Berlin  So sieht der „Wumms“ aus

Berlin  · Das Konjunkturpaket der Koalition ist gigantisch – wem welche Maßnahme nutzen soll.

 Die finanziell schwer getroffenen Kommunen bekommen ebenfalls Milliarden-Hilfen vom Bund.

Die finanziell schwer getroffenen Kommunen bekommen ebenfalls Milliarden-Hilfen vom Bund.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Wumms! „Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen“, meinte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) nach den Beratungen der schwarz-roten Koalition über ein Konjunkturpaket. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ergänzte, man habe ein Programm auf die Beine gestellt, das „nicht aus dem Ruder“ laufe. 130 Milliarden Euro schwer sind die Pläne gegen die Folgen der Corona-Krise. Sie umfassen 57 Einzelpunkte, mit denen die Koalition das Land wirtschaftlich wieder auf Kurs bringen will. Wem nützt was?


Senkung der Mehrwertsteuer:
Das ist der Coup des Pakets. Vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020 soll die Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent gesenkt werden, der reduzierte Satz von sieben auf fünf Prozent. Mit einem Volumen von 20 Milliarden Euro ist das die teuerste Einzelmaßnahme. Durch die Senkung profitiert jeder, ob Gutverdiener oder Sozialhilfeempfänger. Ob die Bürger dann auch mehr konsumieren, steht auf einem anderen Blatt. Auch müssen die Unternehmen die Steuersenkung über geringere Preise weitergeben.

Fazit: Speziell die zeitliche Begrenzung könnte helfen, dass die Maßnahme nicht verpufft und tatsächlich wirkt.


Unterstützung von Familien und Alleinerziehenden: Ein einmaliger Kinderbonus von 300 Euro pro Kind soll die von den Corona-Beschränkungen betroffenen Familien unterstützen. Der Finanzbedarf beläuft sich auf 4,3 Milliarden Euro. Bei Besserverdienern wiederum soll der Bonus mit dem Kinderfreibetrag verrechnet werden. Für Alleinerziehende wird zudem der abzugsfähige Entlastungsbetrag bis Ende 2021 von 1908 auf 4000 Euro erhöht. Nicht unwichtig ist auch, dass die Koalition mit insgesamt drei Milliarden Euro den Ausbau von Kindertagesstätten und Ganztagsschulen fördern will.

Fazit: Zielgenau ist der Bonus nicht. Die Zahlung ist mehr als Anerkennung gedacht. Prinzip Hoffnung, dass die Familien das Geld möglichst direkt wieder ausgeben.

Deckelung der Sozialbeiträge: Die hohe Zahl an Kurzarbeitern und mehr Arbeitslose setzen die gesetzlichen Sozialversicherungen unter Druck. Die Regierung will die Beiträge insgesamt nicht über 40 Prozent steigen lassen. Einen womöglich höheren Finanzbedarf der Sozialversicherungen will der Bund übernehmen. Kosten allein im Jahr 2020: 5,3 Milliarden Euro. „Sozialgarantie“ nennt die Koalition ihr Projekt.

Fazit: Die Maßnahme hilft Unternehmen, um die Lohnnebenkosten im Zaum zu halten. Vor allem die Beiträge für die gesetzlichen Krankenkassen und die Arbeitslosenversicherung müssten ansonsten steigen.


Entlastung für Verbraucher: Sie sollen – wie die Unternehmen auch – bei den Stromkosten entlastet werden. Dafür soll die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom-Anlagen ab 2021 bei 6,5 Cent pro Kilowattstunde und 2022 bei 6 Cent gedeckelt werden. Derzeit liegt die Umlage, die über die Stromrechnung bezahlt wird, bei 6,76 Cent. Dafür muss der Bund rund elf Milliarden Euro an Zuschüssen aufbringen.

Fazit: Sinnvoll. Die Umlage droht wegen der Corona-Krise stark anzusteigen. Das würde kleine und mittlere Einkommen besonders belasten, wenn nicht gegengesteuert wird.


Unterstützung von Kommunen: Eigentlich wollte Scholz, dass Bund und Länder die Altschulden von Städten und Gemeinden übernehmen, die deshalb keine Investitionen mehr vornehmen können. Durch die Corona-Krise könnte sich die Zahl dieser Kommunen erhöhen. Damit ist Scholz allerdings am Widerstand der Union gescheitert. Nun wird der Bund aber ab sofort drei Viertel der Kosten für die Unterbringung von Sozialhilfeempfängern übernehmen. Pro Jahr entlastet das Städte und Gemeinden um mehr als vier Milliarden Euro. Außerdem sollen die Ausfälle bei den Gewerbesteuereinnahmen von Bund und Ländern gemeinsam ausgeglichen werden.

Fazit: Die Kommunen können zufrieden sein, ihre Investitionsspielräume erweitern sich eindeutig.


Hilfen für die Wirtschaft: Die Koalition hat Überbrückungshilfen für coronabedingten Umsatzausfall beschlossen – 25 Milliarden Euro sind dafür veranschlagt. Besonders helfen will man Hotels, Gaststätten, Caterer, Kneipen, Clubs und Bars sowie Reisebüros, Schaustellern und anderen. Eine Milliarde Euro gibt das Bündnis an Hilfen für Kunst und Kultur. Zudem sollen kleine und mittlere Unternehmen, die ihr Ausbildungsangebot trotz Corona nicht verringern, für jeden neuen Ausbildungsvertrag eine einmalige Prämie von 2000 Euro erhalten. Im Steuerrecht gibt es ebenfalls wichtige Änderungen, um Unternehmen zusätzliche Liquidität verschaffen.

Fazit: Endlich! Finanzielle Hilfen gibt es jetzt auch für die, die wegen Corona am längsten schließen mussten. Das war überfällig.


Anreize für die Autoindustrie:  Die viel diskutierte und von der Branche geforderte Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotoren findet sich in dem Papier nicht. Die Mehrwertsteuersenkung soll Autos auch billiger machen. Erhöht wird allerdings der Zuschuss für den Kauf eines E-Autos, statt bislang bis zu 3000 Euro soll es bald bis zu 6000 Euro geben.

Fazit: Richtig so. Die „Abwrackprämie“ wäre ein falsches und unnützes Instrument gewesen. Der Absatz von E-Autos könnte durch die Verdopplung des Zuschusses einen kräftigen Impuls erhalten.


Investitionen in die Zukunft:  Schwarz-Rot nennt das sein „Zukunftspaket“. Kern ist eine „Nationale Wasserstoff-Strategie“, damit Wasserstoff irgendwann auf breiter Front als Treibstoff eingesetzt werden kann. Forschung und Entwicklung sollen mit insgesamt neun Milliarden Euro gefördert werden. Dazu kommen mehrere Programme zum Ausbau von E-Auto-Ladesäulen (2,5 Milliarden Euro) und der Flottenmodernisierung von Airlines (eine Milliarde Euro). Insgesamt soll sich das Investitionsvolumen für Klimaschutz und Zukunftstechnologien auf satte 50 Milliarden Euro belaufen.

 Kunden der Deutschen Bahn sollen von der geplanten vorübergehenden Senkung der Mehrwertsteuer profitieren. 

Kunden der Deutschen Bahn sollen von der geplanten vorübergehenden Senkung der Mehrwertsteuer profitieren. 

Foto: dpa/Jan Woitas
 Eine Familie geht über einen Zugang zum Ostseestrand. Mit Kinderbonus von 300 Euro pro Kind sollen sie unterstützt werden.

Eine Familie geht über einen Zugang zum Ostseestrand. Mit Kinderbonus von 300 Euro pro Kind sollen sie unterstützt werden.

Foto: dpa/Jens Büttner

Fazit: Die Maßnahmen könnten für den Schwung sorgen, der längerfristig dringend notwendig ist.

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