Weltkriegs-Überlebender erzählt „Die Amis haben uns behandelt wie Vieh“

Hetzerath · Georg Kröschel wird am Sonntag 90 Jahre alt. Er ist der letzte Lebende aus Hetzerath, der im Zweiten Weltkrieg war. Seine Frau, die am Sonntag 86 wird, seine Familie und Hund Tommy sind ihm heute wichtig.

Klothilde und Georg Kröschel, hier mit Hund Tommy, feiern an diesem Sonntag beide Geburtstag.

Klothilde und Georg Kröschel, hier mit Hund Tommy, feiern an diesem Sonntag beide Geburtstag.

Foto: Christina Bents

Fit und voller Lebensfreude ist Georg Kröschel aus Hetzerath. Seine 90 Jahre sieht man ihm nicht an. Lachend sagt er: „Es ist mein Hund Tommy, der mich so fit hält. Zweimal am Tag gehe ich mit ihm raus.“

Als er auf die Papiere schaut, die auf seinem Wohnzimmertisch liegen, wird er nachdenklich. Bei den Unterlagen ist unter anderem sein Entlassungsschein aus dem Zweiten Weltkrieg. Mit 16 Jahren musste Georg Kröschel zum Reichsarbeitsdienst, bei dem er viele Schießübungen machen musste. Dann wurde er gemustert und kam zur Wehrmacht als Panzergrenadier. Er war in Coburg stationiert, und als die Amerikaner immer näherkamen, desertierte er mit drei bis vier Kollegen.

Er berichtet: „Es gab schon Beschuss von den Amerikanern. Das war mir zu riskant, um zu bleiben. Wir sind nur nachts gelaufen und haben Kreuzungen gemieden, damit wir nicht gesehen wurden, denn Deserteure durften sofort erschossen werden.“ Die Gruppe habe dann einen Bauern gefunden, bei dem sie eine Nacht bleiben konnten. Schließlich hat Georg Kröschel ein weißes Fähnchen gebastelt, und ist rüber zu den Amerikanern, um sich zu ergeben. Er erinnert sich: „Das hat auch soweit alles gut geklappt. Aber in der Gefangenschaft wurden wir noch schlechter behandelt als ein Stück Vieh. Es gab keine Überdachung, und wenn wir uns Löcher gegraben hatten, um uns darin vor Wind und Regen zu schützen, mussten wir sie am nächsten Tag wieder zuschütten.“

Ein Messer, das er in seiner Mütze versteckte, half ihm beim Brotschneiden. Schließlich sei er an die Franzosen verkauft worden, die damals Arbeitskräfte brauchten. „Wenn wir über eine Brücke gefahren sind, hat jemand ,Achtung Brücke!’ gerufen, denn wir wurden von den Einheimischen mit Steinen beworfen.“

In Reims erkrankte Georg Kröschel an Typhus und wurde in ein Lazarett nach Bad Nauheim verlegt. Nach seiner Genesung durfte er nach Hause, unter anderem mit dem Moselbähnchen nach Köwerich, von dort nach Klüsserath und schließlich ins Heimatdorf Hetzerath, wo sich die Eltern sehr über den Heimkehrer freuten. „Wir waren fünf Jungen und ein Mädchen. Zwei meiner Brüder sind im Krieg gefallen, einer ist als Kind gestorben und einer ist wie ich aus dem Krieg heimgekommen.“

Rückblickend erklärt er: „Krieg, ist das Brutalste, was es gibt. Dass einige über andere verfügen war für mich das Schlimmste.“ Und er fügt hinzu: „Es kann schnell gehen, dass wir wieder in einer Situation wie in den 1930er und -40er Jahren sind.“

Nach dem Krieg hätte Georg Kröschel beim RWE arbeiten können, denn an Technik hatte er schon als Kind viel Spaß. „Ich habe alles repariert, was mir in die Finger kam. Die Ausbildung beim RWE hätte mir sehr gelegen“, sagt er. Aber zur Unterstützung seiner Eltern entschloss er sich, eine Metzgerlehre zu machen und den Betrieb zu übernehmen. „Ich hatte bestimmt 20 Lehrlinge, denen ich gerne etwas beigebracht habe, aber die Arbeit ist schon sehr schwer“, sagt Georg Kröschel.

Halt haben ihm seine Familie und seine Tiere gegeben. Sein erster Hund war ein Dackel namens Waldmann. An einen Spitz, der ihm ebenfalls gehörte, erinnert er sich gerne. Schmunzelnd erklärt er: „Sein Besitzer wollte ihn nicht mehr haben, weil er die Eier geklaut hat. Dann habe ich ihn genommen und ihm ein Ei mit Pfeffer präpariert. Danach ist er davon weggeblieben.“  Insgesamt hatte er zwölf Hunde.

Humor war ihm immer wichtig im Leben. Viele Jahre hat er als linker Läufer in Hetzerath Fußball gespielt. Einen besonderen Grund zum Feiern hat Georg Kröschel an diesem Sonntag: Seine Frau Klothilde, die aus Osann-Monzel stammt, wird am 16. Dezember 85 Jahre alt und er vollendet am selben Tag sein 90. Lebensjahr. Mit ihnen feiern zwei Töchter, sechs Enkel und drei Urenkel.

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