Trier/Bitburg Revision schützt vor Strafe nicht

Trier/Bitburg · Ein verurteilter Missbrauchstäter hat seinen Richterspruch angezweifelt. Nun hat das Landgericht Trier den Eifeler erneut schuldig gesprochen.

 Die Justitia am Trierer Justizgebäude.

Die Justitia am Trierer Justizgebäude.

Foto: Friedemann Vetter

Olaf Möller schüttelt den Kopf. „Geben Sie doch einfach auf“, sagt der Anwalt zu seinem Mandanten – als wäre der 68-Jährige neben ihm ein trotziges Kind. Doch der Eifeler scheint seinem Rechtsbeistand gar nicht zuzuhören. „Wissen Sie, was die Hauptverhandlung war?“, fragt er seinen Verteidiger: „Sagen Sie’s mir, ich war ja dabei.“ „Ein Showprozess“, sagt der Angeklagte. Der saarländische Anwalt reibt sich die Schläfen, während der Eifeler erläutert, wie er seine Kinder beim Lügen ertappt haben will und welche ihrer Aussagen widersprüchlich gewesen seien.

Der Hintergrund: Denn wegen seiner drei inzwischen erwachsenen Söhne und seiner Tochter sitzt der Pensionär an diesem Tag bereits zum zweiten Mal auf der Anklagebank. Sie hatten ihn bei einer Verhandlung im vergangenen Jahr schwer belastet. Als sie noch Kinder waren, soll er sie sexuell missbraucht haben. Die Vorwürfe bestreitet der Vater zwar bis heute. Das Landgericht Trier schenkte den Zeugen aber Glauben und verurteilte ihn zu fünf Jahren Haft (der TV berichtete). So weit, so klar.

Die Revision: Doch das Urteil wurde nie rechtskräftig. Denn der Eifeler legte nach dem Richterspruch Revision beim Bundesgerichtshof ein. Das Ziel: einen Freispruch erwirken. Geklappt hat das nicht so recht.

Verteidiger Möller hatte zwar versucht, die Kinder und ihre Aussagen in Zweifel zu ziehen, die Anzeige der mutmaßlichen Opfer wie einen Racheakt aussehen zu lassen. Doch damit scheiterte er in Karlsruhe. Die Richter sahen die Schuld des Angeklagten – ebenso wie das Landgericht seinerzeit – als erwiesen an. Lediglich das Strafmaß schien ihnen unverhältnismäßig.

Der Hauptgrund: Der Eifeler Vater ist ein pensionierter Beamter, arbeitete in der hessischen Polizeischule, bevor er sich in der Eifel niederließ. Wenn der 68-Jährige also wegen eines so schweren Verbrechens verurteilt wird, verliert er seinen Pensionsanspruch und damit seine Lebensgrundlage. Er wäre nicht mehr imstande, seine Schulden abzubezahlen. Und im Laufe der Zeit hatte sich durch den Kauf von zwei Häusern einiges angesammelt.

Was das mit der Strafe zu tun hat? Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes hätte der Trierer Richter darauf auch im Urteil eingehen müssen. Den Angeklagten also womöglich milder bestrafen. Und dieser mutmaßliche Verfahrensfehler scheint so gravierend gewesen zu sein, dass er eine zweite Verhandlung nötig gemacht hat.

Aus Karlsruhe wurde der Missbrauchsfall also wieder nach Trier verwiesen. Diesmal in den Saal des Vorsitzenden Egnolff, Peter.

Der Prozess: Entscheiden muss der an diesem Tag also nur über das Strafmaß, nicht über die Schuld des Angeklagten. „Zur Sache ist alles gesagt“, stellt der Richter daher zu Beginn der Verhandlung klar.

Über den Missbrauch wird also kaum gesprochen. Es sind auch keine Zeugen geladen. Egnolff listet nur kurz auf, was die Kinder ihrem Vater vorgeworfen hatten: Wie er die Tochter in ihrem Bett anfasste, den jüngsten Sohn beim Schlafen auf der Couch. Wie er mit dem Älteren zuerst in der Polizeischule Pornos geschaut hatte und ihn dann in der Badewanne missbrauchte.

Stellung nehmen muss der Angeklagte zu diesen Anschuldigungen nicht. Dafür darf er über seine Hobbys plaudern – etwa über die Modelleisenbahn, die durch seinen Garten saust. Ansonsten stellt der Richter ihm lediglich Fragen zu seinen zwei geschiedenen Ehen, seiner Arbeit vor der Frühpensionierung und seinen Finanzen, um die es scheinbar nicht rosig steht. Das alles dauert keine Stunde. Danach geben Staatsanwalt und Verteidiger ihre Plädoyers ab.

Die letzten Worte: Und auch das geht schnell. Der Staatsanwalt fordert viereinhalb Jahre, der Verteidiger dreieinhalb – jeweils abzüglich von ein paar Monaten für die Zeit in Untersuchungshaft. Denn die Forderungen müssen bei einer geglückten Revision niedriger sein als das ursprüngliche Urteil.

Gute Nachrichten für den Angeklagten also, könnte man meinen. Doch obwohl ihm eine kürzere Haft in Aussicht steht, scheint der 68-Jährige im Streifenshirt nicht zufrieden mit dem Prozedere der Verhandlung. Als Richter Egnolff ihn nach seinem sogenannten letzten Wort fragt, antwortet er zunächst nur: „Was soll ich da noch sagen?“

Die Lügen: Dann will er aber doch noch was sagen – nämlich zu dem ersten Prozess. Er habe seine Kinder inzwischen angezeigt, lässt er wissen, weil sie in der Verhandlung angeblich Lügen erzählt hätten.

Sollte die Klage Erfolg haben, wären sie nicht die Einzigen aus dem Umfeld des Eifelers, die sich wegen mutmaßlicher Falschaussagen verantworten müssten.

Die Staatsanwaltschaft hat nämlich offenbar einen Strafbefehl gegen die Freundin des 68-Jährigen erlassen. Sie ist beim ersten Prozess die einzige Zeugin gewesen, die sich für den Angeklagten aussprach. Jetzt wirft man ihr wohl vor, dass sie von dem Missbrauch gewusst haben soll und dies im Prozess verschwiegen hatte. Dagegen hat die Lebensgefährtin des Eifelers bereits Widerspruch eingelegt. Ihr Freund hat noch eine Woche Zeit, gegen das neue Urteil von Egnolff einen Revisionsantrag zu stellen.

Das Urteil: Der ist in seinem Richterspruch dem Plädoyer des Staatsanwalts weitestgehend gefolgt: Vier Jahre und vier Monate Gefängnis warten auf den 68-Jährigen. Doch solange das Urteil noch keine Rechtskraft hat, ist er ein freier Mann und bekommt weiterhin Pensionsgelder.

Durch eine erneute Revision kann er den Antritt seiner Strafe wohl noch bis Ende des Jahres hinauszögern. Verteidiger Möller bestätigt, dass der verurteilte Missbrauchstäter anstrebt, einen neuen Antrag zu stellen.

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