Schwerer Vorwurf Aufgabe wegen Betrugsverdacht: Schach-Weltmeister Magnus Carlsen sorgt für nächsten Eklat

Es geht um eine schwere Anschuldigung, fehlende Beweise und das Verhalten des Weltmeisters. An der Spitze des internationalen Schachsports eskaliert die Lage.

 Magnus Carlsen bei einem Turnier im Jahr 2021.

Magnus Carlsen bei einem Turnier im Jahr 2021.

Foto: dpa/Dmitri Lovetsky

Die Schach-Welt ist seit mehr als zwei Wochen im Ausnahmezustand. Die Situation ist verfahren, die Anschuldigungen wiegen schwer und ausgerechnet der wichtigste Mann des Denksports steckt mittendrin: Weltmeister Magnus Carlsen. Nun ließ er den Streit weiter eskalieren.

Die unangefochtene Nummer 1 am Schachbrett trat beim Julius-Bär-Generationen-Cup an, kam zum Spiel gegen den 19-jährigen Großmeister Hans Niemann und gab die Partie nach nur einem Zug auf. Angesichts der jüngsten Vorgeschichte zwischen den beiden Spielern war es eine Eskalation mit Ansage – und eine erneute offene Anschuldigung, die Magnus Carlsen gegen Hans Niemann richtet.

Betrug von Hans Niemann gegen Schach-Weltmeister Magnus Carlsen?

Alles begann Anfang September beim Sinquefield Cup, einem Einladungsturnier, das in St. Louis ausgetragen wird. Hier trafen sich Magnus Carlsen und Hans Niemann am Brett. Gegen den norwegischen Weltmeister war der junge US-Amerikaner nur Außenseiter. Auf Platz 49 der Weltrangliste wird Niemann derzeit geführt. Einer der besten Spieler der Welt, aber eben kein Magnus Carlsen, der das Schachspiel seit Jahren auf höchstem Level dominiert.

Doch Niemann nutzte seine Chance. Er holte sich gegen die Nummer 1 tatsächlich den Sieg. Ein großer Triumph, bei dem die Freude nicht lange währte. Denn es sollte nicht einfach nur eine von vielen Partien im Turnier bleiben. Es war die Partie, die Magnus Carlsen dazu veranlasste, das Chaos über den Schachsport zu bringen.

Magnus Carlsen spricht nicht offen über Betrug

„Ich habe mich aus dem Turnier zurückgezogen“, teilte der Norweger nach seiner Niederlage auf Twitter mit. Eine persönliche Erklärung gab es nicht. Auch eine Begründung für seine Entscheidung blieb aus. Dafür hinterließ Carlsen aber eine Andeutung, die Schachspieler in aller Welt sofort verstanden.

An seinen Tweet hängte er ein Video des Fußball-Trainers José Mourinho an. „Wenn ich etwas sage, bin ich in großen Schwierigkeiten“, erklärt Mourinho darin. Ein klärendes Statement von Carlsen hat es bis heute nicht gegeben. Doch die Analysten der Schach-Welt sind sich einig, worüber Carlsen nur in verklausulierten Worten sprechen will: Der Weltmeister wirft seinem Kontrahenten Betrug vor.

Das nächste Turnier, bei dem die beiden Spieler aufeinander trafen, führte nun zu einer neuen Eskalationsstufe. Magnus Carlsen gab die Partie sofort auf. Er verweigerte den Wettkampf gegen Hans Niemann, den er damit als unehrlichen Spieler brandmarkt. Doch selbst unter Schach-Profis gehen die Meinungen auseinander. Nicht jeder glaubt den Anschuldigungen und nicht jeder ist mit Carlsens Handlungen einverstanden.

Zumindest eines hat der Weltmeister aber bewirkt. Die drängende und unbequeme Frage nach möglichem Betrug im Schach steht auf der Tagesordnung.

Die besten Züge im Schach liefert der Computer

Der Betrug im Schach ist im Prinzip viel einfacher als in Sportarten, bei denen die physische Leistung im Vordergrund steht. Der Spieler muss nicht an sich selbst Manipulieren, sondern nun ein bisschen Hilfe von außen organisieren. Und die Hilfe kommt in Form von Computern. Vorbei sind die 1990er, als Computer langsam den Menschen beim Schach überholten und sich schließlich auch der große Garri Kasparow einer Maschine geschlagen geben musste.

Die Programme sind stärker geworden und stehen heute jedem zur Verfügung. Die Perfektion der Züge wird nur noch durch die Rechenleistung begrenzt. Wer dieses Wissen in einem Turnier nutzen kann – natürlich entgegen allen Regeln – hat den entscheidenden Vorteil auf seiner Seite. Denn selbst die Besten spielen nicht perfekt.

Hans Niemann gibt Betrug in früheren Jahren zu

Nun wird darüber diskutiert, ob Hans Niemann vielleicht wirklich zu perfekt war. In einigen Spielen zumindest, nicht in allen. Schach-Analysten spekulieren in Online-Videos darüber, ob sich bei manchen Zügen die Hilfe der Technik zeigt. Beweisen lässt sich letztlich nichts. Niemann und Carlsen saßen sich bei jenem verhängnisvollen Spiel am Brett gegenüber. Wann genau sich Niemann das verbotene Wissen geholt haben könnte, weiß niemand. Falls Carlsen einen konkreten Verdacht hat, bringt er ihn zumindest nicht an die breite Öffentlichkeit.

Dass ein Betrug prinzipiell möglich ist, steht außer Frage. In Online-Partien sind der Verwendung von Computern kaum Grenzen gesetzt. Selbst Hans Niemann räumt in einem Interview wenige Tage nach der Skandal-Begegnung mit Carlsen ein, er habe in früheren Jahren auch schon bei zufälligen Online-Partien betrogen. Am echten Brett habe er das aber nie getan. „In einem Turnier mit Preisgeld zu betrügen, ist das Schlimmste, was du tun kannst“, erklärt er. Das würde er niemals tun.

Auch bei Carlsens jüngster Aufgabe gegen Niemann begegneten sich die Kontrahenten nur am Bildschirm. Insgesamt 150.000 US-Dollar Preisgeld standen beim Julius-Bär-Generationen-Cup auf dem Spiel. Ein Preisgeld, das durch Online-Partien ausgespielt wurde, während das Fachpublikum sich fragt, ob der Betrug im Moment sogar möglich ist, wenn sich die Spieler Auge in Auge gegenüber sitzen.

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