Ausbildung Abiturienten fällt die Berufswahl schwer

Trier · Regionale Studie der Uni Trier: Orientierung für Schulabgänger muss persönlicher und individueller werden.

Berufsorientierung für Abiturienten und Abschlussklassen muss individueller, praxisnäher und persönlicher werden. Dies ist in Schlagworten das Ergebnis der Studie „Jugend und Ausbildung“ des Trierer Soziologie-Professors Waldemar Vogelgesang. Etwa vor einem Jahr startete er eine Befragung an 38 weiterführenden Schulen in der Region Trier, eine der bislang bundesweit größten Umfragen zu Berufsorientierung. Finanziert von der Nikolaus-Koch-Stiftung galt es zu erkennen, „wie die Berufswahl und -entscheidung von jungen Menschen aussieht und sie verbessert werden kann“, sagt der Wissenschaftler. Hinter der Fragestellung stecken für die Wirtschaft massive Probleme für die Qualität ihrer Beschäftigten: Schließlich bricht jeder Dritte sein Studium ab, jeder vierte Azubi löst seinen Ausbildungsvertrag vorzeitig auf. Der Grund: Die Berufswelt ist bunter und unübersichtlicher geworden. Allein in Deutschland gibt es 18 000 Studiengänge und 350 staatlich anerkannte Ausbildungsberufe.

Das Ergebnis aus 655 ausgefüllten Fragebogen: „Es ist noch viel Luft bei der beruflichen Orientierung nach oben“, bilanziert Vogelgesang. Seine Erkennntnisse:

-  Das allgemeine Wissen über Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten schätzen junge Leute aus der Region zu zwei Dritteln als gut ein, das Wissen über die Karrierechancen in der Region aber nur zu 50 Prozent.

- Die wichtigsten Tipps zur Berufs- und Ausbildungswahl erhalten Jugendliche aus der Praxis  wie etwa einem Praktikum. Schule und Lehrer sind dagegen wenig hilfreich.

- „Überraschend“ für die Trierer Forscher war, dass die Neigung zum Studium abnimmt. Bei der Frage nach Ausbildung oder Studium liegen beide mit 27 und 32 Prozent nicht mehr weit auseinander.

- Allerdings hat nur jeder dritte Abiturient klare Vorstellungen von seiner beruflichen Entscheidung. Zwei Dritteln von ihnen fällt die Berufswahl schwer. „Die Verunsicherung der Schüler ist deutlich größer als die Chancen, die sich aus der Vielfalt der Möglichkeiten ziehen lassen“, sagt der Soziologe.

- 42 Prozent der Abiturienten fühlen sich nicht ausreichend auf die Zeit nach der Schule vorbereitet, individuelle Beratung gibt es kaum.

- Vier von fünf Abiturienten können sich vorstellen, in der Region zu arbeiten, „die Heimat ist potenziell ein interessanter Arbeitsort“, sagt  Vogelgesang. Kombiniert mit dem unzureichenden Wissensstand über die Karrierechancen bedeutet dies allerdings: „Wer nichts über seine Chancen in der Region weiß, sucht auch nicht nach ihr, sondern geht tendenziell eher weg. Damit gehen dem heimischen Arbeitsmarkt viele potenzielle Fachkräfte verloren.“

Die Ergebnisse der Studie „Jugend und Ausbildung“ lassen sowohl beim rheinland-pfälzischen Bildungsministerium als auch bei der Wirtschaft die Alarmglocken schrillen. „Berufliche Orientierung ist ein Auftrag an die ganze Schule und ihre Lehrer“, sagt Herbert Petri vom Mainzer Bildungsministerium. Dies setze ein schulisches Konzept voraus, in dem Paten und Mentoren  als Vorbilder agierten. Ausbildungsexpertin Alexandra Lossjew von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier sagt stellvertretend für die heimischen Betriebe: „Das entscheidende Ergebnis dieser Studie zeigt, dass den Jugendlichen eine Grundorientierung in der Arbeitswelt fehlt und sie Menschen brauchen, die sich Zeit für die Entwicklung eines Berufsbildes nehmen.“ Mehrere Berufswahlkoordinatoren an Schulen forderten bei der Vorstellung der Studie mehr Inhalte für die Berufsorientierung. Wie die Ergebnisse nun in der Praxis an den Schulen und bei den Kammern Nachklang finden, ist noch unklar. Die Trierer Soziologen um Vogelgesang raten dazu, regionale Betriebe  stärker mit in die Berufsorientierung einzubeziehen, Beratung, Betreuung und Praxisbezug weiter auszubauen. Außerdem sollte Berufsorientierung Baustein des Unterrichts werden, um damit zu werben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort