Regierungsbildung Showdown mit zwei Schlitzmaschinen

Berlin · Am Sonntag wird das Basis-Votum der Sozialdemokraten zur Groko verkündet. Der Ausgang des Mitgliederentscheids gilt als offen.

Der Koalitionsvertrag steht, die meisten Minister der Union sind auch schon benannt – und doch könnte alles noch den Bach runterehen. Denn das letzte Sagen hat die SPD-Basis. An diesem Sonntag wird das Abstimmungsergebnis über Sein oder Nichtsein einer künftigen Groko bekanntgegeben. Zu erwarten ist ein knapper Ausgang.

Geht alles nach Plan, dann fährt an diesem Samstag um 17 Uhr ein großer Lastwagen voll mit Postkästen am Berliner Willy-Brandt-Haus vor. Es sind die Stimmkarten von potenziell 463 723 Sozialdemokraten, die in den letzten zehn Tagen darüber befinden sollten, ob ihre Partei die vorliegende Regierungsvereinbarung mit der CDU und CSU „abschließen“ soll oder nicht. Rund 120 freiwillige Helfer aus den Landesverbänden und Bezirken werden sich anschließend in der SPD-Zentrale an die Auszählung machen. Dazu kommen zwei sogenannte Hochleistungsschlitzmaschinen zum Einsatz, die pro Stunde jeweils 20 000 Briefe öffnen können. Schätzungsweise zehn Stunden dauert die Prozedur. Eine wahre Nachtschicht. Und damit anschließend keine Zeit bleibt, das Ergebnis heimlich an die Öffentlichkeit „durchzustechen“, hat die SPD für den Sonntag bereits um 9 Uhr zur Pressekonferenz eingeladen.

Über den Ausgang der Entscheidung konnte auch gestern nur spekuliert werden. Auf den Basisveranstaltungen war der Unmut vieler Genossen über das Führungschaos, aber auch vermeintliche oder tatsächliche Leerstellen des Koalitionsvertrages mit Händen zu greifen. Einerseits. Andererseits kann auch der weniger lautstarke Flügel der Befürworter den Ausschlag geben. Beide Seiten warben jedenfalls bis zum Schluss für ihre Positionen und machten auf Zweckoptimismus. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil etwa ging felsenfest von einem Ja zur Groko aus. Kevin Kühnert, Juso-Chef und Galionsfigur der Nein-Sager, gab sich ebenfalls unerschütterlich. Klingbeil wisse „auch nicht mehr, als ich weiß“, meinte Kühnert. Und, dass die Stimmungslage sehr wohl in Richtung Ablehnung gehen könne.

In diesem Fall wäre die Lage ziemlich vertrackt. Zuallererst natürlich bei der SPD selbst. Eine Fortsetzung des Führungschaos wäre programmiert. Denn fraglich ist, ob Andrea Nahles dann wie geplant auf einem Sonderparteitag am 22. April zur neuen Vorsitzenden gewählt wird.

Und was die Regierungsbildung angeht, so werden sich dann alle Blicke auf den Bundespräsidenten richten. Frank-Walter Steinmeier könnte dem Bundestag die erneute Kanzlerschaft Angela Merkels (CDU) vorschlagen, wofür am Ende auch die einfache Mehrheit im Parlament reichen würde. Im Ergebnis käme es zu einer Minderheitsregierung, der aber kaum ein längeres Leben beschieden sein dürfte. So wären Neuwahlen unausweichlich.

Genau dieses Szenario könnte viele in der SPD dann doch für die Groko stimmen lassen. Denn, dass ihre Partei aus einem neuen Urnengang gestärkt hervorgeht, ist doch eine ziemlich abenteuerliche Vorstellung. In den aktuellen Umfragen liegen die Genossen zwischen 15,5 und 18 Prozent. Bei der Bundestagswahl im letzten Herbst kam man noch auf 20,5 Prozent. Und schon das war bitter genug.

Sollte die Mehrheit der Genossen also für eine Neuauflage der schwarz-roten Koalition stimmen, kann die Regierung noch vor Ostern stehen. Für die Kanzlerinnen-Wahl ist bereits der 14. März im Gespräch. Nach den Planungen von Nahles sollen erst zwei Tage davor die SPD-Minister benannt werden. Ob sich die Personalien so lange unter der Decke halten lassen, steht freilich auf einem anderen Blatt.

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