Arbeitsmarkt Damit Deutsch keine Hürde mehr ist

Trier · Universität Trier und Handwerkskammer suchen gemeinsam nach Wegen, Migranten fit für den Beruf zu machen.

Als vor gut zwei Jahren zahlreiche Flüchtlinge nach Deutschland kamen, haben viele Betriebe in der Zuwanderung eine große Chance gesehen, den Fachkräftebedarf zu decken und freie Stellen nun besetzen zu können. Auch in der Region Trier gab es seitdem viele Initiativen, die vereinzelt vor allem junge Leute in Ausbildung und Beruf gebracht haben. Doch gibt es bislang weder eine groß angelegte Kooperation oder Jobinitiative von Politik und Wirtschaft, noch sind so viele Migranten in der Lage, vom Sprachkurs oder der Schule gleich in eine Berufsausbildung zu wechseln. Von großangelegter Integration also keine Spur; Vorzeige-Azubis sind eher Ausnahmefälle.

Hier setzt ein neues Projekt in der Region Trier an, das erstmals gezielt Lehrer, junge Flüchtlinge, angehende Deutsch-Lehrer der Universität Trier und die Betriebe zusammenführt und den Bedarf an allgemeinen und berufsspezifischen Deutschkenntnissen in der Praxis ermittelt. Das Ziel ist gleichzeitig das Motto des Projekts mit dem Titel „Fit für den Beruf“. „Wir brauchen eine stärkere Vernetzung von Schule, Ausbildung und Betrieben“, sagt Anke Wegner, Universitätsprofessorin für Deutsch als Zweitsprache und Initiatorin des Projekts. Dazu sei es wichtig, dass alle Gruppen formulieren, welches Lernangebot sie bräuchten und was bei der Sprachvermittlung für die Berufsorientierung besonders wichtig sei.

Bislang hat sie in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer (HWK) Trier einen kostenlosen Abendkurs eingerichtet, in dem speziell ausgebildete Deutschlehrer die jungen Leute auf ihre berufliche Ausbildung oder Eingliederung vorbereiten. Zusätzlich gibt es ein Lerncoaching sowie Unterstützung bei Fragen rund um Beruf und Ausbildung. „Während kleinere Betriebe sich oft um ihren neuen Praktikanten oder Azubi kümmern können und wollen, sagen andere aufgrund von Sicherheitsvorkehrungen oder ihrer Größe, dass Migranten ein bestimmtes Sprachniveau brauchen, um einsteigen zu können“, sagt Aurita Jankauskaite-Lepage, Flüchtlingskümmerin bei der Handwerkskammer Trier. Das sei je nach Betrieb unterschiedlich, so dass auch die jungen Leute unterschiedliche Erfahrungen machten. Auch merke man durchaus, in welchen Betrieben mit ihnen viel gesprochen werde. „Die Berufsschulen melden zurück, dass diejenigen besonders viel und schnell verstehen, denen auch im Betrieb viel gezeigt wird.“ Deshalb haben HWK, Universität Trier und die Trierer Akademie für Sprachvermittlung und Integration (Tasi) in einem ersten Workshop alle Parteien zusammengeführt.

Beispiel Mohammad Hosseini: Der 19 jährige kam vor drei Jahren aus Afghanistan nach Deutschland. Derzeit ist er im zweiten Lehrjahr zum Metallbauer beim Jugendhilfezentrum Don Bosco Helenenberg (Kreis Trier-Saarburg). „Ich bin so froh, dass ich hier in Deutschland leben und lernen darf“, sagt er. Eine Schule hat er nur knapp drei Jahre besucht. Weil seine Eltern früh gestorben sind, hat er bereits als Neunjähriger geholfen, mit Gelegenheitsarbeiten die Familie über Wasser zu halten. „Da habe ich schon mit Metall gearbeitet. Und das hat mir Spaß gemacht. Aber das Wissen rund um Metalle und wie sie sich bearbeiten lassen, das habe ich erst hier in Deutschland gelernt“, sagt er. Dass er aber auch als Azubi noch die Schulbank drücken muss, hat Mohammad Hosseini erstaunt, und er hat Unterstützung im Deutschunterricht von Anke Wegner gesucht. Warum muss er als Metallbauer eine Religions- oder Sozialkundearbeit zum deutschen Regierungssystem schreiben, hat sich der junge Mann gefragt. Etwas, das viele Migranten wundert, unterscheidet sich das deutsche duale Ausbildungssystem doch grundlegend von den meisten Ausbildungen in der Welt. Hier mehr aufzuklären, das fordern auch Lehrervertreter.

Beispiel: Glaskunstwerkstätten Kaschenbach in Trier: Dass das Unternehmen seinen Praktikanten nicht nach einem Jahr Einstiegsqualifizierung gehen lassen wollte, war für die beiden Chefs und die 35 Mitarbeiter klar. „Wir haben uns gefragt: Was wird jetzt aus ihm?“, sagt Geschäftsführer Oliver Berg. Zwar habe der junge Mann aus Eritrea anfangs typische interkulturelle Probleme gehabt und Kolleginnen nicht als Gesprächspartnerinnen anerkannt. „Doch einige klärende Gespräche haben das geregelt. Beruflich läuft es prima, er arbeitet präzise und kam nicht ein Mal zu spät“, lobt Berg. Dafür sehen er und sein Geschäftspartner auch darüber hinweg, dass ihr Azubi nicht die von der Wirtschaft oft geforderte Mindestqualifikation B1/B2 in deutscher Sprache hat. „Wir sehen trotzdem den Erfolg, und in der Praxis zeigt er uns, was er kann.“

Dass Leseverständnis und schriftlicher Ausdruck selbst bei vielen jungen Muttersprachlern zu wünschen übrig lässt, haben die Berufsschulen und Betriebe schon häufiger formuliert. Deshalb hält Professorin Wegner auch wenig davon, die Migranten allein aufgrund ihrer Deutschkenntnisse zu kategoriesieren und womöglich talentierten Junghandwerkern den Weg dadurch zu verbauen. „Der Bedarf an Deutschkenntnissen ist individuell und themenabhängig“, sagt sie. Folglich komme es darauf an, Brücken zu bauen und Lücken nach Bedarf zu schließen. Erste Schritte dazu sollen eine Verknüpfung des Sprachprogramms mit Einzelcoachings durch Studierende sowie ein engerer Austausch zwischen Betrieben, Kammern und Schulen sein. „Wenn wir die berufliche Orientierung mit der Sprache vernetzen, ist dies der Schlüssel zu den Flüchtlingen, die hier gern arbeiten möchten und die die Betriebe brauchen“, sagt Marcus Kleefisch, Geschäftsführer der Initiative Region Trier und Koordinator des Projekts zur Koordination kommunaler Flüchtlingsaktivitäten in der Region Trier.

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