Justiz Wegweisendes Urteil: Trierer Ärztekammer zieht den Kürzeren

Trier · Das Verwaltungsgericht hebt nach Klage eines Mediziners einen Beitragsbescheid auf. Ein Kammerkritiker ist sicher: Dieses Urteil hat Signalwirkung.

 Inwiefern das Trierer Urteil Auswirkungen auf die künftige Höhe der Beiträge zur Ärztekammer hat, wird noch geprüft .

Inwiefern das Trierer Urteil Auswirkungen auf die künftige Höhe der Beiträge zur Ärztekammer hat, wird noch geprüft .

Foto: dpa/Jens Büttner

Erfolg für den Trierer Orthopäden Dr. Wolfram Ortlieb: Seine Klage gegen einen Beitragsbescheid der Bezirksärztekammer aus dem vergangenen Jahr war erfolgreich. Das Trierer Verwaltungsgericht hat den Bescheid über 674 Euro aufgehoben, bestätigten Sprecher von Kläger und Kammer auf Anfrage unserer Zeitung. Eine offizielle Mitteilung des Gerichts liegt noch nicht vor. Bislang wurde beiden Parteien nur der Tenor des Urteils bekanntgegeben.

Der Trierer Mediziner Ortlieb hatte gegen den Beitragsbescheid geklagt, weil die Bezirksärztekammer zu viel Geld angehäuft und von ihren Mitgliedern deshalb zu hohe Beiträge verlangt habe (TV vom  22. Juni). „Die Bezirksärztekammer hat Hunderttausende zu viel angehäuft, auch wenn sie nicht die schlimmste im Revier ist“, meinte seinerzeit Kai Boeddinghaus. Der Geschäftsführer des Bundesverbands für freie Kammern (bffk) ist deutschlandweit in Sachen vermeintlich überzogene Beitragsbescheide unterwegs, hat in Trier in der Vergangenheit auch schon IHK-Mitglieder bei ihren Klagen rechtlich beraten.

Bislang gab es bundesweit erst eine Handvoll Ärzteklagen gegen vermeintlich zu hohe Beitragsbescheide. Zwei bayerische Verwaltungsgerichte entschieden zugunsten der jeweiligen Ärztekammer, in zwei weiteren Fällen stehen die Entscheidungen noch aus. In Trier ist sie jetzt zugunsten des klagenden Orthopäden gefallen.

Die Argumente der klagenden Mediziner sind vergleichbar mit denen, die in der Vergangenheit auch Pflichtmitglieder von Handwerks- oder Industrie- und Handelskammern ins Feld geführt hatten. Die Beiträge seien überhöht, weil die Kammern Vermögen angehäuft oder zu hohe Rücklagen gebildet hätten.

Der bffk-Geschäftsführer zeigte sich bereits unmittelbar nach der Verhandlung in Trier „verhalten optimistisch“. Sein Eindruck sei, dass die Richter in Trier etwas genauer hinschauten als ihre Kollegen in Bayreuth oder Würzburg, sagte Kai Boeddinghaus unserer Zeitung.

Justiz: Wegweisendes Urteil: Trierer Ärztekammer zieht den Kürzeren
Foto: Kai Boeddinghaus/Studio Blofield

Der Eindruck täuschte nicht. „Das ist ein Durchbruch“, kommentierte Kammerkritiker Boeddinghaus am Dienstag das Urteil des Trierer Verwaltungsgerichts. Der bffk-Geschäftsführer geht davon aus, dass das Urteil Signalwirkung auf zukünftige Entscheidungen haben werde. Bei den Industrie- und Handelskammern habe man auch die ersten Prozesse verloren, bis dann ein Gericht nach dem nächsten anders entschieden habe.

Der Geschäftsführer der Bezirksärztekammer, Paul Hauschild, sagte, bevor über weitere Schritte nachgedacht werde, warte man erst die Urteilsbegründung des Gerichts ab. Erst danach werde auch entschieden, ob das Urteil Auswirkungen auf die zukünftige Beitragsveranlagung der 2600 Mitglieder habe. Niedergelassene Ärzte zahlen nach Angaben des Kammergeschäftsführers derzeit durchschnittlich 441 Euro im Jahr, angestellte Mediziner 250 Euro. Ausschlaggebend für die Höhe des Jahresbeitrags ist der Verdienst.

Kammerkritiker Boeddinghaus und Mediziner Ortlieb kämpfen auch noch an einer anderen Front gegen die Standesvertretung der Ärzte. Der Trierer Orthopäde hat nämlich auch den zwei Jahre alten Beitragsbescheid der Landesärztekammer angefochten. Laut Boeddinghaus wurde der Beitragsentscheid über 225 Euro nach längerem juristischen Tauziehen inzwischen zwar aufgehoben. Das Geld sei allerdings bis heute nicht zurücküberwiesen worden. Jetzt werde man die Landesärztekammer auf Rückzahlung des Geldes verklagen, kündigte Boeddinghaus am Dienstag im Gespräch mit unserer Zeitung an. Für die Jahre 2017 und 2018 habe der Trierer Arzt erst gar keinen Bescheid mehr bekommen.

Eine Sprecherin der Landesärztekammer hatte die Angaben des bffk-Geschäftsführers vor anderthalb Wochen als nicht zutreffend bezeichnet. Den Bescheid für das Jahr 2016 habe man „wegen der langen Verfahrensdauer im Interesse des Mitglieds und als kulanten Ausnahmefall nicht weiterverfolgt“.

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