Kriminalität Uni Trier: Amokdrohung über anonymes Netzwerk (Fotos)

Trier · Ein 23-jähriger Student kündigte einen Amoklauf an der Uni Trier an. Die Polizei nahm den Mann in seiner Wohnung fest.

Amokdrohung: Polizei sichert Universität Trier
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Die Nachricht wurde um 22.19 am Donnerstagabend verschickt: „Na ihr süßen Jura-Erstis (Anmerkung der Redaktion: gemeint sind Erstsemster des Faches Jura). Wie viele kommen denn morgen von Euch? Bei meiner Halbautomatik habt ihr ne größere Chance, zu entkommen auch wenn ihr ins Audimax geht. Aber den Prof treff ich so oder so.“

Verschickt wurde die Drohung über das soziale Netwerk Jodel, das vor allem von Studenten per Smartphone genutzt wird. Die Anwendung ermöglicht den Nutzern, Beiträge anonym und ohne Registrierung zu veröffentlichen. Gelesen werden können sie nur von Nutzern, die sich innerhalb eines Radius von zehn Kilometer befinden.

Einige Jodel-Nutzer, die den Beitrag des bis dahin unbekannten Verfassers am Donnerstagabend gelesen haben, antworteten ihm und haben ihn zurechtgewiesen. Doch als die Drohung für einen Amoklauf im Audimax (dem größten Vorlesungssaal) an der Uni Trier konkreter wurden, informierten die Empfänger der Nachricht die Polizei. Und die nahm die Drohung offenbar sehr ernst.  Später sprach ein Polizeisprecher von einer „herausragenden Bedrohungslage“.

Die Ermittler setzten sich sofort mit dem Betreiber der Plattform in Berlin in Vebindung, um Informationen über den Verfasser der Drohung zu erhalten. Das Problem: Bei Jodel kann sich jeder ohne Registrierung, also ohne seinen wirklichen Namen oder seine Adresse zu nennen, anmelden und Nachrichten verfassen. Das heißt, Jodel-selbst hat nur sehr wenig Informationen über seine Nutzer.

„Bei einer potentiellen Bedrohung für Leib und Leben, leiten wir alle notwendigen Schritte ein, um den Verfasser des Beitrages in kürzester Zeit zu ermitteln“, sagte Jodel-Sprecher Fatih Aydin gestern auf Anfrage unserer Zeitung. „Alle Beiträge lassen sich sofort einem individuellen Nutzer zuordnen.“ Was im Einzelfall getan wird, sagte er allerdings nicht. Auch die Polizei hat auch auf Anfrage dazu geschwiegen.

Wie Ermittler auf die Spur von Verfassern von Amokdrohungen via Jodel kommen, erklärte im vergangenen Jahr die Sprecherin der Staatsanwaltschaft im bayrischen Passau. Dort hatte ein Student im Juni 2016 einen Amoklauf an der Uni angekündigt, Opfer sollten Studenten der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften sein. Der Nutzer stellte über das Netzwerk die Frage, wie man so einen Amoklauf am besten durchführen und wie schnell wohl die Polizei am Tatort sein könne. „Die während seiner Nachricht hinterlassenen Längengrade und Breitengrade und seine IP-Adresse wurden uns vom Unternehmen überlassen“, hieß es von der Staatsanwaltschaft.

So ähnlich ist es wohl auch in der Nacht von Donnerstag auf Freitag in dem Trierer Fall gelaufen. Die Betreiber der Platform hätten sich sehr vorbildich verhalten, sagte ein Polizeisprecherin gegenüber unserer Zeitung. „Der Post war aus unserem Netzwerk automatisch nach weniger als einer Minute geblockt“, erklärte der Jodel-Sprecher.

Der entscheidende Tipp kam aber wohl von einem Uni-Mitarbeiter. Laut Michael Jäckel, Präsident der Uni Trier, hat die Polizei in der Nacht die Uni-Kanzleri Ulrike Graßnick informiert. „Dann wurden unsere IT-Experten hinzugezogen. Einer von ihnen hat der Polizei den entscheidenden Tipp gegeben, um den mutmaßlichen Verfasser ausfindig zu machen“, sagte Jäckel unserer Zeitung.

So kamen die Ermittler an den Namen und die Adresse des Verfassers: ein 23-jähriger Student aus der Region, der ganz in der Nähe der Uni wohnt.

Nachdem ein Ermittlungsrichter des Trierer Amtsgerichtes in der Nacht einen Durchsuchungsbeschluss erlassen hatte, stürmten Spezialkräfte der Polizei die Wohnung des Mannes und nahmen in fest. Bei der Durchsuchung habe man umfangreiches Beweismaterial sichergestellt, sagte die Polizeisprecherin. Eine halbautomatische Waffe, wie in der Nachricht erwähnt, sei aber nicht gefunden worden. Am Abend teilte die Polizei mit, dass bei der Mann nach  einer Untersuchung durch in einer psychiatrischen Klinik untergebracht worden sei. Es bestünden Anhaltspunkte für eine psychische Störung.

Zeitgleich zur Stürmung der Wohnung richtete die Stadt Trier einen Krisenstab ein. Zusätzlich zu den im Dienst befindlichen Kräften seien bei Rettungsdienst und Feuerwehr weitere 100 Leute in Bereitschaft versetzt worden, sagte ein Sprecher der Stadtverwaltung.

Trotz der Festnahme des Studenten war die Polizei am Freitagmorgen mit einem Großaufgebot an der Uni vertreten. Sie sperrten das Gebäude, in dem sich der Audi Max und die Mensa befinden, ab. Auch die Zufahrten und einige Zugänge zur Uni wurden gesperrt. In einigen Gebäuden fanden Lehrveranstaltungen statt. Viele Studenten und Lehrpersonal sind jedoch erst gar nicht zur Uni gekommen. Die massive Polizeipräsenz - insgesamt waren über 200 Einsatzkräfte auf dem Uni-Gelände - sei notwendig, hieß es seitens der Polizei, weil zunächst unklar gewesen sei, ob es sich bei dem am Morgen Festgenommenen tatsächlich um den Verfasser der Amokdrohung handele und ob es womöglich noch Komplizen gebe.

Gegen Mittag wurde dann Entwarnung gegeben. Es gebe keine Hinweise „auf eine weiter andauernde Gefahr“ und auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der 23-Jährige seine Drohungen in die Tat umsetzen wollte, teilte die Polizei mit. Uni-Präsident sprach von einer außergewöhnlichen Situation. „So einen Fall mit großen Absperrungen hatten wir vorher noch nicht.“

Die Polizei ermittelt gegen den 23-Jährigen wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten. Ob es zu einer Anklage kommt, muss die Staatsanwaltschaft nach Ende der Emittlungen entscheiden. Im Falle einer Verurteilung drohen in solchen Fällen Haftstrafen von bis zu drei Jahren.

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