Tennis TV-Serie Spochtipedia: Die kleine Gemeinsamkeit mit Boris

Die 80er waren nicht nur Waldsterben, Tschernobyl, Netzhemd und Pet Shop Boys. Sie waren auch: nie gekannte Tennis-Euphorie. Einer von Millionen jungen Becker-Begeisterten in West-Deutschland war TV-Reporter Andreas Feichtner. Für Spochtipedia hat er nach Jahrzehnten noch mal einen Tennisschläger in die Hand genommen.

 Ein Bild aus den 80ern, das sich eingebrannt hat: Boris Becker hechtet in Wimbledon nach dem Ball. 1985 gewann er als jüngster Spieler aller Zeiten Wimbledon – und sorgte zugleich für einen nie gekannten Tennis-Boom in Deutschland.

Ein Bild aus den 80ern, das sich eingebrannt hat: Boris Becker hechtet in Wimbledon nach dem Ball. 1985 gewann er als jüngster Spieler aller Zeiten Wimbledon – und sorgte zugleich für einen nie gekannten Tennis-Boom in Deutschland.

Foto: picture alliance / Rüdiger Schra/Rüdiger Schrader

Die Einstimmung passt schon mal auf dem kurzen Weg in die Vergangenheit. „Take my breath away“, schmachtet es aus den Auto-Lautsprechern. Auf das Formatradio für die nicht mehr ganz so frühlingsfrische Zielgruppe ist Verlass: Der Song ist von 1986. „Berlin“, so nannte sich auch die Band, lag damals noch in zwei Staaten. Ich war damals 12 und sah mich gerüstet für die große Tenniskarriere, ich hatte schließlich eine unverkennbare Gemeinsamkeit mit Boris Becker, wenn auch nur diese: ein Ellesse-Schweißband am rechten Handgelenk. Wie der 17-jährigste Leimener aller Zeiten. Der hatte mit seinem Wimbledon-Sieg 1985 die halbe Klasse, ach, das ganze Westdeutschland irre gemacht. Tschernobyl-umweht, Becker-beseelt – das war mein 1986. Nach der Schule und vor dem Commodore 64-Tagesausklang gab’s für ein, zwei Sommer: Tennis, Tennis, Tennis. Roter Sand auf weißem Ivan-Lendl-Poloshirt. Ohne Erfolg, aber mit Spaß. Auf der Asche meiner Kindheit steht heute ein Aldi. Die ETuS-Plätze in Trier sind lange Vergangenheit.

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Wie sieht das nach über 30 Jahren aus, nach Dekaden ohne Tennisschläger in der Hand? Ohne Jugend, Idol, Schweißband? Das will ich testen. Tennislehrer Markus Grundhöfer macht mit und bringt mich ein bisschen auf Trab. Auch wenn es hier nicht ums Laufen geht, sondern um Schlagtechniken.

Dass Spieler deutlich jenseits der 30 noch mal Tennis lernen wollen – oder es sie nach jahrzehntelanger Abstinenz noch mal auf den Platz zieht, das ist für Markus Grundhöfer vom TC Trier absolut nichts Besonderes. „Wir erleben noch mal einen richtigen Boom“, sagt er. Vor allem ein neuer Kurs, „Fast Learning“, werde hervorragend angenommen. „Das ist eine neue Trainingsmethode, die zu schnellen Erfolgen führt – da werden schon im ersten Kurs über fünf Wochen und in zehn Stunden alle Schläge beigebracht“, sagt Grundhöfer, der in Trier auch Direktor des traditionellen Grand-Prix-Turniers ist, bei dem auch schon Wimbledonsieger Michael Stich spielte.

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Aber erst mal von vorne: die Vorhand. Richtige Griffhaltung, wie beim Händeschütteln – gut, das ist in Erinnerung geblieben. Der richtige Schwung muss her, die Schwungbewegung endet erst über der Schulter. Grundhöfer spielt mir Ball um Ball zu. „Mit weniger Kraft spielen“, ruft er, wenn mal wieder eine Vorhand meterweit ins Aus knallt. Aber nach ein paar Minuten habe ich den Eindruck, dass der Körper ein bisschen was aus dem Langzeitgedächtnis gekramt hat. Wenn ein Schlag mal halbwegs dort landet, wo er hingehen soll.

Bei der Rückhand sieht’s schlechter aus. Richtige Ausholbewegung, richtig zum Ball stehen, den Ball senkrecht zum Schläger treffen. „Und keinen Slice spielen“, sagt Grundhöfer. Mache ich dennoch immer, das bekomme ich nicht raus, vielleicht ist es eine Marotte vom Tischtennisspielen. Den kleinen Schläger hatte ich zumindest öfter mal in die Finger bekommen. Zack – ins Netz, der nächste in die Lüfte, aber dann mal ein satter Plopp: der kommt mal gut. Das ist zwar eine Ausnahme, aber es fühlt sich an wie früher, als die passablen Schläge nicht ganz so zufällig wie jetzt übers Netz zischten.

Nach einer Dreiviertelstunde weiß ich noch mal, was mir am Tennis einst gefallen hat: Den richtigen Schlag im richtigen Moment zu setzen, sich auf den Gegner einstellen. Das Glücksgefühl, ein schon verloren geglaubtes Match doch noch zu drehen.

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„Vorhand und Aufschlag kriegen Sie schnell wieder hin“, sagt Grundhöfer. Die Rückhand vernünftig hinzubekommen, das sei ein bisschen mehr Arbeit. Aber generell seien die Schläge im Tennis nicht allzu schwer zu lernen. Das in Bayern entwickelte „Fast Learning“-Programm wird in der Region aktuell nur beim TCT angeboten.

Und was vom kleinen Trip in die Kindheit bleibt? Lust auf mehr. Weil Tennis natürlich kein Retro-Sport ist, und der Sport vor der Ära Becker genauso viel Spaß gemacht hat wie währenddessen oder heute. Könnte sehr gut sein, dass ich schon vor 2048 wieder einen Tennisschläger in die Hand nehme.

Tennis in Trier , Spochtipedia-Serie
Foto: TV/privat
 Athletik und Kraft: Serena Williams beim Schlag.

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Foto: picture alliance / dpa/Mast Irham
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