Springprozession Unterwegs mit Pilgern: Menschen, Muscheln, Märsche

Echternach/Bollendorf/Prüm · Tausende sind am Pfingstdienstag zur Springprozession nach Echternach gepilgert. Der TV hat eine Eifeler Gruppe begleitet, um herauszufinden, was die Wallfahrter an- und umtreibt.

 Pilgern, wo andere Urlaub machen: An der Sauer entlang wandert es sich gut.

Pilgern, wo andere Urlaub machen: An der Sauer entlang wandert es sich gut.

Foto: TV/Christian Altmayer

Es ist still im Ort. Bis auf das Brummen der Lastwagen, die über die Landstraße holpern, dringt kein Geräusch ans Ohr. Die Sattelschlepper fahren an dunklen Häusern vorbei. Hinter den Fenstern brennt kein Licht. 5.30 Uhr ist für viele noch Schlafenszeit. Aber nicht für die rund zweihundert Pilger, die sich vor der Bollendorfer Kirche versammelt haben. Einiges haben sie vor, aber noch mehr hinter sich. Denn für sie beginnt die letzte Etappe einer tagelangen Fußwallfahrt. Begonnen hat sie am Pfingstsonntag in Prüm. Enden soll sie in zwei Stunden in der  Echternacher Springprozession. Zwischen Start und Ziel lagen Waxweiler, Mettendorf und Neuerburg. Die Frauen und Männer haben die Eifel also einmal von Nord nach Süd durchwandert. 60 Kilometer haben sie dabei zurückgelegt. Und vielleicht ist das der Grund, warum sie es jetzt nicht besonders eilig haben.

Als die Glocken des Bollendorfer Kirchturms läuten, geht es Schritt für Schritt  über die Landstraße. Während links der Verkehr an den Pilgern vorbeisaust, schlängelt sich rechts die Sauer durch die Wiesen. Nebelschwaden wabern übers Grün, die Luft riecht nach Tau im Gras. In zwei Reihen wandern die Eifeler mit Rücksäcken und Neoprenjacken Richtung Luxemburg. Gesprochen wird dabei wenig – zumindest nicht miteinander.

 „Wir sind froh, dass wir noch Jugendliche haben“: Pascal Sepp (zweiter von rechts) posiert mit Verwandten.

„Wir sind froh, dass wir noch Jugendliche haben“: Pascal Sepp (zweiter von rechts) posiert mit Verwandten.

Foto: TV/Christian Altmayer
Spring-Prozession in Echternach
95 Bilder

Spring-Prozession in Echternach

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Ernst Meyer reckt seinen Stab in die Luft. „Jegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade ...“, betet er den Pilgern vor und die stimmen ein. Die Eifel ist dem 59-Jährigen noch anzuhören. Dabei lebt Meyer seit Jahren nicht mehr in Prüm, sondern im Rhein-Main-Gebiet. Der Gang zur Springprozession sei für ihn dennoch Pflicht. Seit seinem zwölften Lebensjahr habe er sie nie ausfallen lassen. „Familientradition“, sagt der Wahlhesse.

 Der Luxemburger Erzbischof Jean-Claude Hollerich (ganz links) und Stephan Ackermann, Bischof von Trier, haben die Prümer Wallfahrter in Echternacherbrück begrüßt.

Der Luxemburger Erzbischof Jean-Claude Hollerich (ganz links) und Stephan Ackermann, Bischof von Trier, haben die Prümer Wallfahrter in Echternacherbrück begrüßt.

Foto: TV/Christian Altmayer

Meyer ist ein sogenannter Brudermeister. Mit zwanzig weiteren seiner Zunft ist er für die Organisation der Tour zuständig und trägt außerdem Sorge, dass alles geregelt abläuft. Erkennen kann man ihn am Bruderstab. „Wo hasten den her?“, fragt ihn ein Kind. „Der ist vom Himmel gefallen“, erklärt Meyer. Stimmt aber nicht ganz, wie er später zugibt: Einst wurden die Holzstöcke mit dem Zierrat an der Spitze in der Familie weitergegeben – vom Großvater an den Vater, vom Vater an den Sohn, und so weiter. Heute laufe das anders ab. Wer Brudermeister werden wolle, sei bei den Prümer Pilgern willkommen, sagt Meyer. Auch Frauen habe man zugelassen, was offenbar lange Zeit undenkbar gewesen wäre. „Wir müssen eben mit der Zeit gehen“, sagt Meyer.

 Springprozession Pilger

Springprozession Pilger

Foto: TV/Christian Altmayer

Auch die Gebete seien mit den Jahren angepasst worden. Es gebe ja kein Regelwerk fürs Pilgerleben. Die Veranstalter seien allesamt Laien, weder einem Verein noch einer Kirchengemeinde verpflichtet. Das heißt auch: Jeder darf mitgehen – ob Katholik, Protestant, Muslim oder Atheist. Überhaupt scheinen die Wallfahrter wenig von straffer Organisation zu halten. Zwischen den Gebeten und Lobliedern gibt es Pausen. Dann gehen die Pilger zwar weiter, geben aber die Form auf. Stattdessen laufen sie kreuz und quer. Die einen hasten zum Wasserlassen in die Büsche, die anderen stellen sich zusammen und halten Schwätzchen. („Und, alles fit?“ „Klar, und selbst?“) Erst der erhobene Bruderstab sorgt für Ordnung, macht aus der Menschentraube wieder eine Prozession.

 Springprozession Pilger

Springprozession Pilger

Foto: TV/Christian Altmayer

Meyer meint, dass viele der Pilger, den Marsch antreten, um bekannte Gesichter wiederzusehen, sich auszutauschen. Höchstens die Hälfte, schätzt er, mache aus religiösen Gründen mit: „Vielen geht es um die Tradition, manchen um die sportliche Herausforderung.“ Apropos Herausforderung: Ganz vorne kommt einer ganz schön ins Schwitzen. Seit Waxweiler trägt Martin Möller eine der etwa drei Kilogramm schweren Fahnen mit dem Emblem der Springprozession. Das klingt erst mal nicht besonders schwer. „Wenn es windstill ist, geht’s“, keucht er. Wenn aber ein Luftzug den Stoff blähe, müsse er dagegen halten. Das spüre er vor allem in den Schultern, die Kilometer hingegen in den Füßen. Einige Meter hinter ihm baumelt eine Jakobsmuschel am Rucksack. Sie gehört der Münsterländerin Stefanie Wurzbacher.  Dass sie heute dabei ist, liegt an einem Versprechen, das sie vor Jahren einer Freundin gegeben hat. Die hatte ihren 60. Geburtstag gefeiert. Das Geschenk der Frauen, die heute mit ihr reisen: Jedes Jahr wolle man eine Etappe des Jakobsweges gehen. Im vergangenen Jahr hatten sie es bis Prüm geschafft. 2018 wollen sie von der Abteistadt nach Trier wandern. Wie es der Zufall will, liegt ein Stück ihres Weges auch auf dem Weg der Prümer nach Echternach. Also haben die Frauen sich angemeldet und es nicht bereut: „Wir haben so viele tolle Menschen kennengelernt, man hat uns wunderbar aufgenommen.“

Nach Santiago di Compostella haben die Nordrhein-Westfalen es bislang noch nicht geschafft. Pascal Sepp schon. Er macht auch seit 15 Jahren bei der Wallfahrt nach Echternach mit. Dabei ist der  Bleialfer gerade einmal 21 Jahre alt. Was einen so jungen Menschen am Pilgern reizt? „Es ist ein Eifelbrauch, den ich bewahren will.“ Außerdem gefalle ihm der Zusammenhaltl: „Alle haben ein gemeinsames Ziel.“ Und das ist inzwischen sogar in Sichtweite. Hinter den Baumwipfeln ragen die Türme der Echternacher Basilika empor. Was Sepps Freunde von der Pilgerei halten? „Nicht  viel“, sagt er und lacht. Er versuche zwar, sie zu motivieren. Aber das klappe bislang nicht so recht.

Das kann Organisator Meyer nachvollziehen. Er könne sich gut an die Wallfahrt aus einen Kindertagen erinnern: „Früher waren bestimmt dreimal so viele Pilger unterwegs.“ Am Wegesrand hätten ganze Dörfer gestanden und sie begrüßt. Heute haben sich nur wenige vor die Haustür gewagt. Ein Pärchen filmt den Tross vom Balkon aus mit dem Handy. Wie Meyer sich das gesunkene Interesse erklärt? Die Freizeitangebote seien heute andere, die Deutschen nicht mehr so gläubig: „Zum Glück haben wir noch Nachwuchs.“ Mehr junge Wallfahrer kommen bei der Grenzbrücke in Sicht. Sie strömen aus allen Ecken der Region ins Großherzogtum. Bald werden hier Eifeler und Nordrheinwestfalen, Moselaner und Hunsrücker zusammen springen. Die Prümer sind als erste an der Reihe. Warum? „Hat wohl irgendjemand mal festgelegt“, sagt Meyer: „Tradition!“

Weitere Fotos von der Prozession gibt es auf Seite 10 zu sehen

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