Bauwirtschaft In der Decke steckt viel mehr als Beton

Bernkastel-Kues · Rund 100 000 Quadratmeter Deckenfläche plant und verbaut die Bernkastel-Kueser Firma Innogration jährlich. Dabei hilft ihr ein eigenes Patent der multifunktionalen Decke, wofür das Unternehmen nun vom Land und der ISB mit dem Success-Preis ausgezeichnet wurde.

 Auf der Baustelle wird die vorgefertigte Ceiltec-Decke dann montiert, in die bereits alle benötigten Leitungen von der Lüftung über die Heizung bis zu Lautstärke-Absorbern eingearbeitet wurden.

Auf der Baustelle wird die vorgefertigte Ceiltec-Decke dann montiert, in die bereits alle benötigten Leitungen von der Lüftung über die Heizung bis zu Lautstärke-Absorbern eingearbeitet wurden.

Foto: innogration/Innogration

Wenn das Bernkastel-Kueser Unternehmen Innogration am Bau ins Spiel kommt, dann sind Bauherr und Architekt längst überzeugt. Denn ihre Idee einer modularen und multifunktionalen Decke namens Ceiltec muss bereits in der Planung eines Gebäudes berücksichtigt werden. Der Vorteil und Clou der bis zu 20 Meter und mehr umfassenden Spanndecke: Die Haustechnik ist bereits integriert. Ob Lüftung, Heizung, Kühlung, Lautstärke-Absorber oder Leerrohre für die Elektrik – es gibt eine Decke mit mehreren Eigenschaften als tragendes Bauteil für den Fertigbau.

Was Thomas Friedrich vor gut 15 Jahren entwickelt hat, ist inzwischen nicht nur in zahlreichen Vorzeigeprojekten wie dem 8000 Quadratmeter-Deckenprojekt des Pharma-Konzerns Roche, dem Bankgebäude der Hypovereinsbank in Düsseldorf oder dem Ostbahnhof in Berlin deutschlandweit verbaut, das Prinzip kommt auch den aktuellen Bautrends entgegen. „Es geht um energieeffizientes Bauen, ums Kühlen der Innenräume und um modulares, schnelles Bauen“, sagt der 68-jährige Bauingenieur. Denn die Ideen von heute seien nicht immer neu. „Aber mit dem heutigen Material und der modernen Technik kann man viele Ideen heutzutage auch umsetzen“, sagt der gebürtige Moselaner aus Lieser, der in Bernkastel-Kues aufgewachsen ist.

Dabei hat Friedrich schon immer clevere Ideen gehabt, schließlich nennt er ein gutes Dutzend Patente sein eigen.

Sein Faible für Hochbau-Decken mit großer Spannweite entdeckt Friedrich nach dem Studium bei der Schweizer Weltfirma Stahlton, die ihm selbst den Anstoß zur Gründung seines eigenen Planungsbüros Domostatik gegeben hat. Eines seiner ersten Vorzeigeprojekte ist 1988 das Parkhaus im Oberhausener Einkaufszentrum Centro. „Ich war aber immer der Meinung: Mit so einer Decke kann man mehr machen“, sagt Friedrich. Und so tüftelt er so lange an den Plänen herum, bis kurz nach der Jahrhundertwende die Pläne für Ceiltec heranreifen: die Idee der multifunktionalen Decke. Und 2010 entsteht das Unternehmen Innogration, das die Decken dann vermarktet.

„In der Bauindustrie dauert es oft lange, bis Bauherren und Investoren überzeugt sind. Und hier ist es für uns wichtig, schon früh in die Projektphase einbezogen zu sein“, sagt er. „Deshalb haben wir auch keine Konkurrenz.“ Viele Argumente sprechen für seine Moduldecke: Die Decken werden seriell und zügig in sechs Fertigbauteilwerken in Deutschland gefertigt; durch den geringeren Einsatz an Zement und Beton sind die Ceiltec-Decken leichter und sparen 40 Prozent an CO2; weil in den Decken die Haustechnik bereits verbaut ist, werden zusätzliche Gewerkekosten gespart.

Dies hat nun auch die Landesregierung und die Investitions- und Strukturbank (ISB) in Rheinland-Pfalz auf das Unternehmen von der Mosel aufmerksam gemacht. Mit dem Success-Preis haben sie das Bernkastel-Kueser Unternehmen nun neben sechs weiteren für die Entwicklung und erfolgreiche Verwertung neuer Produkte, Verfahren, technologieorientierter Dienstleistungen und anspruchsvoller IT-Vorhaben geehrt und mit 10 000 Euro gefördert. „Natürlich ist der Preis eine Anerkennung unserer Arbeit. Immerhin haben wir in 15 Jahren ein perfektes System für den Bau entwickelt“, sagt Friedrich und stellt gleich klar, dass seine Ideen, Forschungen und Projekte längst weiter fortgeschritten sind.

Denn Innogration ist derzeit Teil mehrerer neuer Forschungsprojekte zwischen Hochschulen und dem Bundeswirtschaftsministerium. Das verschafft dem Unternehmen Freiräume zur Ideenentwicklung, aber auch neue Fachkräfte. So gibt es mit der TU Kaiserslautern ein Projekt zur Holzverbundkonstruktion, ebenso arbeitet das recht junge 27-köpfige Team mit einem Durchschnittsalter von gut 30 Jahren von Innogration als Konsortialführer an einem energieautarken Gebäude. Hier geht es um die Wärmespeicherung in Fensterzwischenräumen. Sie soll im Winter nachts die gespeicherte Wärme vom Tag in den Innenraum ablassen und im Sommer die nachts gespeicherte Kälte tagsüber ablassen. Im Frühjahr soll dazu ein Modellbau in Bernkastel-Kues eingeweiht werden.

 Mit innovativen Bauideen und der Geschossdecke Ceiltec hat das Innogration-Team den Success-Preis des Landes und der ISB-Bank gewonnen: Theresa Schmitt, Sebastian Groh, Katharina Schmitt, Patrick Müller und Thomas Friedrich (von links).

Mit innovativen Bauideen und der Geschossdecke Ceiltec hat das Innogration-Team den Success-Preis des Landes und der ISB-Bank gewonnen: Theresa Schmitt, Sebastian Groh, Katharina Schmitt, Patrick Müller und Thomas Friedrich (von links).

Foto: Sabine Schwadorf
 Macher Menschen Märkte

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Foto: TV/Schramm, Johannes

Dies ruft auch weltweit Kunden auf den Plan. Ob aus Indien oder China, mit den Innogration-Ideen lassen sich auch heiklere Bauprojekte wie die Aufstockung von Wolkenkratzern umsetzen. Friedrich: „Das Thema Wohnungsbau, aber auch Nachhaltigkeit und Energieeinsparung wird immer wichtiger. Da gehen uns die Ideen auch künftig nicht aus.“

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