Klimaschutz Grünen-Fraktionschef im TV-Interview - „2021 muss die CDU zeigen, was sie kann“

Mainz · Ampel oder Schwarz-Grün? Der rheinland-pfälzische Grünen-Fraktionschef knüpft die Koalitionsfrage an den Klimaschutz.

 Bernhard Braun, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen

Bernhard Braun, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen

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Mehr Klimaschutz in Kommunen, Billigflüge stoppen, Solaranlagen im Land ausbauen: Der rheinland-pfälzische Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun hat klare Vorstellungen davon, um gegen den Klimawandel zu kämpfen. Im Sommerinterview mit TV-Landeskorrespondent Florian Schlecht spricht Braun über eine Solaroffensive im Land, spart nicht mit Kritik an den Koalitionspartnern SPD und FDP und äußert sich zu einem grünen Anstrich der CDU.

Herr Braun, Deutschland spricht über Mittel, den Klimawandel zu bekämpfen. Muss das Fliegen teurer werden?

BERNHARD BRAUN Das billige Fliegen für 29,90 Euro muss tatsächlich aufhören. Dumping-Angebote müssen wir stoppen, weil wir die Umweltschäden einbeziehen müssen und kein anderes Verkehrsmittel mit diese Preisen mithalten kann. Es braucht aber Alternativen zum Fliegen: Die Bahn muss günstig und gut sein.

Die Grünen in Trier wollen den Klima-Notstand ausrufen und damit anderen Kommunen folgen. Schürt das nicht Panik?

BRAUN In der Politik braucht es immer einen Weg, die Gangart zu verschärfen. Doch was kommt noch nach einem Notstand? Nicht mehr viel. Richtig ist es aber, alle Vorhaben auf ihre Auswirkungen auf das Klima zu prüfen. Das muss eine Selbstverständlichkeit in jeder Kommune und in der Politik überhaupt werden, zum Beispiel kann man bei Neubaugebieten Solaranlagen auf Dächern zwingend festschreiben und Ladestationen für E-Autos zu schaffen.

Kritiker wie der AfD-Landeschef Uwe Junge fragen, warum Deutschland den Klimawandel in einer Vorreiter-Rolle bekämpfen soll, während die USA, China und Indien so viel mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre feuern. Hat er recht?

BRAUN Das ist völliger Blödsinn. China, Indien und die USA haben zwar alle Kohlekraftwerke, sind aber zugleich die Länder, die am allermeisten in erneuerbare Energien investieren. Vom chinesischen Zuwachs an Solarenergie kann Deutschland nur träumen.

Rheinland-Pfalz kann doch als Vorbild voranschreiten und Solarenergie stärker fördern?

BRAUN Wir starten im Land ein Programm. Doch da gibt es ein Problem auf Bundesebene: den Solardeckel. Wenn wir in Deutschland 52 Gigawatt beim Solarenergieausbau erreichen, ist nach dem Gesetz Schluss mit der Förderung. Jetzt liegen wir schon bei 47 Gigawatt. Wir wissen also nicht, ob es in einem Jahr noch Förderung gibt. Das ist doch verrückt: Seit einem halben Jahr gibt es Klimaproteste, und CDU und SPD schaffen es nicht, den Solardeckel wegzukriegen.

Wie will das Land die Sonnenenergie besser anzapfen?

BRAUN Wir starten eine Solaroffensive, um die Anschaffung von Anlagen bei Privaten und Kommunen und auf landeseigenen Gebäuden zu unterstützen. Ich habe mit Fridays-for-Future-Schülerinnen und -Schülern gesprochen und gefragt, ob ihre Schule eine Solaranlage auf dem Dach hat. Da haben wir noch ein Riesenpotenzial. Wir wollen auch bei der Landesverwaltung mehr E-Autos anschaffen. Wir verändern damit vielleicht nicht die ganze Welt. Aber wir wollen das zu einem längerfristigen Programm ausweiten, das wir mit mehreren Millionen unterstützen werden. Jeder – auch Rheinland-Pfalz–- muss mehr Anstrengungen machen beim Klimaschutz.

Sind die Grünen die einzige Partei im Landtag, die der Klimawandel interessiert?

BRAUN Wir sind die treibende Kraft. Natürlich würde ich mir wünschen, dass alle Fraktionen im Landtag in der Frage noch aktiver sind. Bei der SPD gibt es zwar Leute, die da mitmachen, eine Klimaschutzpartei ist es aber nicht. Die FDP ist oft nicht auf dem aktuellsten Stand, was Klimaschutz angeht.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat in ihrer Funktion als SPD-Bundesvorsitzende eine Klimaprämie vorgeschlagen, die pro Kopf Menschen mit niedrigem CO2-Verbrauch belohnen soll. Das klingt doch nach Klimaschutz, oder?

BRAUN Wir Grünen haben lange vor Frau Dreyer in unserem Europawahlprogramm eine Prämie vorgeschlagen. Wir wollen den Bürgern pro Kopf 100 Euro als Ausgleich für einen höheren CO2-Preis zahlen. Eine vierköpfige Familie bekäme dann 400 Euro. Das ist auch sozial gerecht. Unsere Rechnungen zeigen: Wer sich beim Energieverbrauch normal verhält, kommt mit unserem Klimageld neutral davon. Ich halte dagegen nichts von dem SPD-Vorschlag, vor allem Pendler zu entlasten, was am Ende neue Anreize für die Autoindustrie schafft und alles beim Alten belässt. Die SPD hat unser Programm leider schlecht abgeschrieben.

Freut es Sie, dass der designierte CDU-Spitzenkandidat Christian Baldauf seine grüne Seite entdeckt und mit einer Arbeitsgruppe neue Impulse für Klima und Umwelt setzen will?

BRAUN Es ist gut, dass die CDU über Klimaschutz redet. Herr Baldauf muss aber noch ein dickes Brett bohren. Gegen die Windkraftanlagen hat die CDU jahrelang Politik gemacht, mit ihm als führendem Kopf. Das Konzept für eine echte Verkehrswende, die CO2 einspart, erkenne ich nicht. Und erst ein halbes Jahr nach den Fridays-for-Future-Demos eine Arbeitsgruppe einzurichten, lässt mich an der Glaubwürdigkeit der Bemühungen zweifeln.

Halten Sie sich trotzdem die Option einer schwarz-grünen Koalition im Land 2021 offen?

BRAUN Kommt es zu einem Ergebnis, das uns in Verhandlungen bringt, wollen wir Schwerpunkte bei Klimaschutz, Artenvielfalt und im sozialen Wohnungsbau setzen. Wir werden ergebnisorientiert verhandeln und mit allen demokratischen Kräften sprechen. Dann muss die CDU zeigen, was sie kann.

SPD und FDP haben sich schon bekannt, die Ampelkoalition nach 2021 fortsetzen zu wollen. Warum verzichten die Grünen auf das Treue-Gelöbnis?

BRAUN Wir machen gute Politik in der Ampelkoalition. Wir wissen aber, dass wir 2021 entscheidende Verbesserungen im Klimaschutz und in der Verkehrspolitik brauchen. Es wäre verantwortungslos, sich zu anderen Parteien zu bekennen und nicht zu Inhalten. Wir wollen über Inhalte reden und sehen, was 2021 möglich ist.

Die Grünen haben Stadträte wie Trier, Mainz, Koblenz und Landau erobert. Greifen Sie nun auch nach der Staatskanzlei?

BRAUN Das steht alles in den Sternen. Wir bleiben auf dem Boden. Bei der letzten Landtagswahl in Rheinland-Pfalz hatten wir 5,3 Prozent. Wir sind uns der Verantwortung der hohen Umfragewerte bewusst, schweben aber nicht in den Wolken.

Die Grünen treten zu Wahlen immer mit einer Doppelspitze an. Braucht es 2021 eine einzige grüne Spitzenkandidatin, die Anne Spiegel heißt?

BRAUN Ich glaube, wir können uns mit einer Spitzenkandidatin besser profilieren. Ich kann mir Anne Spiegel gut vorstellen. Bei uns entscheidet aber nicht der Vorstand, sondern ein Parteitag. Der ist aber erst 2020.

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