Europawahl SPD-Chefin Andrea Nahles will Aufschub bis zum Herbst

Berlin · Die Partei-Spitze warnt vor Personaldebatten. Indes wollen die Sozialdemokraten beim Thema Klimaschutz konsequenter werden.

 Andrea Nahles (SPD) trat am Sonntag von allen Parteivorsitzenden als letzte vor die Kameras.

Andrea Nahles (SPD) trat am Sonntag von allen Parteivorsitzenden als letzte vor die Kameras.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Die erste Hochrechnung ist noch nicht gelaufen, da blinkt bei den SPD-Mitgliedern schon eine Nachricht aus der Parteizentrale auf. „Danke, dass Ihr Euch so reingehängt habt“. Beigefügt ein Video mit einem Best-of des Wahlkampfes von Katharina Barley. Titel „Sozenliebe“.

Mit der ist es bei den Sozialdemokraten bekanntlich nicht weit her, nach Wahlniederlagen sowieso nicht. Andrea Nahles braucht von allen Parteivorsitzenden am Sonntag am längsten, bis sie vor die Kameras tritt. Das zeigt, wie angespannt die Lage ist. Als die ersten Hochrechnungen über die Bildschirme flimmern, herrscht im Willy-Brandt-Haus Grabesstille. Platz Drei hinter den Grünen in Europa, das ist eine Katastrophe.

Als erstes versucht die Führung, aufkommende Personaldebatten zu unterdrücken. Letzte Woche war schon von Putschgerüchten die Rede. Nahles soll sich Martin Schulz persönlich vorgeknöpft haben, der sie angeblich an der Fraktionsspitze ablösen will. Dementiert wurde das nicht. Eine indirekte Bestätigung findet sich in den Äußerungen von Generalsekretär Lars Klingbeil, der gleich nach den ersten Prognosen vor die Kameras geschickt wird und sagt, dass Personaldebatten „das Falsche“ seien, außerdem „Rituale alter Politik“. Klingbeil appelliert an die nicht genannten Putschisten: „Hört auf mit diesen Spielchen.“ Nahles formuliert es bei ihrem Auftritt anders. Bis Ende des Jahres werde die SPD ihre Neuaufstellung abgeschlossen haben. „Es wäre das Schlimmste, auf halben Weg stehen zu bleiben.“ Dafür bekommt sie sogar Beifall. Die Führung will also mehr Zeit, mindestens bis nach den Wahlen im Herbst in Ostdeutschland.

Die zweite Botschaft der Parteispitze ist eine Art „Wir haben verstanden“. Nämlich, dass Klimaschutz das entscheidende Thema war und die SPD dort „offensichtlich nicht gut genug aufgestellt ist“, wie Katarina Barley es formuliert. Die wird übrigens persönlich von den Gästen der „Wahltrauerfeier“ mit großem Beifall verabschiedet. Sie hat sich mit ihrer Art innerparteilich sehr viel Sympathie erworben. Schon in den nächsten Tagen soll ihre Nachfolgerin als Justizministerin ernannt werden, kündigt Nahles an.

Die Parteichefin gratuliert den Grünen unumwunden dafür, dass sie die Sozialdemokraten bei der Europawahl überholt haben und kündigt eine Art SPD-Umweltoffensive an. Nach dem Kohleausstieg werde das Klimaschutzgesetz nun „das nächste große Rad“, an dem man in der großen Koalition drehen werde. Außerdem werde man an diesem Montag über die Schlussfolgerungen beim Thema soziale Gerechtigkeit reden. Nahles verweist auf das Grundrentenkonzept, das Arbeitsminister Hubertus Heil am Freitag in die Ressortabstimmung des Kabinetts gab – obwohl das Kanzleramt nicht zugestimmt hatte. Die SPD will „die Auseinandersetzung selbstbewusst aufnehmen“, wie Nahles sowohl in Richtung Union als auch in Richtung Grüne sagt. Angesichts des Wahlergebnisses ein erstaunlicher Satz.

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