Pflege Viel Gutes, aber auch Verbesserungsbedarf

Mainz · Seit einem Jahr gibt es Pflegegrade statt Pflegestufen. Verbraucherschützer  sehen aber nicht nur Vorteile.

 Wieviel Pflege Pflegebedürftige brauchen, wird vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen geprüft. Er bestimmt den Pflegegrad, nachdem sich die Leistungen richten.

Wieviel Pflege Pflegebedürftige brauchen, wird vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen geprüft. Er bestimmt den Pflegegrad, nachdem sich die Leistungen richten.

Foto: dpa/Matthias Benirschke

() Gut ein Jahr nach Einführung der neuen Pflegegrade sieht die Verbraucherzentrale in Rheinland-Pfalz Verbesserungen für pflegebedürftige Menschen. „Das neue Begutachtungsverfahren bringt einiges Gutes mit sich“, sagte Hatun Yüce vom Fachbereich Pflege der Verbraucherzentrale. Die Frage, wie gut jemand im Alltag zurecht komme, werde nun „viel differenzierter geprüft“.

Seit einem Jahr gibt es in Deutschland keine drei Pflegestufen mehr, sondern fünf Pflegegrade. Dank der Reform sollen laut Bundesgesundheitsministerium alle Pflegebedürftigen gleichberechtigt die Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen können.

Dennoch gibt es auch Kritikpunkte. Nicht allen Verbrauchern sei klar, wie ein Gutachter in ihrem Fall zu seinem Ergebnis komme, sagte Yüce. „Die Grenze (zwischen den Pflegegraden) ist teilweise fließend. Für den Laien ist das schwer nachzuvollziehen.“

Eine ähnliche Kritik kommt auch von der Pflegegesellschaft Rheinland-Pfalz, die die Interessen von Pflegeeinrichtungen vertritt: „Wie schon bei den Pflegestufen fehlt auch bei den Pflegegraden eine richtige Trennschärfe“, erklärte der Geschäftsführer des Verbands, Sebastian Rutten. Trotzdem sei bei neuen Begutachtungen eine Tendenz erkennbar. Wer in den Pflegegrad 1 oder 2 komme, sei damit im Vergleich zum alten System höher eingestuft. Im Fall von stärker Pflegebedürftigen sei es umgekehrt: Sie würden im Vergleich zur alten Einteilung eher niedriger eingestuft werden.

Laut Rutten macht das für die Pflegebedürftigen nicht zwingend einen Unterschied im Alltag aus, wohl aber für die Pflegeeinrichtungen. Für diese könne es problematisch sein, wenn Pflegebedürftigkeit und Pflegegrad nicht mehr einander entsprächen. Es seien jetzt schon Veränderungen in den Heimen erkennbar, etwa bei der Zusammensetzung der Gruppe ambulant versorgter Patienten.

Auf Seite der Pflegebedürftigen heben die Verbraucherberater positiv die Leistungen der Pflegeversicherung hervor. Zum einen seien sie durch die Umstellung nun einfacher zugänglich. Zum anderen seien sie auch verbessert worden. „Im ambulanten Bereich ist das deutlich besser geworden“, sagte Yüce von der Verbraucherzentrale. Im stationären Bereich sei die Entwicklung auch gut, wenn auch weniger deutlich. Das betreffe insbesondere die höheren Pflegegrade.

Trotzdem sind Yüce zufolge in manchen Beratungen auch Beschwerden zu hören, etwa wenn es um die Kosten von Pflegeleistungen beim Pflegegrad 1 geht. Wer diesen hat, kann fest definierte Leistungen nutzen und bekommt das Geld hierfür von der Krankenkasse erstattet. Das wird durch den sogenannten Entlastungsbetrag von 125 Euro pro Monat gedeckt. Einigen Menschen reiche das nicht, sagt Yüce. Für die Betroffenen müsse es außerdem entsprechende Pflegeleistungsangebote in Wohnortnähe geben. Wenn das nicht der Fall sei, könne auch der Entlastungsbetrag nicht genutzt werden.

Mehr Flexibilität bei der Finanzierung von Pflegeleistungen gibt es der Expertin zufolge erst ab Pflegegrad 2, bei dem zum Entlastungsbetrag zum Beispiel noch das Pflegegeld hinzukommt. „Dabei ist es Ihnen überlassen, ob sie ihre Pflege etwa durch die Nachbarin sicherstellen.“ Denkbar sei, mit dem höheren Pflegegrad auch Sachleistungen über einen Pflegedienst in Anspruch zu nehmen.

Das Statistische Landesamt erhebt alle zwei Jahre, wie viele Menschen in Rheinland-Pfalz als pflegebedürftig gelten. Im Jahr 2015 waren es demnach rund 132 300 pflegebedürftige Menschen. Die Pflegegesellschaft geht davon aus, dass es deutlich mehr sind: „Durch die Neudefinition der Pflegebedürftigkeit gibt es bis zu 20 Prozent mehr pflegebedürftige Personen.“ Deshalb müssten derzeit auch viele Pflegebedürftige teils monatelang auf einen Begutachtungstermin warten und würden zunehmend auch rein nach Aktenlage eingruppiert, kritisiert Rutten. Die Einstufung sei dann nicht immer im Sinne der Betroffenen, und Widersprüche seien an der Tagesordnung.

(dpa)
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