Ausbildung Eine Lösung aus der Not wird zum Modell

Trier · Die Trierer BBS Gestaltung und Technik hat ein einmaliges Konzept der Berufsvorbereitung für Flüchtlinge entwickelt. Nach zwei Jahren machen nun die ersten Schüler ihren Abschluss und sind bereit für eine Ausbildung in der Region.

 Nach zwei Jahren sprachlicher und inhaltlicher Vorbereitung etwa durch Lehrer Karl-Hans Porten (Dritter von links) auf ihre weitere Schul- und Berufskarriere erhalten die Schüler der Flüchtlingsklasse ihre Zeugnisse.

Nach zwei Jahren sprachlicher und inhaltlicher Vorbereitung etwa durch Lehrer Karl-Hans Porten (Dritter von links) auf ihre weitere Schul- und Berufskarriere erhalten die Schüler der Flüchtlingsklasse ihre Zeugnisse.

Foto: Sabine Schwadorf

Integration ist ein hartes und langwieriges Geschäft – für beide Seiten. Für die Migranten auf der einen Seite, die  – zumal als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – Familie, Freunde und Schule hinter sich gelassen haben, um in ihrer neuen Heimat in ein unbekanntes System aus Schule und Ausbildung einzusteigen. Und für die deutschen Schulen, die gerade für junge eingewanderte Erwachsene den Spagat zwischen Sprache, Schullaufbahn, Berufsorientierung und Ausbildungseinstieg in die heimischen Betriebe schaffen müssen.

Das Beispiel der Trierer Berufsbildenden Schule (BBS) Gestaltung und Technik (GUT) könnte nun Schule machen. Denn hier haben Schulleitung und Kollegium ein in Rheinland-Pfalz wohl einmaliges Konzept erarbeitet, das minderjährigen Flüchtlingen ab 16 Jahren zwei Jahre eine Berufsvorbereitung vermittelt, die sie zunächst fit für die deutsche Sprache, unsere Berufe sowie Arbeitswelt und dann für Schule und Berufsfindung machen soll. Die Ersten von ihnen haben jetzt ihren Abschluss gemacht und sind reif für den Ausbildungsmarkt.

„Als sich vor drei Jahren die Zahl der schulpflichtigen Flüchtlinge an unserer Schule innerhalb weniger Wochen verdoppelte, konnten wir sie in den Regelklassen nicht mehr unterbringen“, erklärt Schulleiter Michael Müller den Ansatz. Denn eine Musterlösung auf Landes- oder gar Bundesebene gibt es nicht (siehe Info). Und weil die Lebensläufe der Jugendlichen vom Analphabeten bis zum Abiturienten reichen, musste auch die BBS ein mehrteiliges Modell für sich (er-)finden. So befinden sich derzeit in der speziellen Berufsvorbereitung (BVJ) 40 Muttersprachler sowie 100 Flüchtlinge in sieben gesonderten Klassen. Weitere 70 Schüler mit Migrationshintergrund lernen in den klassischen Berufsschulklassen wie Metallbauer, Friseur und Zahntechniker. „Das läuft sehr gut, weil in jeder Migrationsklasse ein einheitliches sprachliches Niveau herrscht und alle im selben Tempo lernen“, sagt Deutsch-Lehrer Oliver Anschütz.

Ein Beispiel: Buba Baldeh kam vor anderthalb Jahren aus Gambia nach Trier. Damals war er zu alt, um ins Regelschulsystem integriert werden zu können. Heute ist er 19 Jahre, und nach zwei Jahren Berufsvorbereitung erhält er ein Abgangszeugnis, indem er in Theorie und Praxis in den Bereichen Malerei, Holz, Metall und Elektro beurteilt wird.

Darüber hinaus erhält er eine Beurteilung in deutscher Sprache – ganz nach den sprachlichen Niveaus des einheitlichen Referenzrahmens für Fremdsprachen in Europa. „Hier werden den Schülern hohe Hürden auferlegt, und die Kritierien sind dieselben wie für deutsche Schüler“, stellt Simon Jegen, Koordinator der Berufsvorbereitung an der BBS GUT, klar. Schon allein sprachlich liege es im Interesse von Schulen und Betrieben, eine „Note mit Niveau zu vergeben“. Und so bekomme Buba Baldeh wie alle anderen eine Deutsch-Note in seinem Niveau und folglich einen „garantiert fairen Abschluss“, sagt Jegen.

Denn ins Berufsvorbereitungsjahr können alle Schüler, ob Muttersprachler oder Migranten.  Allerdings kann man anhand der Zeugnisse der Migranten auch ablesen, welche Lücken es gibt und ob diese in deutscher Sprache, Fachtheorie oder -praxis liegen.

„Buba hatte zu Beginn kaum mathematische Vorkenntnisse, er hat sie sich jedoch zu Hause in der deutschen Begrifflichkeit erarbeitet. Er kam oft zum richtigen Ergebnis, aber meist auf einem anderen Rechenweg“, sagt sein Mathematiklehrer Karl-Hans Porten. Er selbst habe in der Arbeit mit den Migrantenklassen der Berufsvorbereitung gelernt, dass „unser deutsches System sich oft grundsätzlich in der Bezeichnung von anderen Sprachen unterscheidet, die Mathematik aber dieselbe bleibt“. Das alles sei für die Lehrkräfte durchaus eine Herausforderung, „aber sie fühlt sich gut an“.

Sein Schützling Baldeh hadert vor allem mit der Schnelligkeit der deutschen Sprache, weshalb er noch nicht auf direktem Weg in eine Ausbildung gehen kann. Dennoch hat er ein klares Ziel: „Ich will Bäcker oder Koch werden“, sagt der 19-Jährige. Branchen in der Region Trier, die händeringend Nachwuchs suchen.

Immerhin 17 Schüler haben ein klassisches Abschlusszeugnis einer Oberstufe der Berufsschule mit Berufsreife erhalten (Sprachniveau B1 und mindestens eine Note 4) und können entweder gleich in ein Ausbildungsverhältnis oder die Berufsfachschule wechseln. „Nun haben wir eine praktikable Lösung, mit der wir allen den Zugang zur Berufsreife ermöglichen können“, sagt Schulleiter Müller.

Eine Lösung, die auch auf Landesebene prämiert werden und in der Lehrerfortbildung vorgestellt werden soll. Müller indes denkt bereits einen Schritt weiter. „Wir überlegen nun, fachbezogene Deutschkurse für bestimmte Branchen einzurichten für all diejenigen, die noch sprachliche Probleme haben und bei uns weitermachen wollen.“

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