Weinbau Die Folgen der Frühreife für die Weinreben

Bernkastel-Kues · Die Hitzewelle hält weiter an und macht in manchen Weinbergen den Reben Stress. Die Rieslingernte könnte bereits Mitte September beginnen.

 Bei den roten Rebsorten beginnen einzelne Beeren sich schon zu verfärben.

Bei den roten Rebsorten beginnen einzelne Beeren sich schon zu verfärben.

Foto: TV/Winfried Simon

Die Natur scheint in diesem Jahr über den Obstbauern, Winzern und Hobbygärtner ein übergroßes Füllhorn auszuschütten. Äpfel, Pflaumen, Birnen, Pfirsiche - die Bäume hängen übervoll mit den heranreifenden Früchten. Und auch die Winzer dürfen sich freuen. Noch nie waren die Trauben zu einem solch frühen Zeitpunkt so weit fortgeschritten. Und bis vor zwei, drei Wochen rechnete man allgemein mit einer sehr großen, überdurchschnittlichen Erntemenge.

Doch nach den heißen Juliwochen ist inzwischen, was die Erntemenge angeht, etwa Ernüchterung eingekehrt. Matthias Porten, Leiter Abteilung Weinbau und Oenologie beim Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Mosel in Bernkastel-Kues, sagt: „Die Euphorie bezüglich der Erntemenge können viele Winzer im Anbaugebiet Mosel nicht teilen.“

Porten hat sich in zahlreichen Gemarkungen der Mosel umgesehen und stellt fest: „Vor allem bei den Burgundersorten (Weißburgunder, Grauburgunder Spätburgunder) werden die Erträge geringer ausfallen, da es Verrieselungsschäden gab.“

Das heißt, zahlreiche Beeren wurden vom Stielgerüst abgestoßen. Laut Porten hat es auch beim Riesling solche Schäden gegeben.

Mehr Freude bereitet, so Porten, derzeit die frühe Rebsorte Müller-Thurgau - auch Rivaner genannt.

Unterdessen rechnen die Winzer nach wir vor mit einer sehr frühen Lese. Porten: „Wie sehen jetzt schon, dass der Beginn der Traubenernte einer der frühesten, wenn nicht der früheste Termin überhaupt werden wird.“

Winzer Stefan Justen, Weingut Meulenhof in Erden, hat bereits im Steilhang in jungen Rieslinganlagen erste weiche Traubenbeeren entdeckt. Und die Beeren der Rotweinsorten beginnen sich zu verfärben. Justen: „Das ist enorm früh. Normalerweise ist dieses Stadium erst in der ersten oder zweiten Augustwoche erreicht.“

Sollte die Reife weiter so rasant fortschreiten - und danach sieht es derzeit aus - rechnet Justen mit dem Beginn der Rieslingernte für Mitte September. Die ersten frühen Sorten könnten gar schon Ende August gelesen werden.

Sein Winzerkollege Stefan Lotz, ebenfalls aus Erden, ist noch zuversichtlich. Die Trockenschäden hielten sich noch in Grenzen. Am vergangenen Samstag hat es in Erden 20 Liter pro Quadratmeter geregnet, in Wehlen waren es 15 Liter, in Reil/Pünderich gar 40 Liter. „Gelegentlich ein kräftiger Regen - das wäre super“, sagt Lotz. Bleibe es aber längere Zeit trocken, gebe es zwar viele Trauben, aber wenig Most.

Die Schattenseite einer zu frühen Ernte: Die Trauben kommen sehr warm aus dem Weinberg auf die Kelter. Ohne Kühlung verläuft die Gärung zu schnell und der Most kann nur sehr schwer vorgeklärt werden. Möglicherweise gehen dann viele Winzer ganz frühmorgens, wenn es noch kühl und gerade hell geworden ist, die Trauben lesen, damit sie nicht in die Mittagshitze kommen.

Ein weiterer Nachteil einer zu frühen Lese: Die Trauben sind zwar reif und sehr süß, können wegen der kurzen Reifezeit aber nicht so viele Aroma- und Mineralstoffe einlagern. Gerade der Riesling bringt die hochwertigsten und moseltypischsten Weine hervor, wenn er lange reifen kann.

Was die Menge angeht, ist Justen nicht so pessimistisch wie Porten. In Weinbergen mit wüchsigen und tiefgründigen Böden sei der Behang nach wie vor sehr gut, die Beeren außerordentlich dick,

Allerdings wirke sich die Trockenheit in „weniger feuchten Weinbergen“ bereits aus. Justen: „Dort werden die Beeren eher wieder etwas kleiner, die Trauben dadurch lockerer.“

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