Geschichte Im Martinskloster Trier wird jeder Bewohner zum Schatzhüter (Video)

Trier · Das Studiwerk sucht Trierer, die historische Objekte für das Projekt „Wohn-Zeit-Raum“ zur Verfügung stellen. Diese sollen in jedem Zimmer von der 1700-jährigen Geschichte des Klosters erzählen.

 Grafikstudentin Corinna Hofmann präsentiert eine "Zeitkapsel" mit dem Steinfragment eines alten Fenstergesimses. Artefakte des Martinsklosters werden gesucht, eines für jedes Zimmer im neuen Wohnheim.

Grafikstudentin Corinna Hofmann präsentiert eine "Zeitkapsel" mit dem Steinfragment eines alten Fenstergesimses. Artefakte des Martinsklosters werden gesucht, eines für jedes Zimmer im neuen Wohnheim.

Foto: Rainer Neubert

Nur ganz wenige Gebäude in Trier haben eine längere Geschichte als das Martinskloster. „Die geht tatsächlich zurück bis ins Jahr 386, als der heilige Martin von Tours außerhalb der damaligen römischen Stadt ein Grundstück bekommen hat“, weiß Andreas Wagner. Der Geschäftsführer des Studiwerks hat sich intensiv mit der Vergangenheit des Baus befasst, in dem heute Studenten wohnen. Für ein besonderes Kunstprojekt hat Wagner gemeinsam mit Stephan Brakensiek, Kunsthistoriker an der Universität Trier, einen Zeitstrahl erstellt, auf dem alle relevanten historischen Ereignisse im Zusammenhang mit dem ehemaligen Kloster vermerkt wurden. „Würden wir den ausdrucken, wäre er vier Meter lang.“

Die akribische Datenrecherche von Kunstgeschichte-Studenten ist die Grundlage für das Projekt „Wohn-Zeit-Raum“, das Hochschullehrer Brakensiek als Glücksfall bezeichnet. „Es gibt selten Projekte, bei denen wie in diesem Fall die lange und variantenreiche Geschichte eines für die Kunst und die Historie Triers wichtigen Gebäudes aufgearbeitet werden kann. Ein auch touristisch völlig brachliegendes Kleinod wird hier mit einem Ausstellungskonzept von experimentell-beispielhaftem Charakter neu belebt.“

Die Idee: Jedes der vermutlich 120 Zimmer im Ersatzbau für die marode Wohnanlage, der zum Wintersemester 2020 eröffnet werden soll, erhält ein besonders historisches Fundstück, das in unmittelbarem Bezug zum Martinskloster steht. Aufbewahrt werden diese Artefakte in „Zeitkapseln“ aus dickem Plexiglas, die in jedem Zimmer fest installiert sind. Informationen zu dem jeweiligen Fundstück sollen zudem anschaulich auf der Innenseite der Zimmertür dargestellt werden.

„Jeder unserer Mieter wird sozusagen zum Hüter eines Schatzes“, erklärt Andreas Wagner. Dem Studiwerk-Chef kam die Idee für das Projekt, als er im Internet  auf Verkaufsplattformen alte Fundstücke entdeckte, die im Zusammenhang mit der Geschichte des Martinsklosters standen. So erinnert zum Beispiel eine knapp ein Kilogramm schwere Kanonenkugel aus Eisen an die Zeit des 30-jährigen Kriegs, als alle weltlichen und kirchlichen Gebäude entlang der Stadtmauer zum eigenen Schutz baulich verstärkt wurden. Ein alter Bergkristall schafft den Bezug zum reich verzierten Strahov-Evangeliar. Die Illustrationen für dieses kostbare Meisterwerk des ottonischen Buchkunst sind um 980 im Martinskloster entstanden. Mehlschaufel, Rebmesser, Getreidemaß oder antike Purpur-Tinte gehören ebenfalls zu den mehr als 80 Fundstücken mit historischen Bezügen zum Klosterleben, die bereits auf der Inventarliste des Projekts stehen.

Diese historische Aufnahme zeigt das Martinskloster inklusive Mühle, die einst am Moselufer stand. Foto: Stadtarchiv Trier, Bildsammlung Laven

Diese historische Aufnahme zeigt das Martinskloster inklusive Mühle, die einst am Moselufer stand. Foto: Stadtarchiv Trier, Bildsammlung Laven

Foto: Stadtarchiv Trier, Bildsammlung Laven

„Solche Dinge sind über das Internet oft für relativ wenig Geld zu bekommen“, freut sich Wagner, der wie alle Beteiligten bereits unzählige Stunden in das Projekt gesteckt hat. Dennoch ist er mit der bisherigen Ausbeute nicht ganz zufrieden. „Was uns fehlt, sind Dinge, die tatsächlich aus dem Kloster stammen.“ Er hofft auf die Hilfe der Trierer: „Vielleicht hat jemand noch ein altes Stück im Regal oder auf dem Dachboden liegen, das er uns als Dauerleihgabe zur Verfügung stellen will. Das wäre eine tolle Sache.“

Jedes Artefakt wird einen Sonderplatz erhalten. Eine öffentliche Ausstellung aller Exponate soll es aber nur einmal geben: Unmittelbar vor der geplanten Eröffnung des neuen Studentenwohnheims im September 2020. „Wir erstellen aber einen Katalog und planen auch eine virtuelle 3-D-Präsentation, die dauerhaft gezeigt werden soll.“ Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich zahlungskräftige Sponsoren finden, um die Kosten im sechsstelligen Bereich zu decken. „Die Förderanträge sind gestellt“, sagt Wagner, der das Wohn-Zeit-Raum-Konzept auch bei der später anstehenden Sanierung des historischen Martinskloster-Westtrakts aus dem Jahr 1626 umsetzen will.

Das von Corinna Hofmann erstellte Logo für das Projekt Wohn-Zeit-Raum

Das von Corinna Hofmann erstellte Logo für das Projekt Wohn-Zeit-Raum

Foto: Studiwerk/Corinna Hofmann/Corinna Hofmann

Damit das Projekt professionellen Ansprüchen genügt, wurden zwei Studierende der Kunstgeschichte und eine Grafikstudentin mit Werkverträgen engagiert. Das Aktions-Logo und Entwürfe für eine eigene Briefmarkenserie  sind das Werk von Corinna Hofmann. Die 21-Jährige ist selbst Mieterin im Wohnheim und hat deshalb täglich die 450 Jahre alte Rotbuche im Blick, die im Innenhof des Gebäudekomplexes steht. Der unter Naturschutz stehende Baum wird auch in Zukunft das trennende und zugleich verbindende Element zwischen Alt- und Neubau sein.  „Dieses Projekt ist total spannend“, schwärmt die junge Frau aus Heidelberg. „Ich hoffe natürlich sehr, dass wir noch viele echte Artefakte finden.“ Angesichts des 1700 Jahre alten Geschichte des Klosters erscheint das zumindest nicht unwahrscheinlich.

 Grafikstudentin Corinna Hofmann präsentiert eine "Zeitkapsel" mit dem Steinfragment eines alten Fenstergesimses. Artefakte des Martinsklosters werden gesucht, eines für jedes Zimmer im neuen Wohnheim.

Grafikstudentin Corinna Hofmann präsentiert eine "Zeitkapsel" mit dem Steinfragment eines alten Fenstergesimses. Artefakte des Martinsklosters werden gesucht, eines für jedes Zimmer im neuen Wohnheim.

Foto: Rainer Neubert
Der Ausschnitt einer Stadtansicht von 1580 zeigt dasin dieser Zeit sehr bedeutenden Klosters.

Der Ausschnitt einer Stadtansicht von 1580 zeigt dasin dieser Zeit sehr bedeutenden Klosters.

Foto: Stadtarchiv Trier/Sebastian Münster
 Diese Aufnahme von 1964 zeigt die Visualisierung der Gebäudekubatur des damals geplanten „Grandhotel St. Martin“. Das wurde nicht gebaut, obwohl der Stadtrat dem Projekt zugestimmt hat. Quelle: Stadtarchiv Trier

Diese Aufnahme von 1964 zeigt die Visualisierung der Gebäudekubatur des damals geplanten „Grandhotel St. Martin“. Das wurde nicht gebaut, obwohl der Stadtrat dem Projekt zugestimmt hat. Quelle: Stadtarchiv Trier

Foto: Stadtarchiv Trier
Grafikstudentin Corinna Hofmann hat auch eine Briefmarkenserie entworfen. Hier ein Exemplar mit dem Strahov-Evangeliar.

Grafikstudentin Corinna Hofmann hat auch eine Briefmarkenserie entworfen. Hier ein Exemplar mit dem Strahov-Evangeliar.

Foto: Rainer Neubert

Wer hat Fundstücke aus dem Martinskloster Trier und stellt diese für das Projekt „Wohn-Zeit-Raum“ zur Verfügung? Kontakt: Andreas Wagner, Telefon 0651/201-3561, andreas.wagner@studiwerk-trier.de

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