Cannabis Gutachter hält Jäger trotz Cannabis im Blut für zuverlässig

Wittlich/Trier · Peter Jakobs aus Wittlich will auf die Jagd gehen. Doch wegen seiner Cannabis-Medikation zweifelt die Jagdbehörde an seiner Fähigkeit, eine Waffe zu führen. Jetzt entscheidet das Verwaltungsgericht.

 Ob Cannabispatient Peter Jakobs jemals die Jagd wird ausüben dürfen, das entscheidet das Verwaltungsgericht Trier.

Ob Cannabispatient Peter Jakobs jemals die Jagd wird ausüben dürfen, das entscheidet das Verwaltungsgericht Trier.

Foto: picture alliance / Patrick Pleul/Patrick Pleul

Einen mit Marihuana zugedröhnten Jäger, der statt Hirschen versehentlich Spaziergänger aufs Korn nehmen könnte, solch einen Weidmann will die Jagdbehörde des Landkreises Bernkastel-Wittlich nicht durch die Wälder streifen lassen.

Doch wenn der 52-jährige Wittlicher Peter Jakobs, dem die Kreisverwaltung bereits seit knapp zwei Jahren die Ausstellung eines Jagdscheins verweigert,  zum Inhalator greift, um Marihuana  zu verdampfen und zu inhalieren, verfolgt er damit nicht den Zweck, sich zu berauschen. Er ist kein „Freizeitkiffer“, wie er es nennt, sondern Schmerzpatient. Schon seit 2014 wird ihm ein ärztliches Rezept zur Einnahme von Cannabis ausgestellt. Jakobs leidet unter einer  „sehr schmerzhaften“, chronisch verlaufenden entzündlich-rheumatischen Erkrankung mit dem Namen Morbus Bechterew. „Hauptsächlich plagen mich Ruheschmerzen im Rücken und Nacken direkt nach dem Aufstehen, oder wenn ich mich zum Feierabend auf das Sofa lege. Es fällt mir unheimlich schwer, zu entspannen.“ Nach eigenen Angaben lindert Cannabis – wie kein anderes Medikament – seine Schmerzen. „Wenn ich vier- bis fünfmal täglich 0,2 Gramm Cannabis nehme, treten die Schmerzen erst gar nicht auf.“  Ein Rausch sei bei seiner Medikation eine unerwünschte Nebenwirkung, sagt Jakobs. „Ich wurde von meinem Arzt so eingestellt, dass ich mit einer Dosierung von einem Gramm Cannabisblüten täglich sogar Autofahren darf.“

Doch was im Straßenverkehrsrecht möglich ist, das gilt noch lange nicht fürs Jagd- oder Waffenrecht. Dabei würde der 52-Jährige so gerne am Wochenende mit seiner Frau und seinem Sohn auf die Pirsch gehen. Die Jägerprüfung dafür hat er bereits 2016 abgelegt. Da sich die Jagdbehörde  jedoch wegen seines konstanten THC-Spiegels, der Cannabinoide im Blut, querstellt, hat er seitdem noch keinen Schuss abgegeben. Weil er die Verweigerungshaltung der Behörde nicht länger hinnehmen will, hat er den Landkreis nun vor dem Verwaltungsgericht Trier verklagt und gefordert, ihm die Waffenbesitzkarte und den Jagdschein auszustellen.

Verhandlung „Uns ist wichtig, dass klar steht, ob jemand die Eignung und Zuverlässigkeit im Umgang mit Waffen und Munition mitbringt“, sagte Maria Bernard als Vertreterin des Landkreises vor Gericht. „Wir wollen auf der sicheren Seite stehen.“ Doch im Kern ging es in der Verhandlung darum, ob Jakobs nach der Einnahme seines Medikaments berauscht ist oder eben nicht. Verwunderlich dabei: Der Landkreis fand das von ihm selbst eingeforderte psychologische Gutachten, welches der vom Kläger beauftragte Diplom Psychologe Richard Tank erstellt hat, nicht überzeugend. Tank bescheinigt Jakobs trotz seines täglichen Cannabiskonsums volle Reaktions- und Leistungsfähigkeit, womit das Gutachten für den Kläger überaus positiv ausfiel. Tank: „Da er täglich Cannabis nimmt und gut eingestellt ist, kommt es zu keinem Rausch. Es ist sogar so: Wenn ein Rausch auftreten würde, wäre er sehr verwundert.“ Um seine Feststellungen zu untermauern, legte der Psychologe  eine 2018 erschienene medizinische Studie vor, „die beweist, dass die medizinisch verordnete Einnahme von Cannabis zu einer gesteigerten Leistungsfähigkeit führt.“ Bernard als Vertreterin des Landkreises forderte dennoch, die Klage abzuweisen, „weil das Gutachten die Zweifel darüber, warum ein Cannabispatient im Gegensatz zu einem Freizeitkonsument nicht berauscht sein soll, nicht ausräumt.“

Doch auch Uwe Goergen, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Trier, hatte seine Zweifel am erstellten Gutachten: „Haben Sie während der Untersuchung auch den THC-Spiegel gemessen“, fragte er den Psychologen. Das sei ihm nicht möglich gewesen, erklärte Tank. Die verschiedenen Untersuchungen wären jedoch stets am Vormittag, nachdem Jakobs bereits mehrere Dosen Cannabis eingenommen habe, erfolgt. Goergen erklärte, dass selbst der Hersteller auf die Nebenwirkungen wie Rauschzustände hinweise. Zudem sei das Gutachten problematisch, sagte Goergen, da es keine Aussage zu den Schwankungen des THC-Gehalts im Blut des Klägers über den Tagesverlauf treffe. Goergen: „Wenn er morgens um sieben und um acht Uhr schon eine Einheit konsumiert. Wie geht es ihm dann um halb neun?“ Der Psychologe erklärte: Wenn ein Rausch nicht beabsichtigt sei, trete ein solcher auch weniger ein. „Der beabsichtigte Zweck ist ausschlaggebend. Zudem macht die Dosis das Gift.“

Rechtsanwalt Winfried Schabio, Verteidiger des Klägers, hofft für seinen Mandanten auf ein „positives Ergebnis“ ebenso wie Gutachter Tank: „Er wird den Hasen treffen“, antwortete Tank nach dem Prozess auf die Frage, ob er Jakobs den verantwortungsvollen Umgang mit einer Jagdwaffe zutraue. Das Verwaltungsgericht stellt das Urteil in den nächsten Wochen schriftlich zu.

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