Natur Mächtige Bäume aus winzigem Saatgut

Wittlich · Dieses Jahr wurden im Wittlicher Stadtwald drei Tonnen Eicheln gesammelt. Förster Mario Sprünker erzählt, warum das notwendig ist.

 82 dieser Säcke voller Eicheln wurden im  Mundwald bei Wittlich gesammelt.

82 dieser Säcke voller Eicheln wurden im  Mundwald bei Wittlich gesammelt.

Foto: Mario Sprünker

Der Wittlicher Stadtwald verfügt über Eichenbestände, deren genetische Qualität besonders dazu geeignet ist, die Grundlage für zukünftige Eichenwälder zu bilden. Daher kümmert sich Förster Mario Sprünker intensiv um den richtigen Nachwuchs seiner Pflanzen „Dieses Jahr haben wir rund drei Tonnen Eicheln als hochwertiges Saatgut aus anerkannten Saatgutbeständen im Mundwald bei Wittlich gesammelt“, berichtet Sprünker. 15 extra hierfür angefragte Arbeiter lesen die vom Baum gefallenen Früchte der Eichen von Hand vom Waldboden auf. „Pro Person kann man durchaus mit 60 Kilo Eicheln pro Tag rechnen. Das Sammeln bedarf einiger Erfahrung und Übung, um solche Mengen zu erzielen. Ich wäre nie so schnell“, lacht Mario Sprünker. Im gleichen Zuge wird bereits vorsortiert: Eicheln mit Löchern oder anderen äußerlich sichtbaren Schäden, aber auch solche, die zu leicht sind, finden gar nicht erst ihren Weg in die großen 82 Säcke, die am Ende der Sammelaktion prall gefüllt für die Spedition bereit stehen.

Ihre Reise geht weiter zur Plusbaum Samen GmbH nach Nagold in Baden-Württemberg, einige Kilometer westlich von Tübingen. Dort werden die Eicheln gereinigt und über den Winter in einem Kühlhaus eingelagert. Das Saatgut braucht eine Periode mit sehr niedrigen Temperaturen, bevor es zu keimen beginnt. Entsprechend wird es nach diesem kühlen Aufenthalt im Frühjahr an Baumschulen weiterverkauft, die schließlich mit der Aufzucht der kleinen Pflänzchen beginnen. Pro Kilogramm Eicheln kann man mit 100 bis 150 Pflanzen rechnen, die drei bis vier Jahre Wachstumszeit benötigen, bevor sie von den Förstern in den Wäldern ausgepflanzt werden können. „Wesentlich sind nicht ausschließlich die Einnahmen, die wir durch den Verkauf unserer qualitativ hochwertigen Eicheln erwirtschaften. Wir denken vielmehr an die Investition in die Zukunft, denn später können wir unsere Bäume von den jeweiligen Baumschulen zurückkaufen, um sie hier in Wittlich wieder auszupflanzen“, erzählt Mario Sprünker.

 Die Eicheln sind zwischen September und Oktober reif und fallen einfach zu Boden.

Die Eicheln sind zwischen September und Oktober reif und fallen einfach zu Boden.

Foto: dpa/Rainer Jensen

Die Regelung für das hier gesammelte Saatgut ist sehr streng. Bereits im Vorfeld muss der Förster einen Antrag beim Forstamt stellen, das einen Saatgutbeauftragten in das jeweilige Revier schickt. Nur Bäume mit stabilem, gesundem und geradem Wuchs können anerkannte Saatgutbestände liefern. „Für uns ist es sehr wichtig, gutes Saatgut in hervorragender Qualität zu haben, damit wir unseren Forst später mit diesen Pflanzen bestücken können. Seit vielen Jahren sind wir verstärkt dabei, einen Weg raus aus der Monokultur zu verfolgen. Wir müssen uns den Gegebenheiten anpassen und die weisen eindeutig auf Mischwälder mit starken Bäumen hin“, sagt Mario Sprünker. Das seien vor allem Eiche, Tanne, Douglasie, aber auch Buche oder Linde, denn diese Pflanzen sind robust genug, um mit dem Klimawandel klar zu kommen. „Dass sich das Klima ändert, kann man inzwischen ja kaum mehr verleugnen. Wir Förster sehen das schon lange daran, wie sich unsere Wälder verhalten und versuchen entsprechend dagegen zu steuern“, meint Sprünker. So hat er damals noch gelernt, dass die Eichen etwa alle sieben Jahre zur Vollmast austreiben. Da die Bildung von Saatgut viel Energie frisst, neigen einige Baumarten, darunter die Eiche, zur zyklischen Fruchtbildung. Bei der Vollmast fruchten alle Bäume eines Bestandes stark. Inzwischen käme es allerdings viel häufiger zu solchen Mastjahren. Sprünker: „ Wir haben 2009, 2011, 2013 und jetzt 2018 Saatgut sammeln können, das sind für die Forstwirtschaft sehr kurze Abstände. In diesen vier Jahren haben wir gute 18 Tonnen auf dem elf Hektar großen Gebiet gesammelt.“ Es sei natürlich nicht schlecht, dass in diesem Zeitraum jeweils sehr gutes Saatgutmaterial gesammelt wurde, doch der hohe Anstieg der Fruchtbildung sei auf Dauer nicht optimal, da es der Eiche jedes Mal viel Energie entzieht. Nichtsdestotrotz benötigt man die vielen Pflanzen, von denen natürlich einige bei der Aufzucht eingehen. Dass man von Hand anzüchten muss, ist tatsächlich dringend notwendig. „In meiner bisherigen Karriere in Wittlich habe ich noch keine Eiche erlebt, die sich selbstständig verjüngt hat, deren Samen also ausgetrieben und zu neuen Bäumen herangewachsen sind. Im Forstrevier Wittlich ist die natürliche Verjüngung von Eichen sehr schwierig und in Teilen gar nicht möglich“, sagt Mario Sprünker. Den Grund sieht er in der Überpopulation der Wildtiere. Diese fressen mit Vorliebe Eicheln und andere Baumfrüchte und sind, nicht nur im Forstrevier Wittlich, schlicht zu zahlreich, als dass etwas ohne Schutz wachsen könnte. „Um die jungen Bäume muss ich Zäune ziehen, damit das Wild nicht alles direkt wegfrisst oder anderweitig beschädigt.“ Eine Dauerlösung sei dies nicht, doch das sei an dieser Stelle ein anderes Thema. Daher bleibt der Fokus für Mario Sprünker darauf, seinen Nachfolgern einen gesunden Wald mit großer Artenvielfalt zu hinterlassen.

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