Wein Ärger über „Ganzkörperkondome“

Trier/Mainz · Wer in Weinbergen mit Pflanzenschutzmitteln hantiert und keinen Schutz trägt, dem droht neuerdings ein Bußgeld. Winzer und Landesminister Wissing sind empört.

Foto: Klaus Kimmling/klaus kimmling

Läuft ein Marsmensch durch einen Weinberg ... Was nach dem Anfang eines schlechten Witzes klingt, könnte das Bild sein, das mancher Tourist künftig von den Steillagen in der Region bekommt, fürchten Winzer und der rheinland-pfälzische Weinbauminister Volker Wissing (FDP). Sie beklagen strengere Auflagen aus Berlin, die Winzern auftragen, nach dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln deutlich häufiger lange Schutzkleidung in Weinbergen anziehen zu müssen, um sich vor angeblich gefährlichen Stoffen zu sichern. Wer sich den Regeln verweigert, dem droht neuerdings sogar ein Bußgeld. Daran entzündet sich massive Kritik.

„Das ist einfach inakzeptabel“, sagt Gerd Knebel vom Bauern- und Winzerverband Rheinland. Geht es nach Rolf Haxel, Weinbaupräsident von der Mosel, erschweren die Auflagen auch die tägliche Arbeit. „Im Sommer kann es in den Steillagen schnell bis zu 40 Grad heiß sein. Wie sollen Mitarbeiter es bei den Temperaturen bloß aushalten, wenn sie dauernd Schutzanzüge tragen müssen, die wir Winzer spaßeshalber  ,Ganzkörperkondome’ nennen?“, fragt Haxel.

Winzer wüssten am besten, wie sie Gesundheit von Mitarbeitern schützen, sagt er. „Von 50 Pflanzenschutzmitteln, die es mal gab, sind ohnehin nur noch wenige erlaubt. Und kein Winzer geht doch das Risiko ein, in den Weinberg zu gehen, wenn es der eigenen Gesundheit schadet“, meint Haxel. Winzer seien bei den Auflagen nicht mal gefragt worden, kritisiert er.  „Und wie hoch das Bußgeld sein soll, wissen wir auch noch nicht.“

Der rheinland-pfälzische Weinbauminister Volker Wissing fürchtet auch Folgen für den Tourismus an den Wanderwegen. „Wenn in den Weinbergen dauerhaft mit Schutzanzügen gearbeitet werden muss, erweckt das auf Gäste den Eindruck, dass dort hochgiftige Stoffe im Einsatz sind. Das Bild ist einfach nicht hinnehmbar“, empört sich der FDP-Politiker. In einem Brief, der unserer Zeitung vorliegt, hat sich Wissing daher bei Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner beschwert. Der FDP-Mann fordert die rheinland-pfälzische CDU-Chefin darin auf, Auflagen zu überprüfen, die „aus unserer Sicht nicht ohne weiteres einhaltbar sind“.

Besonders das Bußgeld stört Wissing, der aber auch praktische Probleme benennt: Bei einem Mittel, das Schwarzfäule bekämpfe, seien nach den Auflagen innerhalb von drei Wochen nach der Anwendung von Arbeitern in den Weinbergen ein Schutzanzug und Universal-Handschuhe zu tragen. Wissing kritisiert, das sei in den Sommermonaten „nicht praktikabel“. Bei Auflagen zu Kupfer-Präparaten, mit denen der Öko-Weinbau sich oft gegen Pilzbefall stemme, müssten „fast während der ganzen Saison Pflegearbeiten im Schutzanzug für Pflanzenschutzmittel durchgeführt werden“, moniert Wissing. Ihm fehle die Vorstellungskraft, wie das bei höheren Temperaturen bewerkstelligt werden solle. Und: Betrieben sei häufig nicht bekannt, welche Schutzkleidung sich tatsächlich eigne. Mancher Winzer klage über Lieferprobleme bei den Ausrüstungen, führt der rheinland-pfälzische Minister aus.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium verweist in einer Antwort an Wissing darauf, dass es die Bestimmungen schon seit Jahren gebe, die dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienten. Beim Bußgeld schiebt das Ministerium den Ball zum Bundesinstitut für Risikobewertung. Wenn dieses ein Pflanzenschutzmittel ohne Schutzmaßnahmen als riskant ansehe, müsse das Ministerium entsprechende Vorgaben aufnehmen, verteidigt sich der Bund. Trotzdem bahnt sich eine Lösung des Konflikts an. Ministerin Klöckner habe angeordnet, die Auflagen zu überprüfen – und das schon vor Wissings Brief, heißt es in dem Schreiben. Für den 17. April lädt die CDU-Politikerin zu einem Fachgespräch nach Bonn ein. Mancher Winzer nennt das Treffen einen „Krisengipfel“.

Und Volker Wissing? Er erhöht den Druck. „Frau Klöckner trägt dazu bei, Winzer zu stigmatisieren. Ich bin sehr enttäuscht von ihr“, sagt der FDP-Minister und fordert eine Kehrtwende in Berlin. „Der Bund muss die Auflagen zurücknehmen.“

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