Der Überlebende Einer der letzten regionalen Zeitzeugen des 2. Weltkrieges kommt aus Pfalzel

Trier/Newel-Butzweiler · Er war an der russischen Front und musste in Butzweiler gegen die Amerikaner kämpfen. Albert Hill aus Pfalzel ist einer der letzten Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs aus der Region.

 Bis er 90 wurde, hat Albert Hill noch Tennis gespielt. Mit 94 geht er es etwas ruhiger an.

Bis er 90 wurde, hat Albert Hill noch Tennis gespielt. Mit 94 geht er es etwas ruhiger an.

Foto: Jan Söfjer

Als Albert Hill am 8. August 1944 an die russische Front kommt, gibt es erst einmal Bier. Musik wird gespielt. Seinen ersten Einsatz im Feld hat sich der 19-Jährige wohl schlimmer vorgestellt. Später sollen er und seine Kameraden sich Gewehre aus einer Scheune holen. Da liegen aber nur Leichen. Tote deutsche Soldaten und deren Waffen. Die brauchen die Toten nicht mehr. Am nächsten Tag geht es ins Gefecht. Die ersten Reihen fallen sofort.

„Der Bayer, der so schön singen konnte, bekam ein Bajonett in die Kehle”, erinnert sich der heute 94-Jährige. „Bei dem Angriff sind die meisten draufgegangen.”

Eigentlich wollte Hill zur Luftwaffe. 1942 meldet er sich freiwillig. „Da konnte man sich aussuchen, wo man hinwollte und musste keinen Arbeitsdienst vorher machen.” Eingezogen wurde sowieso praktisch jeder.

„Wir waren vier Lehrlinge im Bahnhof Ehrang. Zwei haben sich nicht gemeldet. Die sind ein halbes Jahr später in Russland gefallen.” Hill lässt sich in Frankreich, Österreich und Oberschlesien zwei Jahre lang zum Kampfbeobachter ausbilden. Heute heißt das Waffensystemoffizier und meint ein Mitglied der Cockpitcrew, die den Piloten unterstützt, zum Beispiel mit Navigation und Funk. Im Dezember 1944 wäre die Ausbildung Hills beendet gewesen. Doch dann wurde seine Kompanie aufgelöst und er kam zur 32. Infanterie-Division der Wehrmacht nach Kurland ins Baltikum.

 Albert Hill (rechts) mit seinem Bruder Josef im Jahr 1944.

Albert Hill (rechts) mit seinem Bruder Josef im Jahr 1944.

Foto: Privat

Der Name ist heute noch als Kessel von Kurland bekannt, weil ab Oktober 1944 die Deutschen von der Roten Armee eingeschlossen wurden. „Der Russe war am Kommen, wir haben nur abgewehrt, da ging nichts mehr vorwärts.” Albert Hill versucht, zu überleben. „Als wir einmal im Wald waren, hieß es, der Russe kommt mit Flammenwerfern, da haben wir uns schnell abgesetzt. Ich habe kaum einen gekannt, wir waren alle zusammengewürfelt.” Er kämpft in Gräben und auf den Feldern. Im Nacken die Feldgendarmerie, auch Kettenhunde genannt, die dafür sorgen, dass niemand desertiert. Im Nahkampf ist er nie.

„Man hat geschossen, wusste aber nicht, ob der andere tot war oder nicht.” Hill ist auch Kompaniemelder, bringt Nachrichten von einer Stelle zur anderen.

Mittlerweile ist es Dezember. Hill soll eine Nachricht von einem Bunker zu einer anderen Kompanie bringen, gerät unterwegs aber unter


Trommelfeuer. Als er wieder zu seinem Bunker zurückkommt, kommen ihm dort russische Soldaten entgegen. Sie verpassen ihm einen Schuss in den Bauch. Ein Durchschuss an der Seite.

Zwei Tage lang liegt er im Feldlazarett, dann, Silvester 1944, bringt ihn ein Lazarettschiff über die Ostsee nach Danzig. Er bekommt Heimaturlaub, weil er dreimal verwundet wurde (vorher zweimal durch Granatsplitter), trifft unterwegs in Koblenz seinen Bruder wieder, der, wie auch seine Schwester, den Krieg überleben wird.

Nach dem Heimaturlaub soll er sich im Februar in Kolberg, Pommern, melden, aber in Ehrang fährt kein Zug. Am nächsten Tag meldet er sich beim Ortskommandanten in Biewer. Der Kommandant sagt, man müsse Hill eigentlich erschießen, weil er seinen Urlaub um einen Tag überschritten habe. Er kommt zu einer neuen Truppe nach Kordel. Es gilt, die von den Ardennen vorrückenden Amerikaner aufzuhalten.

Im Möhner Wald gräbt er sich mit einem Kameraden ein Loch, um Deckung zu haben. Da fällt eine Zehn-Kilo-Bombe von einem Flugzeug in ihre Stellung, explodiert aber nicht. Sie zerschmettert seinem Kameraden aber das Bein. Hill besorgt einen Handkarren und bringt ihn in Sicherheit zu einer Straße, wo ihn ein Krankenwagen aufnehmen kann. Als er wieder zurückwill, sind die Amerikaner weiter vorgerückt. Mit 30 Mann verbringt er die Nacht in der Burg Ramstein. Am nächsten Tag, es ist der 1. März, geht es nach Butzweiler. „Wir sollten uns im Wald eingraben. Morgens kamen die Amis mit Panzern.” Auf beiden Seiten sterben etliche Soldaten. Aber die Deutschen haben keine Chance mehr. Auf einmal hören Hill und sein Kamerad eine Stimme von hinten. Ein GI (amerikanischer Soldat) steht hinter ihnen, mit Gewehr im Anschlag. Für Hill ist der Krieg vorbei. Sein Freund Bernhard Spang ist damals sechs Jahre alt und sieht, wie Hill mit weiteren abgeführt wird.

Hill kommt in Kriegsgefangenschaft nach Frankreich. Ein halbes Jahr lang. Danach nimmt er seine Arbeit bei der Bahn wieder auf, wird im Stellwerk Ehrang Fahrdienstleiter und später am Hauptbahnhof Trier Betriebsinspektor.

1950 lernt er eine Freundin seiner Schwester kennen. Mathilde, kurz Tilly. Noch am selben Tag geht er mir ihr tanzen. Als jemand, der die Front überlebt hat, zögert man nicht, wenn das Leben einem etwas schenkt. Die beiden heiraten und bekommen zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Hill spielt 50 Jahre lang Handball, und bis er 90 Jahre alt ist Tennis. Seine Frau stirbt 2003 im Alter von 77 Jahren.

16 Jahre später an einem kühlen, grauen Februartag steht Albert Hill noch einmal im Wald in Butzweiler, in der Nähe von dort, wo es damals auch hätte zu Ende sein können, hätte der Amerikaner einen nervösen Zeigefinger gehabt. Eine Träne rinnt Hill über die Wange, als er von damals erzählt. Vielleicht ist es der Wind oder das Glück noch am Leben zu sein.

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