Wirtschaft Aus einem Guss und wie am Schnürchen

Weinsheim · Ein Spitzenjahr und beste Aussichten: Es läuft bei Stihl – auch am Eifel-Standort Weinsheim. Dort steht die größte Investition seit der Werksgründung 1971 an. Ein Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden Bertram Kandziora.

 Bertram Kandziora im Weinsheimer Werk – mit Schutzelementen für Trennschleifer, frisch gegossen.

Bertram Kandziora im Weinsheimer Werk – mit Schutzelementen für Trennschleifer, frisch gegossen.

Foto: TV/Fritz-Peter Linden

Was soll er da groß widersprechen: „Ist schon so“, sagt Bertram Kandziora mit Blick auf ein äußerst erfolgreiches Jahr für Stihl und erlaubt sich ein verhaltenes Lächeln. Der Vorstandsvorsitzende des Geräteherstellers aus Waiblingen ist zu Besuch im Weinsheimer Werk des Unternehmens, das in 160 Ländern 15 000 Menschen beschäftigt. Davon – Stand Januar – 693 in der Eifel. Es sollen noch deutlich mehr werden.

Weil es läuft bei der Stihl AG: Nach ohnehin stetig steigenden Umsätzen in den bisherigen Jahren kommt für 2017 ein kräftiger Sprung nach vorn dazu. Noch sind die Zahlen nicht offiziell, weil das Unternehmen sie erst im Frühling preisgeben wird. Aber Kandziora erwartet „ein Plus von fast 350 Millionen“. Das ist eine Steigerung um etwa zehn Prozent. Auf 3,8 Milliarden Euro.

 Gussteile ohne Ende: Im Weinsheimer Werk von Stihl.

Gussteile ohne Ende: Im Weinsheimer Werk von Stihl.

Foto: TV/Fritz-Peter Linden

Einer der Gründe: akkugetriebene Motorsägen und Gartengeräte. Wenn auch die Sägen für den Profi-Waldarbeiter noch nicht unbedingt in Frage kämen, trotz stetig steigender Leistung. Dennoch sei insgesamt bei elektrisch motorisierten Geräten die Nachfrage im vorigen Jahr „durch die Decke gegangen“, sagt Kandziora und spricht von einem „dreistelligen Prozentwert“. 2006 habe man mit der Entwicklung begonnen, 2009 verkaufte man die ersten Geräte, lange habe sich das Segment „moderat“ entwickelt. Jetzt aber ziehe das Geschäft gewaltig an: „Der Sprung ist gigantisch“, sagt Kandziora. Auch weil man Freischneider oder Heckenscheren jetzt für 129 Euro anbieten könne. Und das wirke sich alles direkt auf Weinsheim aus – „weil hier die Motorgehäuse gegossen werden“.

 Genug Grund für gute Laune: Stihl-Chef Bertram Kandziora.

Genug Grund für gute Laune: Stihl-Chef Bertram Kandziora.

Foto: TV/Fritz-Peter Linden

Nicht nur die: Hartmut Fischer, Geschäftsführer im Weinsheimer Werk, berichtet von einer Strebe, die man für den Motorraum im Audi A8 gieße, sogar einen Preis haben die Partner dafür gewonnen. Das Bauteil aus Magnesium sei 28 Prozent leichter als der Vorgänger aus Aluminium.

 Kandziora (vorn) mit dem Weinsheimer Geschäftsführer Hartmut Fischer.

Kandziora (vorn) mit dem Weinsheimer Geschäftsführer Hartmut Fischer.

Foto: TV/Fritz-Peter Linden

Dass das Weinsheimer Segment für externe Kunden weiter wachse, habe aber noch einen anderen Grund: In der Eifel wird stetig auch die Fertigung weiterentwickelt. So können sie dort „Nester“ gießen, also mehrere Bauteile gleichzeitig, bis zu 16 Stück. Da wird ein Teil sofort günstiger in der Herstellung, selbst bei höchstem Qualitätsanspruch.

Und da kann man dann auch gut höhere Löhne zahlen. Wir kommen auf den jüngsten Tarifstreit zu sprechen. Nach den Streiks der vergangenen Wochen – auch im Magnesium-Druckgusswerk Weinsheim – verkündeten die Verhandlungspartner für Baden-Württemberg Anfang der Woche in Stuttgart einen Pilotabschluss (der TV berichtete). Kaum jemand zweifelt daran, dass auch der Bezirk Mitte mit Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Hessen und Thüringen – den Abschluss übernehmen wird. Auch wenn, sagt Kandziora, vielleicht nicht alles „eins zu eins“ übertragen werde, gelte das aber doch für die Mechanismen, die nun ausgehandelt seien.

Es ist ein kompliziertes Werk, das sagen alle Beteiligten. Im Wesentlichen aber soll es 4,3 Prozent mehr Lohn geben, dazu Einmal- und Sonderzahlungen, die wiederum in freie Tage umgewandelt werden können. Oder aufgeschoben, je nach Situation des Betriebs.

Und es gibt mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten: Nach unten auf zeitweise 28 Stunden – für Beschäftigte, die kleine Kinder zu versorgen, Angehörige zu pflegen oder bereits viele Schichtjahre auf dem Buckel haben. Nach oben auf 40 Wochenstunden, sofern sich Betrieb und Mitarbeiter darauf einigen.

Wie gesagt: Im Detail ist alles noch komplizierter. Aber „das ist der vielzitierte, bahnbrechende Abschluss für die Zukunft“, sagt der Weinsheimer Betriebsratsvorsitzende Günter Meyer. Zwar hätte er sich, klar, mehr gewünscht (die Abeitnehmer hatten sechs Prozent mehr Lohn gefordert). „Aber so ist das bei einem Kompromiss.“ Und mit diesem „können beide Seiten gut leben“.

Bestes Timing also auch für den Besuch Kandzioras im Eifeler Werk. So wurde er dort nicht mit Trillerpfeifen begrüßt, sondern mit arbeitsamer Stille. Und in die hinein sagt er einen Satz, den man in der Eifel gerne hören wird: In Weinsheim sei „die größte Investitionssumme der Firmengeschichte“ geplant. Und zwar noch im laufenden Jahr. „Deutlich mehr als 20 Millionen Euro“ werde man am Standort ausgeben. Für neue Maschinen, die Einrichtung eines neuen Produktionsverfahrens, für An- und Neubauten. Das geplante, ebenfalls neue Logistikzentrum ist dabei noch nicht eingerechnet.

Zumal es da offensichtlich noch einen frischen Großauftrag eines sehr bekannten Kunden gibt – Kandziora und Fischer halten sich mit der Bestätigung zwar zurück, so viel aber, sagt Fischer, stehe fest: „Wir brauchen Leute.“ Und nicht zu wenige. Deshalb werbe man derzeit auch verstärkt um Facharbeiter (mehr unter www.magnesium.stihl.de/jobs).

Noch einmal zurück zu den Akkugeräten: Bei so viel Erfahrung in Entwicklung und Fertigung – warum nicht gleich in den Fahrzeugbau einsteigen? Machen andere doch auch? Bertram Kandziora lacht dann doch einmal etwas lauter und retourniert: „Schuster, bleib bei deinen Leisten.“

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