Wissenschaft Von Liebe und dem Kampf um Aufmerksamkeit: Medienwissenschaft feiert Jubiläum an der Uni Trier

Trier · Die Trierer Medienwissenschaft feiert am Samstag ihr 20-Jähriges, das es ohne Professor Hans-Jürgen Bucher wohl nicht geben würde. Zeitgleich geht ein neues Web-Format der Studenten auf Sendung – mit dem Testbild als Logo, das vor 20 Jahren zum letzten Mal im Fernsehen lief.

 Vorhang auf: Die Medienwissenschafts-Studenten können am Samstag endlich ihr neues Online-Magazin veröffentlichen. Von links: Alexandra Zelaya, Cedric Fritsch, Chih-Chieh Shen, Laura Alwon, Johanna Pfaab, Matthias Köberlein, Carina Lennartz und Anna Diederichs.

Vorhang auf: Die Medienwissenschafts-Studenten können am Samstag endlich ihr neues Online-Magazin veröffentlichen. Von links: Alexandra Zelaya, Cedric Fritsch, Chih-Chieh Shen, Laura Alwon, Johanna Pfaab, Matthias Köberlein, Carina Lennartz und Anna Diederichs.

Foto: 1/Johanne Mayer

Rund 30 Studenten sitzen im Großen Hörsaal H-3 an der Uni Trier. Sie lauschen Professor Hans-Jürgen Buchers Ausführungen darüber, dass es früher üblich war, Zeitungen von vorne bis hinten komplett durchzulesen – so wie die meisten es heute nur noch mit Büchern machen. Rechts neben ihm ploppt auf einer großen mit Twitter vernetzten Leinwand auf: „Ich liebe dich“. Ein bisschen Gelächter und ein bisschen schamrote Wangen gibt es. Nein, nicht der Dozent ist gemeint, die Aufmerksamkeit hat eine junge Studentenliebe. Bucher moderiert die digitale Romanze gekonnt ab und fährt weiter mit seinem Lehrstoff. Beim Aufmerksamkeits-Management kennt er sich aus, schließlich ist es das begehrteste Gut in der neuen durchs Internet geprägten Medienwelt, wie er sagt.

Die Nachricht erschien auf Buchers „Twitter-Wall“ – die genauso wie die 20-jährige Medienwissenschaft mit zehn Jahren ein Julibäum feiert: Die Studenten können darüber Fragen stellen, indem sie per Smartphone an eine Internetadresse des sozialen Mediums schreiben. Und der Text erscheint dann prompt auf der Leinwand im Hörsaal. „Es muss auch mal Spaß geben dürfen“, sagt der 64-Jährige zu den kleinen Twitterperlen. So eine Twitter-Wall gibt es an der Uni Trier nur beim Medienwissenschaftsprofessor.

Das ist ein Beispiel, wie sich das Internet und die Digitalisierung auf das Fach ausgewirkt haben. „Seit Erfindung des Buchdrucks hat es nie mehr Dynamik bei den Medien gegeben als durch das Internet. Dem musste sich das Fach stellen“, schaut Bucher auf die letzten zwei Dekaden zurück. 1997 übernahm er die erste Professur an der Trierer Uni für das Fach, ein Jahr später folgte mit Professor Martin Loiperdinger die nächste. Seitdem ist viel passiert: Etwa die Bologna-Reform hat das Studium stark verändert. „Studenten schauen danach, wo kriege ich am schnellsten Punkte her, zulasten einer größeren medienbezogenen Allgemeinbildung“, sagt Bucher.

Was waren für ihn die Höhepunkte in seiner wissenschaftlichen Laufbahn? Er nennt eine große Studie zum lokalen Fernsehen. Über zwei Jahre produzierte die Medienwissenschaft Sendungen verschiedener Art, wie ein Gesundheitsmagazin. Das Ergebnis dieser Studie: In Trier würden die meisten Anwohner einen lokalen Fernsehsender als Bereicherung empfinden, allerdings ließe sich das nicht finanzieren, resümiert Bucher. Der Wissenschaft wirft man gerne vor, ein abgeschlossener Kosmos zu sein, als werkelten die Forscher oben auf dem Petrisberg für sich in stillen Kämmerlein. Nicht nur das zuletzt genannte Beispiel zeige den Drang zur Vernetzung mit der Region, wirft Bucher ein. Ihm fallen viele weitere Beispiele ein, wie etwa Projekte mit lokalen Schulen zur Internetsicherheit mit sozialen Medien.  An der Universität entdeckt man kurz vor der  großen Jubiläumsfeier am Samstag (siehe Info), 27. Januar, noch keine Luftschlangen oder Hinweise auf das Fest, obwohl illustre Gäste wie Katarina Barley (SPD) mitfeiern.

Umso stärker wird das Fach ab Samstag an die Öffentlichkeit treten und den Kampf um Aufmerksamkeit im Netz mit einer neuen Plattform angehen. Dabei steht die Beliebtheit des Fachs außer Frage: Die Medienwissenschaft ist eines der wenigen Fächer der Uni mit steigenden Studierendenzahlen. Ab Samstag gibt es dann ein Online-Magazin mit Infos rund ums Fach, an dem 13 Studierende ein ganzes Semester gearbeitet haben. Wie in einer kleinen Redaktion gab es Spezialisten für Programmierung, Fotografie oder die Texte.

Als Logo prangt ein Testbild auf dem Bildschirm der Homepage. Ist das nicht total von gestern, wenn gar nichts mehr im Fern lief? „Ja richtig, es zeigt aber gerade, wie rasant sich Medien im und deren Untersuchung in den letzten 20 Jahren gewandelt haben“, sagt Student Jonas Warlich (25). Und es lief vor 20 Jahren das letzte Mal beim Hessischen Rundfunk, als passenderweise die Ära der Trierer Medienwissenschaft begann.

 Hans-Jürgen Bucher freut sich auf das große Jubiläum.

Hans-Jürgen Bucher freut sich auf das große Jubiläum.

Foto: privat/Johanne Mayer

Was man dort findet? Etwa eine Weltkarte. Fährt man mit dem Mauszeiger über die Nationen, blenden Absolventen mit der jeweiligen Herkunft auf, oder Videoporträts der Dozenten. Die erzählen von alkoholischen Vorlieben bis zu Fachlichem. In der großen Informationsflut, der wir im Internet ausgesetzt sind, lässt sich damit für Studieninteresssierte aus aller Welt ein Einblick gewinnen, wie ein Studium in Trier aussieht. Was sagen die Studierenden selbst über ihr Projekt? „Die Arbeit ist eine coole Sache, wir haben nun ein schönes Produkt – es war aber auch sehr zeitaufwendig“, sagt Johanna Pfaab (22) aus Trier. Katharina Christ (24) aus der Nähe von Koblenz schätzt diese Möglichkeit sehr: „Innerhalb kürzester Zeit habe ich durch die Praxisorientierung mehr gelernt, als in anderen Seminaren.“ In Zukunft wird es eine neue Mannschaft bei den Trierer Medienwissenschaften richten (müssen), denn Martin Loiperdinger und Hans-Jürgen Bucher werden zeitnah aus Altersgründen das Fach verlassen. Mit dem Todesfall von Professor Klaus Arnold hat das Fach im letzten Jahr einen Eckpfeiler verloren. Zum Zeitenwandel der Lehrenden gibt es zwei neue Lehr-Schwerpunkte: „Digitale und audiovisuelle Medien“ sowie „Journalismus und öffentliche Kommunikation“. Die Medienwissenschaft bleibt also spannend, und über die Webpräsenz des Fachs gibt es ab morgen auch den Link zum neuen Magazin, das den Wandel der Medienwissenschaft dokumentieren wird.

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