Geschichte Der erste Amerikaner in Dudeldorf

Dudeldorf/Middletown · Als das Flugzeug noch nicht erfunden war, hat George Edwin Waring eine 6000 Kilometer lange Reise auf sich genommen. Ausgerechnet in der Eifel wollte er Arbeitskräfte für seine Farm in den Vereinigten Staaten finden.

 George Edward Waring ist tausende Kilometer nach Dudeldorf gereist, um das Dorf, das ihm als Zentrum der Viehwirtschaft angepriesen wurde, anzusehen.

George Edward Waring ist tausende Kilometer nach Dudeldorf gereist, um das Dorf, das ihm als Zentrum der Viehwirtschaft angepriesen wurde, anzusehen.

Foto: Library of Congress/Frederic Gutekunst

George Edwin Waring muss der erste Amerikaner gewesen sein, der seinen Fuß nach Dudeldorf gesetzt hat. Zumindest erzählten ihm das die Dorfbewohner, als er die Ortschaft Mitte des 19. Jahrhunderts in einer klapprigen alten Kutsche erreichte.

Ein Fremder versteht Platt Während andere Gebiete rund um Rhein und Mosel bereits von Touristen aus dem fernen Westen bevölkert wurden, waren viele Eifeldörfer Neuland für die Amerikaner, die mit Dampfschiffen nach Europa gelangten. Obwohl Waring noch nie einen Fuß ins heutige Bitburger Land gesetzt hatte und die Dorfbewohner noch nie zuvor einen seiner Landsmänner gesehen hatten, verstand man sich. Denn der Agrarwissenschaftler und Oberst aus den Staaten hatte in seiner Heimat Dudeldorfer Platt gelernt. Bei drei Flaschen Wein und einem zünftigen Menü, bestehend aus Suppe Fisch, drei Gängen Fleisch, Käse sowie Pudding, plauschte der Gast mit den Einwohnern.

 Deutsche Einwanderer aus der Eifel haben im 19. Jahrhundert auf der Odgen Farm im US-Bundesstaat Rhode Island gearbeitet. Das sogenannte Dennis J. Murphy-Haus, das bis heute auf dem Gelände steht, ist erst 1900 erbaut worden.

Deutsche Einwanderer aus der Eifel haben im 19. Jahrhundert auf der Odgen Farm im US-Bundesstaat Rhode Island gearbeitet. Das sogenannte Dennis J. Murphy-Haus, das bis heute auf dem Gelände steht, ist erst 1900 erbaut worden.

Foto: Jerrye und Roy Klotz

Das Essen blieb dem Amerikaner im Gedächtnis, denn er schrieb darüber in seinem Buch „Vivat Mosella“ (lateinisch: Es lebe die Mosel!) von 1875: „Es gibt, sofern ich weiß, in Amerika keine Plätze von bis zu zehntausend Einwohnern, wo man eine solche Mahlzeit hätte haben können.“ Besser als in einem Sterne-Restaurant in New York sei die Dudeldorfer Hotelgaststätte (heute Altes Brauhaus), die Margaretha Servatius damals führte, gewesen.

Dudeldorf als Zentrum der Viehzucht Doch das gute Essen war nicht der eigentliche Grund für seinen Besuch. Waring war geschäftlich unterwegs und auf der Suche nach deutschen Arbeitskräften. Ausgerechnet in die Eifel war er gekommen, um eine Familie dazu zu bewegen, mit ihm auf die Odgen Farm im Bundesstaat Rhode Island zu kommen. Denn die Dudeldorfer, die bereits an die Ostküste der USA emigriert waren, hatten trotz ihrer „primitiven teutonischen Natur“ auf dem Hof gute Arbeit geleistet.

Die Familie Haubrich, die zuvor auf dem Eicherhof gewirkt hatte, kümmerte sich um das Milchvieh, um Hühner und Geflügel sowie den Haushalt. Als es darum ging, neues Personal für die Farm anzuwerben, erhielt Waring einen Ratschlag. „Haubrich präsentierte Dudeldorf als den einzigen Fleck in ganz Europa, woher fähige und zuverlässige Farm-Hände beschafft werden könnten“, heißt es in Warings Memoiren. Die Familie empfahl ein junges Paar, das sie noch aus ihrer Zeit in Dudeldorf kannte.

Fachkräfte aus der Ferne Der Amerikaner vertraute den Einwanderern und begab sich auf eine Reise in die Eifel. Sanfte Hügel statt Atlantikstrand, alte Höfe statt Modellfarm.

Die Familie Biehl, die er anwerben wollte, lebte in einem Haus „mit absolut keinen Möbeln neben dem nackten Notwendigen“, das direkt an den Stall mit Kühen, Pferden und Schweinen grenzte. Als Waring die Zustände sah, wurde ihm klar, warum es viele Deutsche in den fernen Westen zog. Auch die Biehls wollten in die USA auswandern und nahmen das Angebot, auf der Odgen Farm zu arbeiten, an.

6000 Kilometer von ihrer Heimat entfernt begannen die Biehls ein neues Leben. Doch die Erinnerung an ihre Vergangenheit ließ sie nicht los und sie wollten nach Dudeldorf zurückkehren, um hier die Entwicklung voranzutreiben.

Abschied von der Odgen Farm Aus den Plänen der Biehls wurde nichts: Statt in die Eifel zu ziehen, sind die Biehls in Cresco (Bundesstaat Iowa) gelandet.

Auch Waring verließ die Odgen Farm und beschäftigte sich im Anschluss vor allem damit, die hygienischen Zustände mit Hilfe moderner Abwassersysteme zu verbessern. Er kämpfte in New York gegen den Abfall auf den Straßen und in Memphis (Bundesstaat Tennessee) sowie auf der Insel Kuba gegen das Gelbfieber. Daran erkrankte er bei seiner Arbeit und starb 1898.

Teile der Modellfarm sind bis heute erhalten. Dass man hier noch Dudeldorfer Platt hört, ist jedoch unwahrscheinlich.

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