Gesundheit Wenn es darum geht, Leben zu retten

Mainz/Trier · Im Land fehlen Organspender. Wie ist das Problem zu lösen? Da zeigt sich das Parlament gespalten.

 Ein Organspendeausweis, aufgenommen beim Tag der Organspende vor dem Modell eines menschlichen Torsos.

Ein Organspendeausweis, aufgenommen beim Tag der Organspende vor dem Modell eines menschlichen Torsos.

Foto: dpa/Daniel Maurer

Ein kerngesunder 30-jähriger Mann sitzt abends auf der Couch und freut sich auf seine Lieblingsserie bei Netflix. Am Morgen danach kippt er um, ein Rettungswagen bringt ihn mit Blaulicht in die Notaufnahme, auf der Intensivstation hören die Angehörigen den traurigen ärztlichen Befund: „Es tut uns leid, wir können nichts mehr tun.“ Mit dem Beispiel aus dem Alltag eröffnet der Trierer SPD-Abgeordnete Sven Teuber seine Rede zur Orientierungsdebatte im Mainzer Landtag, die sich um Organspenden dreht. Teuber fragt eindringlich: „Wie sollen Angehörige in so einer Situation über Spenden entscheiden, die ein Leben retten, wenn sie selber tief traurig sind?“ Gerade junge Menschen machten sich wenig Gedanken über das Sterben, meint Teuber. Das sei ein Grund, warum es wenig Spender gibt.

Der Trierer befürwortet daher eine Widerspruchslösung wie in den Niederlanden. Das deutsche Nachbarland schreibe seine Einwohner mehrfach an, ob sie sich weigern wollten, Organe zu spenden, sagt Teuber. Wer nicht widerspricht, gilt als Spender. Die Bereitschaft könnten sie jederzeit widerrufen, selbst online. „Das Modell könnte in Deutschland Tausende von Leben retten“, sagt der SPD-Mann.

Doch in der Debatte, bei der alle Abgeordneten frei von Fraktionszwängen sprechen können, loben nicht alle die Widerspruchslösung. Ministerpräsidentin Malu Dreyer – auch in der SPD und aus Trier – ist anderer Meinung als Teuber. Sie sagt: „Organspende muss immer ein freiwilliger Akt von Solidarität bleiben.“

In der Frage geht durch alle Parteien ein Spalt. Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) ist für die Widerspruchslösung, der Grünen-Abgeordnete Andreas Hartenfels dagegen. „Vielleicht hindern Menschen persönliche, religiöse, spirituelle Fragen an der Spende.“ Er warnt davor, als Staat mit der Widerspruchslösung vorzupreschen. „Das impliziert manchem, dass er sich nur noch als Ersatzteillager versteht.“

Justizminister Herbert Mertin (FDP) sagt, er halte es für möglich, die Widerspruchslösung verfassungskonform zu gestalten. Paragrafen dürften bei Organspenden aber nicht die Lösung sein. Auch innerhalb der CDU gehen Meinungen auseinander. Während Fraktionschef Christian Baldauf sich dafür ausspricht, den Menschen gerecht zu werden, „die sich noch nicht für eine Spende entschieden haben“, appelliert sein Abgeordnetenkollege Peter Enders an eine „moralische Pflicht, sich für die Widerspruchslösung zu entscheiden“. Der Arzt sagt: „Wer erlebt hat, wie einem todkranken Menschen durch eine Organtransplantation geholfen wurde und welche Energie der spürt, weiß, es geht bei den Spenden um Nächstenliebe über den Tod hinaus.“ Bei der AfD sagt Uwe Junge – selber potenzieller Organspender – er könne die mit der Widerspruchslösung verbundenen Wünsche verstehen. Der Trierer Michael Frisch warnt vor Hybris. „Je größer unsere Macht wird, desto geringer ist die Bereitschaft, ethische Normen zu setzen.“

Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) spricht sich für eine Kultur der Organspende in Kliniken aus. Sie lobte, dass die Möglichkeiten geschaffen seien, wonach Transplantationsbeauftragte in Kliniken mehr Zeit für Beratung hätten. Die Abgeordnete Anna Köbberling (SPD) erzählt dagegen von ihrem Schulfreund Bernd, der nach drei Herzinfarkten das Haus kaum mehr verlassen könne. „Oft hat er so wenig Kraft, dass das Ausräumen der Geschirrspülmaschine den ganzen Tag dauert.“

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