Justiz Missbrauchsprozess gegen Ex-Schulleiter: Verteidiger zweifelt an Glaubwürdigkeit des Hauptzeugen

Trier · Der Missbrauchsprozess um einen ehemaligen Schulleiter vor dem Landgericht Trier kann noch länger dauern. Denn sein Rechtsanwalt hat am vierten Verhandlungstag viele Beweisanträge gestellt, mit denen er die Anklage entkräften will.

 Vor dem Landgericht Trier geht der Prozess gegen einen ehemaligen Schulleiter möglicherweise in die Verlängerung. Dem 55-Jährigen wird vorgeworfen, zwei minderjährige Schüler sexuell missbraucht zu haben.

Vor dem Landgericht Trier geht der Prozess gegen einen ehemaligen Schulleiter möglicherweise in die Verlängerung. Dem 55-Jährigen wird vorgeworfen, zwei minderjährige Schüler sexuell missbraucht zu haben.

Foto: dpa/Volker Hartmann

Es ist der vierte Verhandlungstag im Prozess gegen einen 55-jährigen ehemaligen Leiter einer weiterführenden Schule im Kreis Trier-Saarburg. Die Anklage wirft ihm sexuellen Missbrauch zweier Schutzbefohlener vor. Der Pädagoge soll in der Zeit zwischen Juni 2014 und Januar 2017 zwei Schüler im Alter von 14 und 15 Jahren unsittlich berührt haben. Seit Anfang 2017 ist der Mann vom Dienst suspendiert.

Im Fokus der Verhandlung vor der Großen Jugendkammer des Landgerichts Trier stehen am Dienstag die Aussagen eines der beiden mutmaßlichen Missbrauchsopfer. Der Jugendliche lebte damals in einer Wohngruppe in einer Jugendhilfe-Einrichtung. Als Zeuge sagt sein ehemaliger Betreuer aus. Der Erzieher beschreibt den Jungen als „verschlossen“. Er habe sich häufig allein auf sein Zimmer zurückgezogen. Die Betreuer hätten den Verdacht gehabt, er zeige „autistische Züge“, berichtet der Erzieher und fügt hinzu: „Wenn sich etwas am gewohnten Tagesablauf geändert hat, hat ihn das schnell aus der Ruhe gebracht.“ Dann sei der Jugendliche „aggressiv“ geworden und habe „herumgeschrien“. Unter anderem dagegen habe er regelmäßig Medikamente eingenommen, Antipsychotika, die zur Behandlung der Aufmerksamkeitsstörung ADHS dienten.

Der Betreuer beschreibt einen Vorfall in der Küche der Wohngruppe von Anfang 2018. Der Jugendliche habe die Spülmaschine nicht einräumen wollen, habe einen „Wutausbruch“ gehabt und sei dann weinend zusammengebrochen. Dabei habe er über „Probleme mit seinem Gedächtnis“ geklagt und zu dem Erzieher gesagt, dies liege wohl an den Medikamenten. Anschließend habe er gesagt: „Und dann ist da noch die Sache mit meinem Direktor.“ Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Günther Köhler, ob er nachgehakt habe, was genau vorgefallen sei, antwortet der Betreuer, er habe nicht „nachbohren“ wollen. Psychologische Hilfe habe sein Schützling abgelehnt. Zu Beginn des Prozesses hat der junge Mann selbst ausgesagt und den Schulleiter belastet. Dieser habe ihn mehrere Male, auch in den Schulferien, zu sich nach Hause eingeladen. Dort habe er ihn morgens beim Wecken im Schritt berührt, seine Hoden abgetastet mit der Erklärung, so möglicherweise eine Krebserkrankung zu erkennen, und ihn im Bad dazu aufgefordert, sich selbst zu befriedigen. Bei einem Hallenbadbesuch habe sich ihm der Mann nackt gezeigt.

Auch das zweite mutmaßliche Opfer, heute 17 Jahre alt, hat berichtet, der Rektor habe ihm in dessen Büro die Genitalien abtasten wollen. Der Pädagoge weist alle Vorwürfe zurück und begründet sein Interesse an den Schülern mit besonderer „pädagogischer Fürsorge“. Er habe die Jungen nie angefasst.

Seine Verteidiger Sven Schnitzer und Martin Barduhn wollen von dem Betreuer des Jungen aus der Wohngruppe wissen, wie oft dieser bei dem Direktor zu Hause gewesen sei. Mindestens zweimal, sagt der Erzieher. Er wisse es nicht mehr genau. Er habe versucht, Einträge dazu aus dem digitalen Diensttagebuch der fraglichen Zeit zu rekonstruieren. Wegen eines Softwarewechsels könne er die Computerdateien aber nicht öffnen.

Auf Nachfrage der Verteidiger berichtet der Erzieher, dass der Jugendliche gegen andere Kinder aus der Einrichtung nie gewalttätig geworden sei. Mit Ausnahme seiner Schwester, die ebenfalls dort wohnte. Sie habe er geschlagen und ihr vorgeworfen, für den Selbstmord ihres früheren Pflegevaters verantwortlich gewesen zu sein.

Nach einer zweistündigen Pause stellt die Verteidigung mehrere Beweisanträge, die darauf abzielen, die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Schülers infrage zu stellen. So solle die Festplatte mit den Daten aus der Wohngruppe ausgewertet werden, um zu widerlegen, dass der Jugendliche – wie er selbst ausgesagt hat – häufiger als dreimal bei dem Schulleiter gewesen sei. Verteidiger Barduhn beantragt eine Vernehmung des Einrichtungsleiters, weiterer Mitarbeiter und der Schwester des Jungen. Zudem fordert er einen Sachverständigen, um die „Aussagetüchtigkeit“ des Zeugen zu prüfen. Laut dem Verteidiger beruhen die Aussagen des Schülers „nicht auf tatsächlich Erlebtem“. Er zeige „Auffälligkeiten“ wie die dauerhafte Medikamenteneinnahme, habe zeitweise laut Aussage des Erziehers zwei Mittel parallel eingenommen. Ein Gutachter könne sich zudem mit der polizeilichen Vernehmung befassen, die Barduhn mehrfach als „suggestiv“ bezeichnet. Dem Zeugen seien von dem Kriminalbeamten Antworten in den Mund gelegt worden. Deshalb gebe es Widersprüche, und er könne sich an Details nicht erinnern.

Die Verhandlung wird am 13. Juni fortgesetzt. Die Kammer will bis dahin über die Anträge der Verteidiger entscheiden. Sie muss sie nicht annehmen, sondern kann auch einige oder alle ablehnen – was den Prozess dann wieder klar verkürzen würde.

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