Umwelt Sprit teurer, Nahverkehr kostenlos: Luxemburg will Klima schützen

Luxemburg · Im Nachbarland soll der CO2-Ausstoß reduziert werden – auch durch Bio-Treibstoff. Umweltexperten sind skeptisch und sagen, dass die Pläne der Regierung nichts bringen.

 Beliebt bei deutschen Autofahrern: Die günstigen Preise für Benzin und Diesel in Luxemburg.

Beliebt bei deutschen Autofahrern: Die günstigen Preise für Benzin und Diesel in Luxemburg.

Foto: Friedemann Vetter

Luxemburg gibt Gas in Sachen Klimaschutz. Seit Anfang des Jahres gibt es an den Tankstellen fast ausschließlich nur noch das mit Bio-Ethanol versetzte E 10-Benzin. Dadurch soll der Ausstoß von klimaschädlichem CO2 reduziert werden. Ab Mai soll der Sprit teurer werden, um den Verbrauch zu drosseln. Die Steuern für Benzin sollen um einen, die für Diesel um zwei Cent erhöht werden (der TV berichtete). Laut einer Studie aus dem Jahr 2016 im Auftrag des luxemburgischen Verkehrsministeriums könnten dadurch die CO2-Emissionen durch Benzin um 3000 und durch Diesel bis zu 55 000 Tausend Tonnen reduziert werden. Umweltschützer halten allerdings wenig von dieser Maßnahme. Sie werde keinen Anreiz darstellen, „weniger Kilometer mit dem Wagen zu fahren, sich ein sparsameres Auto zuzulegen oder keinen Tankstopp in Luxemburg einzuplanen“, kritisiert die luxemburgische Umweltbewegung Mouvement Ecologique. „An der eigentlichen kastastrophalen Bilanz des Tanktourismus ändert diese Erhöhung absolut nichts“, lautet das Fazit der Umweltschützer. Allerdings sind laut der Studie weniger die klassischen Tanktouristen, die kurz mal zum Tanken und Kaffeekaufen über die Grenzen fahren, das Problem, sondern die LKW, die etwa von Belgien Richtung Frankreich durch Luxemburg fahren. Von den im Tank exportierten, also nicht im Land bleibenden Treibstoffen entfielen in früheren Jahren über 70 Prozent auf LKW-und 13 Prozent auf PKW-Diesel und 16 Prozent auf Benzin. Die reinen Tanktouristen würden zur Umwelt- und Gesundheitsbelastung in Luxemburg selbst nur „in marginalem Ausmaß“ beitragen, heißt es in der Studie.

Der Trierer Politikwissenschaftler und Luxemburg-Experte Wolfgang Lorig glaubt, dass die Regierung des Großherzogtums die „erheblichen Defizite bezüglich einer nachhaltigen Umweltpolitik  zur Kenntnis genommen hat“ und nun reagiert. Auch wenn diese erst „mittelfristig Erträge“ zeige, hält er die  Maßnahmen für geeignet, „die Belastungen der Umwelt einzuschränken“. Das sieht sein Luxemburger Kollege Markus Hesse kritischer. Er geht nicht davon aus, dass die Erhöhung der Spritpreise Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch haben wird. Auch sieht er keine Strategie, wie Luxemburg die zunehmenden Verkehrsprobleme in den Griff bekommen will. Den Plan, im kommenden Jahr den Nahverkehr kostenlos zu machen, hält er für keine gute Idee. „Das wird keine Auswirkungen auf die Umwelt haben“, sagt Hesse. Möglicherweise würden einige Fußgänger und Radfahrer dann sogar auf Busse umsteigen. Dadurch würde der CO2-Ausstoß aber nicht reduziert.

Nachholbedarf in Sachen Umweltschutz

Luxemburg hat sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt. Doch Kritiker bezweifeln, ob diese mit höheren Spritpreisen und kostenlosem Nahverkehr erreicht werden können.

Von Bernd Wientjes

Mit der Neuauflage der sogenannten Gambia-Koalition aus Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen ist der Umweltschutz noch stärker in den Fokus der luxemburgischen Politik gerückt. Erklärtes Ziel ist, bis 2030 die klimaschädlichen Treibhausgase um bis zu 55 Prozent und den Energieverbrauch um über 40 Prozent zu reduzieren. Luxemburgische Umweltschützer bewerten das zwar als positiv, kritisieren aber, dass nicht erkennbar sei, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Sie verweisen dabei unter anderem darauf, dass Luxemburg in Sachen erneuerbare Energien mit einem Anteil von gerade mal 6,4 Prozent im Jahr 2017 Schlusslicht in Europa ist.

Der Trierer Politikwissenschaftler Wolfgang Lorig sieht das weniger skeptisch. „Die Regierung des Großherzogtums hat die zum Teil erheblichen Defizite bezüglich einer nachhaltigen Umweltpolitik zur Kenntnis genommen und mit einer umfassenden umweltpolitischen Agenda in mannigfachen Politikbereichen reagiert.“

Schon vor Neustart des Regierungsbündnisses wurden unter anderem die Eindämmung des Tanktourismus´ und die Lösung der Verkehrsprobleme des Landes als erklärte Ziele verkündet. Als ein Mittel zur Reduzierung des Verkehrs und ein Beitrag zum Umweltschutz wurde schlagzeilenträchtig der kostenlose Nahverkehr angepriesen. Ab März kommenden Jahres sollen Busse und Bahnen in Luxemburg für alle Benutzer kostenfrei werden. Vor allem Premierminister Xavier Bettel von den Liberalen ließ sich für den Coup, über den weltweit berichtet wurde, feiern. Als sein Grünen-Verkehrsminister Francois Bausch Anfang des Jahres die Pläne etwas konkreter machte, sagte er aber, dass das Ganze weniger aus ökologischen denn aus sozialen Gründen gemacht werde. Er selbst geht nämlich nicht davon aus, dass durch den kostenlosen Nahverkehr deutlich mehr Luxemburger und Pendler auf Busse und Bahn umsteigen werden, zumal bereits jetzt die Ticket-Preise im Vergleich zu denen diesseits der Grenze sehr günstig sind. „Der kostenlose Nahverkehr wird keine Auswirkungen auf die Umwelt haben“, sagt auch der Luxemburger Politikwissenschaftler Markus Hesse. Im Gegenteil: Er befürchtet, dass einige Verkehrsteilnehmer, die jetzt umweltbewusst mit Fahrrad oder zu Fuß unterwegs sind, dann auf Busse und Bahn umsteigen werden. Doch bereits jetzt sei der Nahverkehr in Luxemburg am Limit. Noch sei unklar, wie ein mögliches Mehr an Fahrgästen aufzufangen wäre.

Hesse kritisiert, dass es keine Strategie für die Verkehrsprobleme in Luxemburg gebe. Er erinnert daran, dass täglich rund 200 000 Pendler aus Deutschland, Frankreich und Belgien im Nachbarland unterwegs sind. Auf die zielt auch die kürzlich von Finanzminister Pierre Gramegna verkündete Steuererhöhung für Sprit ab. Ab Mai sollen die Steuern auf Benzin um einen und die auf Diesel um zwei Cent erhöht werden. Um, so die Begründung, den Treibstoffverbrauch in Luxemburg zu drosseln. „Das wird keinen nennenswerten Effekt haben“, ist sich Hesse sicher. Den Tanktourismus werde man mit einem solchen, vergleichsweise geringen Preisanstieg nicht eindämmen. Zumal trotz allem der Preisunterschied zu den Tankstellen im deutschen Grenzgebiet auch nach der Erhöhung weiterhin so deutlich sein dürfte, dass sich Tanken in Luxemburg weiterhin lohnen dürfte. „Aus klimaschutzpolitischer Sicht ist diese Maßnahme schlichtweg irrelevant“, urteilt daher auch die Umweltbewegung Mouvement Ecologique. Damit dient das minimale Drehen an der Preisschraube wohl eher dazu, dass mehr Geld in die Staatskasse fließt. Laut einer Studie im Auftrag des luxemburgischen Verkehrsministeriums aus dem Jahr 2016 führt eine Preissteigerung beim Benzin um einen Cent zu einem Steuerplus von 1,7 Millionen Euro, zwei Cent mehr beim Diesel macht über elf Millionen Euro mehr bei den Steuern aus. Immerhin verdient der Staat durch die Tankstellen in Luxemburg nicht schlecht. Fast zwei Milliarden Euro beträgt das jährliche Steueraufkommen durch den Verkauf von Sprit, Tabak und Alkohol. Die Studie kam vor drei Jahren zu dem Schluss, dass der klassische Tanktourismus mit gerade mal 200 Millionen Euro an den Steuereinnahmen beteiligt ist. Der Export von Treibstoffen im Tank, also durch den Transit von LKW durch Luxemburg, spült aber das Gros der Mineralölsteuer ins Land. 50 Prozent des verkauften Diesels in Luxemburg fließt aus den Zapfsäulen an der Autobahn.

Allein an der Tankstelle Berchem an der Autobahn Richtung Frankreich werden jährlich über 260 Millionen Liter Sprit verkauft. Täglich tanken dort mehr als 1500 LKW an den 24 Diesel-Zapfsäulen. Die Shell-Station gilt als größte Tankstelle der Welt.

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