Mutmaßlicher Missbrauchsskandal Gutachterin: Nach Aktenlage keine Übergriffe am Klinikum in Homburg

Homburg · Expertin sieht aber durchaus medizinisch nicht angezeigte Untersuchungen und Behandlungen durch verstorbenen Assistenzarzt.

 Die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uniklinikum Homburg.

Die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uniklinikum Homburg.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Mehr als fünf Monate nach Bekanntwerden des mutmaßlichen Missbrauchsskandals in der so genannten Ausscheidungsambulanz der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum (UKS) stellt der Klinikvorstand jetzt in einer Pressemitteilung erste Details aus einem Gutachten zu 34 Verdachtsfällen vor.

Bereits Ende Juni hatte die UKS-Spitze Professorin Renate Schepker, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, sowie Chefärztin in Ravensburg mit einer Expertise beauftragt. Schepker wertete nach UKS-Angaben die 34 Patientenakten aus der Ambulanz aus, die zuvor zumindest teilweise die Staatsanwaltschaft untersucht hatte. Betroffen sind Kinder- und Jugendliche, die in den Jahren 2010 bis 2014 in der Spezialambulanz von Assistenzarzt S. behandelt wurden. Das Strafverfahren gegen den Mediziner musste nach dessen Tod im Jahr 2016 „von Amts wegen“ eingestellt werden. Die Eltern der betroffenen Kinder wurden allerdings überhaupt erst in diesem Sommer informiert.

Rückblickend seien pädophile Neigungen bei dem früheren Assistenzarzt „wahrscheinlich“, teilt das UKS mit. Die Sachverständige habe dessen Untersuchungen und Behandlungsschritte mit „damaligen und aktuellen Leitlinien und Literatur“ abgeglichen. Die Gutachterin hatte ausschließlich die Akten vorliegen. Wobei davon auszugehen ist, dass der Arzt selbst die Eintragungen darin vorgenommen hat.

„Ganz überwiegend“, so heißt es in der Pressemitteilung jetzt, kam die Expertin zu dem Resultat, „dass das Vorgehen des Arztes“ den damaligen Vorschriften entsprechend war. Sie kam weiter zu dem Ergebnis, „dass 13 Prozent der von dem Assistenzarzt bei einem sehr strengen Begutachtungsmaßstab durchgeführten Untersuchungen nicht medizinisch begründet waren“.

Dazu zählten, so das UKS, Ultraschalluntersuchungen des Bauches, aber auch „mehrfache Untersuchungen der Genitalien“. Bei sechs Patienten kamen demnach nicht begründete Untersuchungen „gehäuft vor“. In einem Fall sei eine Untersuchung des Enddarms nicht begründet gewesen. Zwei Kinder seien – weitgehend entkleidet – fotografiert worden. Dazu soll jedoch, so die Gutachterin, eine medizinische Begründung bestanden haben.

Nach UKS-Angaben stellte Schepker fest, dass der Arzt „häufig“ Vorhautverklebungen gelöst und behandelt habe. In einigen Fälle habe eine akute Entzündung die Behandlung erfordert, bei sieben seiner kleinen Patienten habe für eine sofortige Behandlung kein akuter Anlass bestanden.

Ausdrücklich hält das UKS in seiner Pressemitteilung fest: „Zu den Vorgehensweisen bei den einzelnen Untersuchungen können Akten naturgemäß keine Aufschlüsse liefern.“ Weiter heißt es wörtlich: „Nach Überzeugung der Gutachterin waren nach Aktenlage keine sexuellen Übergriffe in der Ambulanz feststellbar, die über die Durchführung medizinisch nicht indizierter Untersuchungen, beziehungsweise Behandlungen hinausgingen.“ Der Arzt habe dokumentiert, dass einige Kinder gerne zu ihm kamen, er habe Geschenke „für gute Mitarbeit“ verteilt und zwei Kinder für den Judoverein geworben, in dem er Trainer war. Dies wertet die Gutachterin „als Verletzung der Abstinenzpflicht“.

Mit dem Vorgängen in der Spezialambulanz beschäftigt sich heute wieder der parlamentarische Untersuchungsausschuss des Landtages, der mit Sicherheit auch Schepkers Gutachten anfordern wird.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort