Pakt für Planungsbeschleunigung Was Bund und Länder beschlossen haben – und was noch strittig blieb

Berlin · Das Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz mit den Ministerpräsidenten startete mit erheblicher Verspätung. Schnelle Einigkeit gab es am Abend bei der Beschleunigung von Planungsverfahren. Doch über die Flüchtlingsfinanzierung gab es bereits im Vorfeld den größten Streit.

 06.11.2023, Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD) äußert sich zusammen mit Boris Rhein (r, CDU), Ministerpräsident von Hessen, und Stephan Weil (l, SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, bei einer Pressekonferenz am Rande des Bund-Länder-Gipfels im Bundeskanzleramt zum Pakt für Planungsbeschleunigung. Die Hauptthemen des Treffens der Bundesregierung mit der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) waren die stärkere Steuerung der Migration, die Finanzierung der Betreuung von Flüchtlingen, der Pakt für Planungsbeschleunigung und die Zukunft des Deutschlandtickets. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

06.11.2023, Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD) äußert sich zusammen mit Boris Rhein (r, CDU), Ministerpräsident von Hessen, und Stephan Weil (l, SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, bei einer Pressekonferenz am Rande des Bund-Länder-Gipfels im Bundeskanzleramt zum Pakt für Planungsbeschleunigung. Die Hauptthemen des Treffens der Bundesregierung mit der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) waren die stärkere Steuerung der Migration, die Finanzierung der Betreuung von Flüchtlingen, der Pakt für Planungsbeschleunigung und die Zukunft des Deutschlandtickets. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Mit fast vier Stunden Verspätung starteten die 16 Regierungschefs der Länder ihr Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montagabend. Der Grund: Alle Bundesländer hatten zwar schon vor Wochen eine gemeinsame Linie in der Migrationspolitik gefunden und diese bei einer eigenen Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) ohne den Kanzler festgezurrt. Diesen Beschluss wollten am Montag jedoch die unionsgeführten Länder und Baden-Württemberg um mehrere Punkte ergänzen – etwa mit Blick auf mögliche Asylverfahren in Drittstaaten.

Die SPD-geführten Länder und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) fühlten sich überrumpelt. Und so kam es, dass stundenlang über neue Vorschläge debattiert wurde, ohne dass am Ende der offizielle Forderungskatalog wesentlich geändert wurde, mit dem die Länder in die Verhandlungen mit dem Kanzler traten.

Die von CDU, CSU und Grünen geführten Bundesländer hatten sich dabei überraschend für Asylverfahren außerhalb Europas stark gemacht und sich damit hinter einen entsprechenden Vorschlag des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) gestellt. Die SPD-Länder räumten diesen Vorstoß später allerdings wieder ab. Die Idee ist, Asylverfahren bereit entlang der Fluchtrouten durchzuführen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zeigte sich verärgert, sprach von „nicht so wirklich erquicklichen“ Beratungen und machte deutlich, dass die SPD-geführten Länder sich solche Verfahren nur für Transitstaaten hätten vorstellen können, also für Länder, die Migranten passieren.

Im Kanzleramt angekommen war allen Beteiligten dann aber klar: Es brauchte an diesem Abend zumindest ein Zeichen der Einigung. Dem Kanzler persönlich war es wichtig, das umfangreiche Paket zur Planungsbeschleunigung zu verabschieden, das noch vor der Migrationspolitik auf der Tagesordnung stand.

Genau zwei Monate nachdem der Kanzler den sogenannten „Deutschlandpakt“ zur schnellen Modernisierung des Landes ausgerufen hatte, einigten sich Bund und Länder also am Montagabend auf gemeinsame Anstrengungen zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Damit seien „wahrscheinlich 100 Einzelregelungen“ verbunden, sagte Scholz bei einem kurzen Statement – etwa zu Autobahnen und Zugtrassen, zum Bau von Wohnungen, dem Ausbau von Dachgeschossen und das Aufstellen von Mobilfunkmasten. Weitere Vereinfachungen etwa im Gesundheitswesen und der Wasserstoffindustrie sollten folgen, kündigte Scholz an. Dies würde aufbauen auf einer ganzen Reihe an Gesetzen der Bundesregierung, etwa zum Ausbau der Erneuerbaren Energien oder dem Bau der Flüssiggas-Terminals.

Scholz will damit das klare Signal setzen: ,Wir machen Tempo.‘ In einem vorläufigen Ergebnisprotokoll der MPK, das unserer Redaktion vorliegt, bitten der Kanzler und die 16 Länderchefs die zuständigen Minister auf Bundes- und Landesebene, „die jeweils in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Vereinbarungen des Pakts für Gesetzesänderungen in Bund und Ländern schnellstmöglich umzusetzen“. Der hessische Regierungschef Boris Rhein (CDU) zeigte sich erfreut darüber, „dass wir einig sind als Bund und Länder, und das ist im Föderalismus eben wichtig.“ Auf andere Themen der Bund-Länder-Runde traf das allerdings nicht zu.

Denn trotz aller Bekundungen der Gemeinsamkeiten blieb der schwierigste Teil am Abend zunächst ungelöst: die Flüchtlingsfinanzierung. Um sie hatte es in den vergangenen Wochen den größten Streit gegeben. Den Ländern war es ein Anliegen, die Verhandlungen mit dem Bund vor der sogenannten Bereinigungssitzung der Haushälter im Bundestag zu führen. Sie legen den Bundeshaushalt des kommenden Jahres fest und die Länder wollten darauf noch Einfluss haben.

Im Bereich der Migrationspolitik blieb die Finanzierung damit das schwierigste Thema, weil die Positionen von Bund und Ländern besonders weit auseinander liegen. Die Länder kritisieren, dass der Bund seinen Anteil von 3,75 Milliarden Euro in diesem auf 1,25 Milliarden Euro im kommenden Jahr reduzieren wolle, was nicht hinnehmbar sei. In einem Beschluss hatten die Länder Mitte Oktober eine Pauschale von 1,25 Milliarden Euro sowie zusätzlich mindestens 10.500 Euro pro Migrant und Jahr verlangt. Der Bund ist dem Vernehmen nach lediglich bereit, 5000 Euro pro Flüchtling zu zahlen.

Einigkeit herrschte hingegen weitgehend bei der Einführung einer bundesweiten Bezahlkarte. Mit ihr sollen Bargeldleistungen abgelöst und so Anreize für Asylbewerber reduziert werden, nach Deutschland zu kommen.

Auch bei einem weiteren Thema hatte es im Vorfeld viel Zoff gegeben: der künftigen Finanzierung des Deutschlandtickets. Bund und Länder bekennen sich in dem vorläufigen Ergebnisprotokoll zum Prinzip der hälftigen Kostenbeteiligung in Höhe von insgesamt drei Milliarden Euro auch für 2024. Sie wollen das Ticket „weiterentwickeln, vereinfachen und digitaler machen“, heißt es in dem Papier. Im kommenden Jahr wollen Bund und Länder „rechtzeitig“ über die weitere Finanzierung des Deutschlandtickets und einen Mechanismus zur Fortschreibung des Ticketpreises verständigen, heißt es weiter. Zu diesem Thema ist also eine erneute Sitzung zu erwarten. Am fortgeschrittenen Montagabend wurde noch eine Sitzung bis tief in die Nacht erwartet, um die vielen offenen Streitpunkte abzuhandeln.