Wie das Treffen mit dem Bischof verlaufen ist Viele Worte, einige Emotionen, etwas Skepsis
Trier · Wie das Treffen des Trierer Bischofs Stephan Ackermann mit den Opfern sexuellen Missbrauchs in der Kirche verlaufen ist.
Stephan Ackermann macht einen angespannten Eindruck, als er am Donnerstagabend in Begleitung dreier Mitarbeiterinnen den Ort des Treffens in Sichtweite des Doms betritt. Es mag die Unsicherheit daüber sein, was den Trierer Bischof in den nächsten drei Stunden beim Gespräch mit Vertretern der Opfervereinigung Missbit wohl erwarten wird. Das von Missbit initiierte Treffen ist zwar einige Zeit vorbereitet worden. Doch schon gleich zu Beginn mokiert Ackermann, dass die Zusammensetzung der Teilnehmer anders sei „als von uns erwartet“.
Es wird ein bisschen diskutiert, dann lässt Moderator Joachim Frank abstimmen, und die zwei Handvoll Politiker und Zuhörer dürfen bleiben. Selbst Ackermann stimmt dafür.
Die Angespanntheit des 56-Jährigen wird sich schnell legen, was auch daran liegt, dass die Diskussion sachlich verläuft und der kirchliche Missbrauchsbeauftragte an diesem Abend „kein Angeklagter ist und hier nicht vor Gericht steht“, wie Missbit-Sprecher Thomas Kiessling sagt.
Der bekannte Trierer Tenor hatte erst im Frühjahr erstmals öffentlich bekannt, als Kind von einem Benediktinerpater missbraucht worden zu sein. Wenn Kiessling darauf zu sprechen kommt, dass neben ihm auch andere Jungs von einem inzwischen verstorbenen Pater der Abtei St. Matthias missbraucht worden seien, es damals viele gewusst und dennoch geschwiegen hätten, lässt sich erahnen, wie sehr die Schilderungen den 56-Jährigen aufwühlen. „Bei mir sind auch noch Emotionen dabei, und ich versuche, sie im Zaum zu halten“, sagt er einmal.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Trierer Bischof das hört. Erst Anfang April bei einer Diskussion mit Pastoral- und Gemeindereferenten über die im vergangenen Jahr veröffentlichte MHG-Studie hatte Thomas Kiessling von den schrecklichen Erlebnissen seiner Kindheit und den „tollen Therapeuten, die mir geholfen haben, hier zu stehen, ohne zu zittern“, berichtet.
Zu diesem Zeitpunkt waren erste Informationen durchgesickert, dass es im Bistum einen neuen Missbrauchsverdacht gebe. Im Fokus: ein prominenter Ruhestandsgeistlicher. Die Staatsanwaltschaft sei eingeschaltet, ein kirchenrechtliches Verfahren eingeleitet, hieß es seinerzeit.
„Hört das denn nie auf?“, werden sich viele seinerzeit gefragt haben, auch wenn die Vorfälle schon etliche Jahre zurückliegen sollen.
Am Donnerstagabend wird am Rande des Treffens über einen anderen innerkirchlichen Eklat diskutiert. In Münster hat Bischof Felix Genn am Tag zuvor einem Priester die Seelsorgearbeit untersagt, weil der in einer Predigt gefordert hatte, auch Geistlichen zu vergeben, die Minderjährige sexuell missbraucht haben. Mehrere Gottesdienstbesucher hatten daraufhin empört die Kirche verlassen und kritisiert, dass der Priester mit keiner Silbe auf das Leid der Opfer eingegangen sei. „Wer solche Thesen vertritt, kann nicht weiterhin im Dienst bleiben“, meinte Felix Genn, der bis 2003 Weihbischof in Trier war.
Stephan Ackermann pflichtet seinem Münsteraner Kollegen bei. Wenn solche unsäglichen und unerträglichen Äußerungen gemacht würden, müsse man klar reagieren, sagt der Trierer Bischof. Eine klare Reaktion hatten sich die Vertreter der Opfervereinigung Missbit auch nach Veröffentlichung der MHG-Studie erhofft, „Aber wir sind zutiefst enttäuscht, dass nichts Greifbares herausgekommen ist“, sagt Sprecher Thomas Kiessling. Die Opfervertreter haben an diesem Abend viele Fragen an den Bischof, und sie sparen an der ein oder anderen Stelle auch nicht mit Kritik, wenn es etwa darum geht, warum ein neu gegründetes Institut für Prävention und Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt ausgerechnet auf Burg Lantershofen (Kreis Ahrweiler) angesiedelt wird, wo auch Priester ausgebildet werden.
„Eine mehr als unglückliche Ortswahl“ sagt Missbit-Sprecher Thomas Schnitzler, der fordert, eine derartige Einrichtung müsse kirchenunabhängig agieren.
Weil der Missbrauchsbeauftragte und Trierer Bischof weiß, wie wichtig den Opfervertretern eine unabhängige Aufarbeitung ist, hat er seine Sprecherin Judith Rupp wenige Stunden vor dem Treffen eine Erklärung über das ehemalige bischöfliche Internat Albertinum in Gerolstein verbreiten lassen. In der 1982 geschlossenen Schule sollen jahrzehntelang Schüler misshandelt und missbraucht worden sein.
Die ganze schlimme Geschichte soll nun von zwei unabhängigen Expertinnen aufgearbeitet werden: der Erziehungswissenschaftlerin Claudia Bundschuh aus Mönchengladbach und der Kölner Rechtsanwältin Bettina Janssen. Bundschuh hatte erst vor zwei Jahren eine ähnliche Studie für ein ehemaliges Jungeninternat im Erzbistum Köln erstellt – mit teils erschreckenden Ergebnissen.
Die Wissenschaftlerin ist dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Als im September die Missbrauchsstudie vorgestellt wurde, kritisierte Bundschuh die „laxe Sanktionierung“. Ihre Erfahrung sei, dass Tätern „in vielen Fällen nichts passiert ist oder sie mit einer brüderlichen Ermahnung davongekommen sind“.
Laut der Mitteilung des Bistums wurden den beiden Studienleiterinnen keinerlei Vorgaben gemacht; das auf zwei Jahre angelegte Projekt soll „gemeinsam mit Betroffenen“ in die Tat umgesetzt werden.
Gelingt dies beim Albertinum, könnte dies – das sagt auch Bischof Stephan Ackermann – ein Modell sein für andere kirchliche Einrichtungen im Bistum. Es wäre eine späte Genugtuung für die Opfervertreter. „Die Forderung nach einer unabhängigen Aufarbeitung haben wir schon vor zehn Jahren gestellt“, sagt Missbit-Sprecher Thomas Schnitzler, und es klingt so, als würde da noch eine gehörige Portion Skepsis mitschwingen.