Justiz Missbrauchsprozess gegen Ex-Schulleiter: Psychiater des Hauptzeugen sagt aus

Trier · Wie glaubwürdig ist im Verfahren gegen einen ehemaligen Schulleiter der Hauptzeuge? Dazu wurde am Freitag im Trierer Landgericht der Psychotherapeut eines der beiden Schüler befragt, die der Pädagoge laut Anklage unsittlich berührt haben soll.

 Der Prozess gegen einen Ex-Schulleiter wegen des Verdachts auf Missbrauch Schutzbefohlener läuft seit Ende Mai vor dem Trierer Landgericht. Die Beweisaufnahme dauert an.

Der Prozess gegen einen Ex-Schulleiter wegen des Verdachts auf Missbrauch Schutzbefohlener läuft seit Ende Mai vor dem Trierer Landgericht. Die Beweisaufnahme dauert an.

Foto: dpa/Oliver Berg

Die Beweisaufnahme im Missbrauchsprozess gegen den ehemaligen Leiter einer weiterführenden Schule im Kreis Trier-Saarburg dauert an. Am Freitag hat vor der Ersten Großen Jugendkammer des Landgerichts Trier ein Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie als Zeuge ausgesagt. Der Mediziner behandelt einen der beiden Schüler, die den 55-jährigen Angeklagten beschuldigen. Der Pädagoge soll laut Anklage zwischen Juni 2014 und Juli 2015 einen damals 14 Jahre alten Schüler bei drei Gelegenheiten sexuell motiviert unsittlich berührt haben. Bei einem anderen 15-jährigen Schüler soll er dies Anfang 2017 versucht haben. Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe.

Wie der Arzt berichtete, kam der heute 18-jährige Schüler – der Hauptbelastungszeuge der Anklage – seit 2009 zu jährlichen Routine-Untersuchungen in seine Praxis. Der Schüler werde seit frühem Kindesalter wegen eines Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms, gemeinhin ADHS genannt, behandelt. Er nehme dagegen regelmäßig Medikamente ein, schilderte der Mediziner, was bis 2018 durch die Kinder- und Jugendpsychiatrie im Trierer Mutterhaus kontrolliert worden sei. Weiter sagte der Arzt aus, er selbst habe ab März 2018 die Rolle des Psychotherapeuten bei dem jungen Mann übernommen, der wegen einer schwierigen familiären Situation lange in der Wohngruppe (WG) einer Jugendhilfe-Einrichtung gelebt hat.

Während dieser Zeit sollen laut Aussage des Schülers bei Wochenend- und Ferienbesuchen im Haus des Schulleiters die sexuell motivierten Berührungen erfolgt sein. Die Verteidigung stellt die Glaubwürdigkeit des jungen Mannes infrage. Die zwei Verteidiger hatten zuletzt immer wieder neue Zeugenaussagen beantragt und auch die Befragung des behandelnden Psychiaters angeregt, der von seiner ärztlichen Schweigepflicht entbunden war. Er beschrieb seinen Patienten als „wenig mitteilsam“ und „zurückhaltend im Kontakt“ mit anderen. Ansonsten habe er keine „besonderen Auffälligkeiten“ notiert. Von dem bevorstehenden Gerichtsverfahren, so der Arzt, habe er durch eine Betreuerin erfahren. Sein Patient habe darüber nicht sprechen wollen.

Laut Aussage des Mediziners nahm der Jugendliche ein Medikament gegen ADHS ein, um seine schulischen Leistungen zu stabilisieren. Ein zusätzliches Medikament habe ihm gegen seine Reizbarkeit geholfen. Er habe es in niedriger Dosis erhalten und 2017 abgesetzt. Die Frage des Vorsitzenden Richters Günther Köhler, ob der Schüler irgendwann Anzeichen von Wahnvorstellungen, Bewusstseinsstörungen oder Gedächtnisproblemen gezeigt habe, verneinte der Arzt.

Einer der Verteidiger, Rechtsanwalt Martin Barduhn (Frankfurt), fragte nach „autistischen Zügen“, die Erzieher des Jungen vor Gericht erwähnt hatten. Barduhn wollte wissen, ob Autismus bei einer polizeilichen Vernehmung dazu führen könne, dass der Betroffene ihm suggerierte Antworten einfach wiederhole. Der Mediziner bezeichnete dies als „spekulativ“. Er selbst habe keine Anhaltspunkte für Autismus bemerkt. Der Chefarzt der Kinderpsychiatrie im Mutterhaus schreibe in einem Befund, dass allenfalls „ein leichter Ausprägungsgrad“ vorhanden sein könnte.

Im Anschluss beantragte die Verteidigung, Einträge aus Diensttagebüchern der Wohngruppe aus den Jahren 2012 bis 2014 beim nächsten Verhandlungstermin zu verlesen. Die darin beschriebenen Handgreiflichkeiten könnten laut Barduhn unter anderem beweisen, dass der Jugendliche in der Lage sei, „komplexe Geschichten zu erfinden, um Erwachsene zu täuschen“ und dass er „überdurchschnittliche Gewaltbereitschaft“ gezeigt habe. Die Kammer wird am nächsten Prozesstag am 13. August über den Antrag entscheiden. Bis dahin kann die Verteidigung gegebenenfalls die Vorladung weiterer Zeugen beantragen.

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