Streit um die Farben Wetterkarten manipuliert? Das sagen Meteorologen zu den Fake-Vorwürfen

Wenn man manchen Stimmen im Internet glaubt, wollen uns die Wetterfrösche womöglich an der Nase herumführen. Woher nehmen die Klimaskeptiker diesen Verdacht?

Die Wettervorhersage aus der Tagesschau am 12. Juli 2023. Manche würde sagen, das Rot soll die Klimapanik anheizen.

Die Wettervorhersage aus der Tagesschau am 12. Juli 2023. Manche würde sagen, das Rot soll die Klimapanik anheizen.

Foto: Tagesschau/Screenshot

Für die Meteorologen hat der Sommer gerade Halbzeit und es gibt eine Zwischenbilanz: Wir steuern in Deutschland auf einen der heißesten Sommer in der Geschichte der Wetteraufzeichnungen zu. Für die Wetter-Experten sprechen die Zahlen eine klare Sprache. Doch manche Beobachter sind offenbar überzeugt, dass die Wetterkarten uns eine falsche Geschichte erzählen. Dabei geht es nicht unbedingt darum, dass die Temperaturen falsch wären. Vielmehr gibt es den Verdacht, die farbliche Gestaltung der Wetterkarten solle der Manipulation der Betrachter dienen und damit letztlich der Falschinformation.

Der bekannte Meteorologe Dominik Jung von Wetterdienst wetter.net hat gerade erst seine Erfahrungen mit dieser Kritik geschildert. Die Vorwürfe begegnet ihm oft in den Kommentaren unter den YouTube-Videos des Wetterdienstes. „Es wird sich über das viele rot auf der Temperaturkarte beschwert. Früher seien Höchstwerte über 30 Grad als grün dargestellt worden und heute aus Panikgründen in rot. Der Schwachsinn nimmt immer weiter überhand.“ Dass so viele Zuschauer ausgerechnet zu diesem Thema kommentieren, findet er „gruselig“.

Außerdem werde behauptet, der aktuelle Sommer ist überhaupt nicht besonders warm. Bei dieser These kann der Wetter-Experte nur energisch widersprechen. Er verweist auf die Messung der mittleren Temperaturen. Mit diesem Wert lässt sich der Sommer 2023 mit allen vorherigen vergleichen. „Nach der ersten Hälfte des meteorologischen Sommers liegt er im Bereich der wärmsten Sommer seit 1881. Das ist ganz eindeutig, da gibt es auch nichts umzudichten“, erklärt Dominik Jung zu solchen klimaskeptischen Äußerungen.

Wetterkarten-Fake bei der Tagesschau?

Der Verdacht, die Wetterkarten sollen mit ihrer Farbgebung eine Klimapanik erzeugen, ist nicht neu. Immer wieder kursieren solche Kommentare auf Plattformen wie dem Kurznachrichtendienst Twitter. In den letzten Jahren wurden auch die Wetterkarten der Tagesschau und der Tagesthemen aus der klimaskeptischen Richtung in Zweifel gezogen.

So sorgte es für Verwirrung, dass in unterschiedlichen Vorhersagen der Tagesschau zwar die gleichen Temperaturen auftauchten, diese aber durch unterschiedliche Farben dargestellt wurden. Für manche Betrachter stand der Verdacht im Raum, die Farben wären im Laufe der Zeit dramatisiert worden, damit völlig normale Temperaturen viel gefährlicher aussehen.

Was wirklich dahinter steckt, haben die Verantwortlichen des Tagesschau-Wetters allerdings schon längst erklärt. Ja, es stimmt, dass eine Temperatur nicht immer die gleiche Farbe hat. Das heißt aber nicht, dass die Farbskala einfach immer weiter ins Rote wandert.

So verändert sich die Wetterkarte

Tatsächlich verwendet die Tagesschau vier unterschiedliche Farbskalen, die an die Jahreszeit und auch an die erwarteten Temperaturen angepasst werden. Würde man im Winter eine große Kälte erwarten und trotzdem die Farben aus dem Sommer verwenden, würden am unteren Ende die Farben ausgehen, um die Unterschiede in der Kälte darzustellen. Das gleiche gilt auch in der anderen Richtung, wenn im Sommer die Temperaturunterschiede nach oben hin erkennbar sein sollen.

Dass die Farben dramatisiert wurden, lässt sich auch durch einfache historische Vergleiche widerlegen. Man betrachte dafür zunächst beispielhaft den oben zu sehenden Ausschnitt aus dem Wetter vom 12. Juli 2023. Blickt man im Folgenden auf das Wetter, das exakt 10 Jahre zuvor gezeigt wurde, stellt man fest, dass Temperaturen jenseits von 25 Grad schon damals im dunkelroten Bereich dargestellt wurden.

 Die Vorhersage der Temperaturen in der Tagesschau am 12.07.2013.

Die Vorhersage der Temperaturen in der Tagesschau am 12.07.2013.

Foto: Tagesschau/Screenshot

Warum braucht die Wetterkarte überhaupt Farbe?

Natürlich müssen aber nicht alle Wetterkarten gleich gestaltet sein. Im Prinzip könnte man auch völlig ohne Farbe auskommen. Bis vor wenigen Jahren waren bei den Tagesthemen die Temperaturen ohne Einfärbung zu sehen. Ein paar Zahlen über einer grünen Deutschlandkarte reichten aus. Das erinnert an die Kommentare von denen Meteorologe Dominik Jung berichtet. Früher war bei 30 Grad alles grün, heute ist alles rot.

Das änderte sich im Jahr 2020. Die Tagesthemen sind auf das Wetter-Design der Tagesschau umgestiegen, inklusive der üblichen Farben. Im Internet sorgte diese Änderung kurzzeitig für Warnungen vor einem Fake-Wetter, das die Erderwärmung dramatisieren soll. Man witterte einen Skandal.

Zur Gestaltung von Wetterkarten erklärt Dominik Jung ganz allgemein: „Die Farbe rot war damals wie heute die Farbe für warme Temperaturen, für Werte um oder über 25 Grad. Daran hat sich rein gar nichts geändert.“ Er weist aber darauf hin, dass höhere Temperaturen durchaus zu Herausforderungen bei der grafischen Darstellung führen können. „Wir Meteorologen mussten uns in den vergangenen Jahren eher Gedanken darüber machen, wie wir die Legende nach oben erweitern.“

Dass die unterschiedlichen Farben für Irritationen bei Zuschauern sorgen können, ist verständlich. Dass sich die Darstellung über das Jahr hinweg immer wieder ändern kann, liegt für den Betrachter nicht automatisch auf der Hand. Letztlich ist aber überhaupt nicht entscheidend, in welcher Farbe die Wetterdaten dargestellt werden. Wichtig ist, welche Zahlen dahinter stecken. Die Messungen zeigen nämlich eine ganz einfache Botschaft: Wir erleben eine extreme Hitze – egal, ob man es in Farbe darstellen möchte oder nicht.