Karl-Marx-Tag Prominente und Genossen feiern das frisch gestaltete Geburtshaus

Trier · Die neue Dauerausstellung im Karl-Marx-Haus ist eröffnet.

Prominente und Genossen feiern in Trier das frisch gestaltete Geburtshaus von Karl Marx
Foto: dpa/Harald Tittel

„In diesem Haus wurde am 5.Mai 1818 Karl Marx geboren“, steht in der Brückenstraße 10 auf einer schlichten Plakette. Und das erklärt – genau 200 Jahre später – so ziemlich alles. Die Absperrungen. Die vielen Journalisten, die sich mit ihren großen Kameras auf einem kleinen Podest drängen, den Chor, der „die Gedanken sind frei“ singt, während SPD-Chefin Andrea Nahles aus einem schwarzen Audi mit Berliner Kennzeichen steigt, all die Lokalprominenz, die chinesischen Würdenträger und die vielen Genossen, die sich vor dem Karl-Marx-Haus versammelt haben. Zum 200 Geburtstag des Philosophen wird das Haus, das die SPD 1928 erwarb, nach längeren Renovierungsarbeiten wieder eröffnet. Mit einer neuen, modern gestalteten Dauerausstellung, die Besucher aus aller Welt näher bringen will, wer Marx war, welches Werk er schuf und welche Wirkung dieses hatte.

Mario Adorf, der zu diesem Anlass Marx-Gedichte rezitieren wollte, musste aus gesundheitlichen Gründen absagen. Doch sind andere Promis da. Günther Jauch liest aus der Geburtsurkunde von Karl Marx, „verfasst von meinem Urururur-Großvater Emmerich Grach der damals zweiter Bürgermeister der Stadt Trier war“, sagt der Fernsehmoderator. In dieser Urkunde heißt es, Heinrich Marx habe Grach ein Kind männlichen Geschlechts vorgezeigt und erklärt, dass dasselbe von ihm selbst und seiner Frau erzeugt worden sei. „Ohne Karl Marx hätte die Weltgeschichte einen anderen Weg genommen“, sagt Kurt Beck, Chef der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, der das Museum gehört. Es sei an der Zeit gewesen, dieses zu modernisieren. „Das Ausstellungskonzept war etwas aus der Zeit geraten“, findet der frühere rheinland-pfälzische Ministerpräsident. Auch, was die digitalen Möglichkeiten der Präsentation angehe.

Die alte Dauerausstellung war in dunklen, fensterlosen Räumen voll großer, textlastiger Infowände untergebracht. Seit Samstag ist alles anders: Das lichtdurchflutete Geburtshaus selbst präsentiert sich als wichtigstes Exponat. Zeitgemäß, kleinteilig und interaktiv informiert das Museum mit neuen Exponaten über den Philosophen – darunter auch der Lesesessel, in dem Marx starb.

„Wir verschweigen auch nicht, welcher Missbrauch im Namen von Karl Marx geschehen ist und nicht die Opfer des Stalinismus“, sagt Beck, während sich vor dem Zaun, der die Brückenstraße abriegelt, Polizisten aufbauen. Rote Fahnen flattern im Wind. „A Anti Anticapitalista“, rufen ein paar Hundert um den Heuschreckbrunnen versammelte Kommunisten, die an diesem Tag – gefolgt von der AfD – durch die Straßen Triers ziehen.

„Es ist gut, sich über Karl Marx zu streiten“, sagt die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer durch den herüberdringenden Lärm eine Megaphons hindurch. Das geschehe in Trier im besten demokratischen Sinne ergänzt Wolfram Leibe, Oberbürgermeister einer „kleinen Großstadt, die nun im politischen Fokus steht“. Tatsächlich sind für diesen Tag mehr als Hundert internationale Journalisten angereist.

„Wir haben die Möglichkeit, nach dem Ende des Kalten Krieges einen vorurteilsfreien Blick auf Marx zu werfen“, sagt Andrea Nahles. Diese Ausstellung ermögliche das wie keine andere. „Das ist eine Reise nach Trier wert!“

Marx werde ganz unterschiedlich interpretiert. „Die Vereinnahmung für die Diktatur und nicht für die Demokratie, das lassen wir an diesem Tag nicht unwidersprochen", betont Nahles und auch die hochrangigen, anwesenden Chinesen klatschen lächelnd. Ihre Landsleute strömen schon lange in Scharen nach Trier. Künftig könnten es dank der Statue noch mehr werden, die jenes Haus sehen wollen, in dem ihr Idol Marx vor genau 200 Jahren geboren wurde. Seine Urururenkel durchtrennen das rote Band zum Museum, vor dem sich im Laufe des Tages lange Schlangen bilden.

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