Bauen Warum ein Preiskampf teuer werden kann

Mainz · EuGH kippt Mindestsätze für Architekten und Ingenieure – Kammerpräsident fürchtet letztlich höhere Kosten für Kunden.

 Kammerpräsident Horst Lenz.

Kammerpräsident Horst Lenz.

Foto: TV/Heribert Waschbüsch

Es klingt wie eine tolle Nachricht für Bauherren: Der Euro­päische Gerichtshof hat die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure für rechtswidrig erklärt. Damit kann der Preiskampf beginnen: Wer ein Haus planen lässt, kann nun verschiedene Büros gegeneinander ausspielen – und den günstigsten Anbieter wählen. Der Häuslebauer als Gewinner? Horst Lenz ist Präsident der rheinland-pfälzischen Ingenieurkammer und befürchtet das Gegenteil. „Wir bekommen einen Preiswettbewerb auf Kosten der Qualität.“ Und obendrein könnten die Planungskosten langfristig sogar explodieren.

Was zunächst einmal widersprüchlich klingt, ergibt beim Blick auf Nachbarländer und andere Branchen durchaus Sinn. Zunächst einmal sieht man die Qualität der Arbeit von Architekten und Ingenieuren oft nicht auf den ersten Blick an: „Es ist schwierig unsere Arbeit einzuschätzen. Ob eine Decke statisch gut berechnet wurde oder nicht, können sie als Laie gar nicht beurteilen“, sagt Lenz. „Sie merken es im Zweifel erst, wenn die Decke runterkommt.“

Das eröffne grundsätzlich Spielraum für Entscheidungen auf Basis des Preises – und das hat Konsequenzen: „Seitdem die Mindest- und Höchstsätze nicht mehr greifen, darf man Angebote unterbieten – sofern man nicht unangemessen niedrig bietet“, erklärt Lenz. Das hätte seiner Sicht mittelfristig eine dramatische Konsequenz: „Grade kleine und mittlere Unternehmen müssten in einem solchen Preiskampf irgendwann das Handtuch werfen. Ihr Geschäftsmodell würde nicht mehr funktionieren. Es ist ein Markt für Generalplaner.“

Gewinner dieser Entwicklung wären also schnell nicht mehr die kleinen Häuslebauer, sondern die großen Architektur- und Ingenieursbüros. „Schauen sie nach Holland und Dänemark“, sagt Lenz. „Dort ist genau das der Fall.“ Auf dem Markt hat sich eine Art Oligopol entwickelt, das zu teils doppelt so hohen Durchschnitthonoraren wie in Deutschland führt. Lenz verweist auf die Branche der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Vor allem bei Letzteren dominieren vier internationale Multis, Deloitte, Ernst & Young, KPMG und PricewaterhouseCoopers den Markt völlig.

Der Kammerpräsident aus der Eifel setzt seine Hoffnung auf den Staat. Er erwartet allerdings keine neuen Regeln, sondern besonnenes Handeln: „Ich appelliere an die öffentliche Hand, diese Bieterwettbewerbe nicht bis zum Exzess auszunutzen, weiter auf Qualität und nicht zu sehr auf den Preis zu schauen.“ Denn obwohl 60 bis 70 Prozent der Aufträge von Privatleuten oder Industrieunternehmen kommen, verbaut auch der Staat jährlich ein riesiges Volumen. Das jährliche Gesamtbauvolumen beträgt circa 350 Millionen Euro. Der Anteil der Planungskosten beläuft sich auf rund 10 bis 15 Prozent. Gerade im Infrastrukturbereich gibt es ein Monopol. „Nur der Staat baut Straßen“, sagt Lenz. Deshalb erhofft er sich, eine Signalwirkung durch solide Vergabeverfahren öffentlicher Stellen. „Allerdings wissen wir, dass für Sachbearbeiter, die oft nicht vom Fach sind, die Zahlen eine sehr wichtige Rolle spielen.“

Neben dieser neuen Situation auf dem Markt bereitet Lenz auch die Situation des Ingenieursnachwuchses in privaten Betrieben und dem öffentlichen Sektor Sorgen – aus verschiedenen Gründen. „Ein Grund ist, dass Ingenieure im Vergleich mit anderen Berufen nicht gut bezahlt werden“, sagt er, und verweist auf den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD), der Diplomingenieure (FH) beispielsweise bei E9 eingruppiert. Aber auch die Ausbildung an den Hochschulen hält Lenz für problematisch. Auf die Frage, ob Ingenieure inzwischen schlechter ausgebildet werden als früher, antwortet er unumwunden und deutlich: „Ja!“

 Wer ein Haus bauen will, braucht für die Planung Hilfe. Architekten nehmen Bauherren Arbeit ab.

Wer ein Haus bauen will, braucht für die Planung Hilfe. Architekten nehmen Bauherren Arbeit ab.

Foto: dpa-tmn/Rainer Berg

Ihn stören vor allem viele extrem spezialisierte Studiengänge. „Es gibt zum Beispiel den Bachelor für Körperpflege: Diese Absolventen werden gerade für Nivea eingestellt“, sagt Lenz. „Das ist auch schön.“ Hat aber für ihn einen Haken: „Was passiert, wenn sich die Anforderungen ändern?“ Grundsätzlich seien auch die Unternehmen gefragt, ihre Berufseinsteiger besser auszubilden: „Wenn ich einen Generalisten habe, kann er sich spezialisieren. Er ist wertvoller. Aber: Er ist auch der teuerste Lehrjunge der Firma. Das muss man aber zu investieren bereit sein.“

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