Erderhitzung TV-Serie Klimaschutz konkret –Wenn das Eis schmilzt, wird es noch wärmer

Trier · So fern Arktis und Antarktis auch sind – was dort derzeit passiert, wird auch hier bei uns Folgen haben.  Auszüge aus dem Buch „Kleine Gase – Große Wirkung: Der Klimawandel“.

 2Sp Kleine Gase große Wirkung 1

2Sp Kleine Gase große Wirkung 1

Foto: TV/Schramm, Johannes

Lange Zeit schien der Klimawandel vielen weit, weit weg. Nichts, das etwas mit ihrem eigenen Leben zu tun hätte. Etwas, das Eisbären betrifft. Gletscher. Und kleine Inselstaaten mit unaussprechlichen Namen. Inzwischen hat sich auch in der breiten Bevölkerung die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Klimawandel keineswegs weit weg ist. Dürre, Hitze, Starkregen, Stürme, Überschwemmungen, neue Schädlinge, frühe Ernten, nicht enden wollende Bade-Saisons oder Spitzen-Weinjahrgänge zeigen, wie sehr er das Leben der Menschen auch in Mitteleuropa beeinflusst.

Und trotzdem macht er sich nirgends so deutlich bemerkbar wie dort, wo das Eis schmilzt. Das passiert meist tatsächlich in Regionen, die weit, weit weg sind. Die Folgen des großen Schmelzens könnten jedoch alle Menschen auf diesem Planeten treffen. Nicht nur, weil der Meeresspiegel steigt. Sondern auch, weil das Verschwinden des Eises Prozesse in Gang setzt, die den Temperaturanstieg noch beschleunigen.

In dem Buch „Kleine Gase – Große Wirkung: Der Klimawandel“ beschreiben der gebürtige Moselaner David Nelles und sein Studienkollege Christian Serrer anschaulich Ursachen und Folgen der Erderwärmung. Dank der Unterstützung von rund 100 Klimawandel-Forschern sind alle Informationen wissenschaftlich fundiert. Folgendes haben Nelles und Serrer über die Regionen der Erde zusammengetragen, die mit Schnee und Eis bedeckt sind – oder dies zumindest waren, bis es dem Eis zu warm wurde:

Arktis

Meereis entsteht durch Gefrieren von Meerwasser. Es hat eine geringere Dichte als Meerwasser und schwimmt deshalb an der Wasseroberfläche. Es kann mehrere Meter dick werden, wobei nur etwa zwölf Prozent des Meereises aus dem Wasser ragen.

 4Sp Kleine Gase große Wirkung

4Sp Kleine Gase große Wirkung

Foto: TV/Schramm, Johannes

In der Arktis lassen sich die Folgen des Klimawandels besonders deutlich erkennen, da hier die Lufttemperatur deutlich stärker steigt als die durchschnittliche Lufttemperatur der gesamten Erde. Von 1979 bis 2016 ging die Fläche des Meereises der Arktis, gemessen jeweils im September, um ca. 43 Prozent zurück. Dies entspricht einem jährlichen Rückgang einer Fläche, die größer ist als Österreich. Im gleichen Zeitraum reduzierte sich auch die Eisdicke, sodass das Volumen um ca. 77 Prozent abgenommen hat, was den gesamten Eisverlust des Meer­eises der Arktis verdeutlicht. Würde man diese Menge Eis über Deutschland verteilen, so wäre Deutschland mit einer über 33,5 Meter hohen Eisschicht bedeckt.

Eis-Albedo-Rückkopplung

 6Sp Kleine Gase große Wirkung

6Sp Kleine Gase große Wirkung

Foto: TV/Schramm, Johannes

Oberflächen haben die Eigenschaft, einen gewissen Anteil der auftreffenden Strahlung zu reflektieren. Beispielsweise reflektiert Schnee mehr Einstrahlung als eine waldbedeckte Fläche. Der Anteil der reflektierten Strahlung wird als Albedo bezeichnet.

Schnee und Eis reflektieren einen hohen Anteil der einfallenden Strahlung zurück ins Weltall (hohe Albedo). Schmilzt eine mit Schnee oder  Eis bedeckte Oberfläche durch höhere Temperaturen, wird die sich darunter befindende, meist dunklere Fläche – zum Beispiel Wasser oder Gestein – freigelegt. Diese reflektiert nun deutlich weniger Strahlung (geringe Albedo) und erwärmt sich. Folglich nimmt auch die Erwärmung der Erde weiter zu, was zu einer noch größeren Schnee- und Eisschmelze und einer zusätzlichen Erwärmung führt. Dieser sich selbst verstärkende Prozess wird als Eis-Albedo-Rückkopplung bezeichnet. Der Eis-Albedo-Rückkopplungseffekt spielt besonders in der Arktis eine wichtige Rolle. Durch ein vermehrtes Abschmelzen des Meereises im arktischen Sommer wird deutlich mehr Wärme vom Ozean aufgenommen als es bei Eisbedeckung der Fall wäre. Durch den entsprechend wärmeren Ozean schmilzt das Eis nun nicht nur durch die Sonneneinstrahlung, sondern auch vermehrt aufgrund des wärmeren Meerwassers, was den Schmelz-Effekt zusätzlich verstärkt. Also: Durch das Schmelzen von Schnee und Eis wird die Erwärmung der Erde verstärkt.

Landeis

Eine der bekanntesten Auswirkungen des Klimawandels dürfte der Rückgang von Gebirgsgletschern und Eiskappen sein. Höhere Temperaturen und lokal unterschiedliche Faktoren – wie die jährliche Schneefallmenge – wirken sich auf den Gletscherrückgang aus. Doch Gebirgsgletscher und Eiskappen machen nur einen kleinen Teil der weltweiten Eismassen aus. Der größte Teil – mehr als 99 Prozent der weltweiten, sich auf Land befindenden Eismasse – stellen die Eisschilde Grönlands und der Antarktis dar. Fast alle weltweit beobachteten Gletscher verlieren langfristig an Masse.

Aber nicht nur Gletscher ziehen sich zurück, sondern es liegt auch immer weniger Schnee auf der Nordhalbkugel. Von 1966 bis heute sind im Schnitt jedes Jahr ca. 213 km2 weniger Land mit Schnee bedeckt als im Vorjahr.

 Logo_Klimaschutz_konkret

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Foto: TV/Schmitz, Alexandra

Grönlandeis

Anders als das Meereis der Arktis befindet sich der Grönländische Eisschild auf Land. Durch sein Schmelzen steigt der Meeresspiegel. Würde die gesamte Masse des Eisschildes „verloren“ gehen, hätte dies eine Erhöhung des Meeresspiegels um mehr als sieben Meter zur Folge. Zwischen 2002 und 2016 sorgte der Massenverlust des Grönländischen Eisschilds für einen jährlichen Anstieg des Meeresspiegels von ca. 0,8 Millimeter. Dies entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Massenverlust von etwa 280 Gigatonnen (280 Milliarden Tonnen) Eis. Er entsteht hauptsächlich durch das vermehrte Kalben von Eisbergen und durch das Schmelzen des Eises auf der Oberfläche. Dabei gilt es zu beachten, dass der Grönländische Eisschild in den letzten Jahren immer schneller an Masse verlor.

Antarktis

Die Antarktis ist vom größten Eisschild der Erde bedeckt. Der Großteil des Eises der Antarktis befindet sich dabei auf Land. Ein weiterer, damit verbundener Teil ist als schwimmendes Schelfeis den Küsten vorgelagert. In der Antarktis gibt es so viel Eis, dass durch ein Schmelzen des gesamten Eisschildes der Meeresspiegel um etwa 58 Meter steigen würde. Anders als in der Arktis nahm die Fläche des Meereises von 1979 bis 2016 im jährlichen Durchschnitt um 0,16 Prozent zu. Im Gegensatz dazu verliert der Eisschild insgesamt an Masse: Während sich in der Ostantarktis durch vermehrten Schneefall eine leichte Zunahme des Inlandeises beobachten lässt, verliert es in der Westantarktis an Masse. Dieser Massenverlust ergibt sich zum größten Teil dadurch, dass in der Westantarktis die Schelfeise durch relativ wärmeres Meerwasser schmelzen. In Folge dessen wird das aus dem Inland strömende Eis weniger stark zurückgehalten. Dadurch erhöht sich die Fließgeschwindigkeit der Eisströme aus dem Inland, wodurch diese mehr Eis in den Ozean transportieren können als durch Schneefall neu gebildet wird. Da an vielen Stellen der Westantarktis das Eis zum Inland hin immer tiefer auf Land unterhalb des Meeresspiegels aufsitzt, erhöht sich bei einem Rückgang des Eises auch die Angriffsfläche für wärmeres Meerwasser. Dies kann den Schmelzprozess und folglich die Fließgeschwindigkeit der Eisströme immer weiter beschleunigen.

Insgesamt ergibt sich von 2003 bis 2016 ein jährlicher Massenverlust des Inlandeises von etwa 141 Gigatonnen (141 Milliarden Tonnen) Eis.

Eisschmelze und Meeresspiegelanstieg

Wie der Name Landeis bereits sagt, wird unter diesem Begriff jenes Eis verstanden, das sich auf dem Land befindet. Schmilzt dieses Eis, so fließt das Schmelzwasser ins Meer und sorgt für eine Erhöhung des gesamten Meeresspiegels. Ein Schmelzen des gesamten Landeises hätte einen Anstieg des Meeresspiegels von etwa 66 Metern zur Folge. Anders verhält es sich mit Meer- und Schelfeis, welches sich bereits im Wasser befindet. Hat Wasser und sich darin befindendes Eis den gleichen Salzgehalt, so entsteht beim Schmelzen des Eises genau so viel Wasser, wie zuvor durch dieses verdrängt wurde. Aufgrund des unterschiedlichen Salzgehaltes von Meer- und Schelfeis auf der einen Seite, und dem Meerwasser auf der anderen Seite verdrängt das Eis allerdings etwas weniger Wasser als beim Schmelzen entsteht. Deshalb würde das Schmelzen des gesamten Meer- und Schelfeises zu einem leichten Meeresspiegelanstieg von ca. vier Zentimetern führen. Mit ca. 3,6 Zentimetern trägt Schelfeis den größten Anteil dazu bei. Das Schmelzen des Meereises der Arktis hat damit kaum Einfluss auf den Meeresspiegelanstieg.

Permafrost

Unter Permafrost versteht man Untergrund, welcher über mindestens zwei Jahre hinweg Temperaturen von 0 Grad Celsius oder weniger aufweist. Durch die globale Erwärmung beginnt der Permafrost im Polarsommer länger und tiefer zu tauen. In ihm wurden über Tausende von Jahren Tier- und Pflanzenreste konserviert. Taut der Permafrost auf, sind diese den mikrobiologischen Zersetzungsprozessen ausgesetzt. Diese wandeln den in den Pflanzen und Tieren enthaltenen Kohlenstoff in Kohlenstoffdioxid (CO2) und Methan (CH4) um, die nun in die Atmosphäre gelangen können. Infolge höherer Temperaturen kommt es aber auch zu vermehrtem Pflanzenwachstum. Kurzfristig können die Pflanzen mehr CO2 aufnehmen als durch das Tauen freigesetzt wird – langfristig jedoch nicht.  Das verstärkt die Erwärmung der Erde zusätzlich und sorgt dadurch für ein weiteres Tauen des Permafrosts. Dieser sich selbst verstärkende Prozess wird als Permafrost-Kohlenstoff-Rückkopplung bezeichnet. Dadurch kann sich die Erde schneller erwärmen als man es nur durch menschliche Emissionen erwarten würde. Also: Das Tauen des Permafrosts setzt Treibhausgase frei und verstärkt die globale Erwärmung.

Weitere Folgen des tauenden Permafrosts

Gefrorenes Wasser hält den Permafrost stabil. Durch ein Auftauen des Permafrosts wird der Untergrund instabil und es kann zu Schäden an der Infrastruktur kommen; beispielsweise an Gebäuden, Pipelines oder dem Verkehrsnetz. Der instabile Boden kann zudem auch Erdrutsche begünstigen. Permafrost in Gebirgen, wie den Alpen, hat einen stabilisierenden Effekt auf Felshänge; ein Auftauen kann hier zu vermehrten Felsabbrüchen führen. Auch kommt es durch das Tauen des Permafrosts in Kombination mit dem sich verringernden Meereis und dem Anstieg der Luft- und Meerestemperatur zu verstärkter Küstenerosion. Diese schreitet immer schneller voran und beträgt im Durchschnitt 0,5 Meter pro Jahr, wobei es dabei große Unterschiede gibt; so verzeichnen beispielsweise einige Küsten in Alaska einen jährlichen Rückgang von durchschnittlich 13,5 Meter.

Die Texte und Grafiken stammen aus dem Buch: „Kleine Gase – Große Wirkung: Der Klimawandel“ von David Nelles und Christian Serrer, fünf Euro ISBN: 978 - 3 - 9819650 - 0 - 1.

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