Landwirtschaft Die Niehler und das liebe Vieh

Niehl · Ein Niederländer plant einen großen Stall in einem 70-Seelen-Dorf zu bauen. Davon ist nicht jeder in Niehl begeistert. Auch der Gemeinderat spricht sich gegen das Projekt aus – auch wenn er den Betrieb wohl nicht verhindern kann.

 Ein Niederländer plant den Bau eines riesigen Kuhstalls, wie er auf diesem Symbolbild zu sehen ist.

Ein Niederländer plant den Bau eines riesigen Kuhstalls, wie er auf diesem Symbolbild zu sehen ist.

Foto: TV/Christian Altmayer

Wer am Ortsschild von Niehl vorbeifährt, blickt auf eine Idylle. Bauernhäuser ragen aus Hügeln hervor. Windräder drehen gemächlich ihre Runden. Ab und an holpert ein Traktor vorbei. Sonst herrscht wenig Verkehr in dem Dörfchen zwischen Bitburg und Neuerburg. Eingerahmt von Feldern, könnte der Südeifel-Ort eine Postkarte zieren. Doch dieses Bild könnte sich bald verändern. Das befürchten jedenfalls einige der rund 70 Einwohner der Gemeinde.

Der Grund ist das liebe Vieh. Schon jetzt leben hier deutlich mehr Tiere als Menschen. Rund 300 Kühe grasen auf den Niehler Weiden. Aber wenn es nach einem niederländischen Investor geht, sollen es bald mehr werden. Er plant, am Ortsrand einen Kuhstall zu errichten, in dem 550 Tiere Platz finden sollen. Dazu sollen  Kälber kommen, die der Niederländer in einem zweiten Wirtschaftsgebäude halten will. Die Flächen möchte er zwei Landwirten aus Niehl abkaufen.

Einer von ihnen spricht mit dem TV. Namentlich in der Zeitung erscheinen will er allerdings nicht. „In zehn Jahren würde ich das sowieso nicht mehr schaffen“, sagt der Mann, der jahrelang als Bauer gearbeitet hat. Er verkaufe deshalb, sagt er, weil er keinen Nachfolger für seinen Hof finde. Da komme das Angebot des Niederländern ihm gelegen: „Ich will die Gebäude auf meiner Parzelle nicht  verfallen lassen.“ Muss er auch nicht. Der Investor hat Verwendung für den Stall: Er will ihn als Lagerhalle nutzen und nebenan die neue Anlage bauen. 

Bevor die Arbeiten beginnen können, braucht der Niederländer aber eine Genehmigung. Eine Bauvoranfrage hat er gestellt. Nun müssen Behörden und Räte prüfen, ob er die Auflagen für den Stall erfüllen kann. Zuerst stimmt der Niehler Gemeinderat über das Projekt ab.

„Ob wir den Stall wollen oder nicht, spielt für die Genehmigung keine Rolle“, stellt Ortsbürgermeister Oswald Dichter aber gleich zu Beginn der Versammlung klar.  Außerhalb von Ortschaften habe die Landwirtschaft Vorrang. „Nein sagen könnt ihr trotzdem“, wirft eine Einwohnerin ein. Die sieben Ratsmitglieder nicken. Neun Bürger haben sich an diesem Abend zu ihnen ins kleine Gemeindehaus gezwängt. Und jeder von ihnen hat etwas zu sagen. Auch während der Sitzung diskutieren die Zuschauer mit.

„Die Masse, die Menge, die Ausmaße – das macht mir Angst“, sagt eine von ihnen. Sie meint damit nicht nur die 550 Milchkühe und ihre Kälber, sondern auch die viele Gülle, die sie produzieren könnten. Sie ist nicht die Einzige, die befürchtet, der Gestank der Gülle und des Mists könne zu ihnen herüber wehen. „Außerdem brüllen Kühe schon mal“, meldet sich eine Frau zu Wort, die bald Nachbarn aus den Niederlanden bekommen könnte: „Wie sieht das also mit dem Lärmschutz aus?“ Und wie stehe es bei einem so großen Betrieb um die artgerechte Haltung?, fragt ein anderer.

Es sind Fragen, die der Gemeinderat in der Sitzung nicht klären kann. Noch steht das Verfahren ja ganz am Anfang. Auch die Kreisverwaltung hat zur Bauvoranfrage des Holländers wenig zu erzählen. Das könnte daran liegen, dass die Behörde selbst noch nicht über alle Details des Vorhabens informiert wurde. Wie ein Sprecher auf Anfrage schreibt, fehlten der Verwaltung derzeit Unterlagen für die Bauvoranfrage. Unter anderem habe man die Geruchsimmissions-Prognose von dem Investor angefordert, aber noch nicht bekommen.

Das wird die Niehler kaum beruhigen. Für Ortsbürgermeister Dichter steht ohnehin fest: „Die Anlage wird eine Belastung fürs Dorf.“ Auch auf den Straßen werde es unruhiger, glaubt er. Schließlich werde das Vieh viel Futter brauchen, das von Lastwagen durch den Ort transportiert werden müsse - Schäden an Straßen und Wirtschaftswegen inklusive. Dennoch findet Dichter: „Man muss die Sache von beiden Seiten betrachten.“ Er könne auch die Landwirte verstehen, die verkaufen wollten. „Wenn jetzt nicht der Holländer ihre Parzellen übernimmt, dann vielleicht irgendwann ein Luxemburger oder jemand anderes“, sagt der Dorf-Chef.

Beim Gemeinderat überwiegt am Ende aber die Sorge. Vier von sieben Mitgliedern stimmen bei einer geheimen Wahl gegen die Bauvoranfrage – egal, ob das nun einen Unterschied macht oder nicht.

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