vergleich zum 2:0-Sieg drei Tage zuvor in Weißrussland. Kehrer und Goretzka kamen für Jonathan Tah und Lukas Klostermann ins Team. Das bedeutete auch eine taktische Umstellung: Die DFB-Elf spielte in der Abwehr mit einer Vierer- statt mit einer Dreierkette.

Die Esten, die ihre beiden ersten EM-Qualifikationsspiele gegen Nordirland verloren hatten, gaben kurz nach der Pause ein zweites Lebenszeichen ab, als bei einem Schuss von Sergei Zenjov nicht viel fehlte (48.). Erneut Zenjov stellte bei einem Schuss Neuer wenige Minuten später vor nicht allzu große Probleme (56.).

Das war es aber auch schon wieder mit der Herrlichkeit. Zudem gab’s das 0:6. Der eingewechselte Marcel Halstenberg bediente Gnabry, der zum zweiten Mal erfolgreich war (62.). Dem vermeintlichen 7:0 durch Sané wurde wegen Abseits die Anerkennung verwehrt (68.). Pech für den Profi von Manchester City: Auch in der 82. Minute wurde ein Treffer von ihm wegen Abseits zurückgepfiffen.

So war es der eingewechselte Timo Werner, der den siebten Treffer in der 79. Minute mit einem Heber folgen ließ. Aber Sané wollte noch sein Tor – und er bekam es! In der 88. Minute netzte er ins lange Eck ein. 8:0 – der Endstand. Dieses Resultat hatte eine deutsche Elf zuletzt bei der WM 2002 gegen Saudi-Arabien erzielt.

Im Parallelspiel der EM-Qualifikation siegte Nordirland mit 1:0 in Weißrussland – der vierte Sieg im vierten Spiel. Deutschland geht mit nun drei Siegen in drei Spielen als Tabellenzweiter der Gruppe C in die Sommerpause, ehe am 6. September das nächste Qualifikationsspiel zu Hause gegen den Drittplatzierten Niederlande (drei Punkte aus zwei Spielen) ansteht – ein wahrlich anderes Kaliber als Estland am Dienstagabend.

Spiel-Statistik:

Deutschland: Neuer – Kehrer, Ginter, Süle, Schulz (46. Halstenberg) – Goretzka, Kimmich, Gündogan (53. Draxler) – Sané, Gnabry, Reus (65. Werner)

Estland: Lepmets – Teniste, Tamm, Vihmann, Mets, Pikk – Kams, Vassiljew (82. Kreida), Dmitrijev (59. Käit), Puri – Zenjov (71. Ojamaa)

Tore: 1:0 Reus (10.), 2:0 Gnabry (17.), 3:0 Goretzka (20.), 4:0 Gündogan (26., FE), 5:0 Reus (37.), 6:0 Gnabry (62.), 7:0 Werner (79.), 8:0 Sané (88.)

Schiedsrichter: Ali Palabiyik (Türkei)

Zuschauer: 26 050

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