Interview nach Nahles-Rücktritt SPD-Landeschef Lewentz gegen vorschnelles Groko-Ende (mit Video)

Berlin/Mainz · Der rheinland-pfälzische SPD-Vorsitzende Roger Lewentz bedauert den angekündigten Rückzug von SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles.

SPD-Landeschef Lewentz gegen vorschnelles Groko-Ende
Foto: dpa/Harald Tittel

Man hätte Andrea etwas mehr Luft lassen sollen, um gemeinsam einen Neustart zu organisieren, sagte Lewentz im Gespräch mit volksfreund.de

Aber große Teile der Bundes-SPD hätten offenkundig nicht mehr hinter der Partei- und Fraktionsvorsitzenden gestanden. „Jetzt haben wir eine Zeit, in der wir sehr ungeordnet dastehen“, sagte Lewentz, „das tut einer Partei nicht gut.“ Über die Nachfolge müsse nun intensiv beraten werden.

Der SPD-Landesvorsitzende sprach sich gegen ein vorschnelles Ende der großen Koalition aus. Er spüre zwar „sehr, sehr viele Ressentiments in der Partei“. Aber dennoch müsse diese Frage in einem geordneten Verfahren beantwortet werden, sagte Lewentz. Dazu müsse erst eine neue Parteispitze gewählt werden. „Ohne Führung kann man solche Themen nicht angehen“, sagte Lewentz volksfreund.de

Wie überrascht waren Sie von der Rücktrittsankündigung?

Lewentz: Mir war beklannt, dass Andrea Nahles übers Wochenende alle Möglichkeiten abwägen wird. Von daher war auch ein solcher Schritt denkbar. Mir tut das leid, weil das am Ende auch ein ungeordnetes Verfahren ist. Und so etwas tut einer Partei nicht gut. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn man Andrea etwas mehr Luft gelassen hätte, dies gemeinsam zu entscheiden und einen Neustart zu organisieren. Jetzt haben wir eine Zeit, in der wir ziemlich ungeordnet dastehen.

Was war Ihrer Einschätzung nach letztlich der Auslöser für den Nahles-Rücktritt?

Lewentz: Man hat Andrea Nahles in den letzten Tagen zu verstehen gegeben, dass große Teile der Bundes-SPD nicht hinter ihr stehen. Am Samstag gab es noch einmal eine eindeutige Ehrenerklärung der SPD-Stellvertreter. Aber offenkundig war das nicht ausreichend, um zu sagen: Ich habe genug Basis, um weiterzumachen.

Wer soll Andrea Nahles jetzt als Partei- und Fraktionschefin folgen?

Lewentz: Das wird die Diskussion in den nächsten Tagen zeigen. Noch einmal: Ich hätte mir deshalb ein geordnetes Verfahren gewünscht, damit parallel zum Rückzug klar ist, wer Kandidat oder Kandidatin für die Nachfolge ist. Diese Klarheit gibt es im Moment nicht, deswegen wird es jetzt intensive Diskussionen geben.

Wie bewerten Sie es, dass jetzt schon der dritte Rheinland-Pfälzer an der Spitze der Bundes-SPD gescheitert ist?

Lewentz: Das ist keine Frage, ob jemand aus Rheinland-Pfalz oder sonstwo herkommt. Ich bin in Rheinland-Pfalz der dritte Parteivorsitzende seit 1985. Das ist eine erfolgreiche Aufstellung. Wir haben Klarheit in unserer Führungsriege. Es ist klar, dass unsere Ministerpräsidentin auch die nächste SPD-Spitzenkandidatin werden wird. Wir haben in der Landes-SPD keine Lager, in denen es eigene Organisationseinheiten gibt. Einen Seeheimer Kreis, eine Parlamentarische Linke oder etwas anderes gibt es bei uns nicht. Das tut der Partei gut.

Was bedeutet der Nahles-Rücktritt für die große Koalition in Berlin?

Lewentz: Es ist ja mit der Union vereinbart, dass zur Hälfte der Legislaturperiode nachgeprüft wird, ob die Groko erfolgreiche Arbeit macht. Im Moment spüre ich innerhalb der SPD sehr, sehr viele Ressentiments gegenüber der Groko. Das kann man auch öffentlich nachlesen. Das muss mit einer neuen Führung diskutiert werden, das geht nicht im luftleeren Raum.

Sehr diplomatisch formuliert. Der rheinland-pfälzische Fraktionschef Alexander Schweitzer hat sich für ein Ende der Groko ausgesprochen. Was ist Ihre Meinung: drinbleiben oder raus?

Lewentz: Alexander Schweitzer hat das gesagt, was ich eben angesprochen habe. Meine Meinung ist, diese Frage muss in einem geordneten Verfahren beantwortet werden. Dazu gehört, dass erst einmal eine neue Führung benannt ist und auf einem Parteitag gewählt wird. Ohne eine neue Führung kann man solche Themen nicht angehen.

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