Landwirtschaft Wenn die Jungen auf dem Hof nicht ran dürfen

Bitburg/Wittlich/Berlin · Ältere Bauern müssen ihre Höfe nun nicht mehr abgeben, um Rente zu bekommen. Das hat der Bundestag beschlossen. Junge Bauern fürchten, dass sie so nicht mehr zum Zuge kommen.

 Auf dem Smartphone Kühe melken und Karotten ernten: Beim Spiel „Stardew Valley“ wird der virtuelle Traum vom eigenen Bauernhof wahr. Das Spiel begeistert schon seit einiger Zeit PC- und Konsolen-Spieler und ist nun auch für Smartphones erhältlich. Das Ziel der Spieler ist es, einen alten Hof auf Vordermann zu bringen. Abseits des Spiels fürchten jüngere Landwirte, dass ihnen dieser Traum in der Realität verwehrt bleibt, weil Ältere nun auch dann Rente bekommen, wenn sie ihren Hof weiter bewirtschaften.

Auf dem Smartphone Kühe melken und Karotten ernten: Beim Spiel „Stardew Valley“ wird der virtuelle Traum vom eigenen Bauernhof wahr. Das Spiel begeistert schon seit einiger Zeit PC- und Konsolen-Spieler und ist nun auch für Smartphones erhältlich. Das Ziel der Spieler ist es, einen alten Hof auf Vordermann zu bringen. Abseits des Spiels fürchten jüngere Landwirte, dass ihnen dieser Traum in der Realität verwehrt bleibt, weil Ältere nun auch dann Rente bekommen, wenn sie ihren Hof weiter bewirtschaften.

Foto: dpa-tmn/Chucklefish

Das Wort mag ja entsetzlich langweilig klingen: „Hofabgabeklausel“. Doch verbirgt sich dahinter sozialer Sprengstoff, der junge und alte Landwirte in zwei Lager spaltet. Ende November hat der Bundestag entschieden, dass die seit Jahren umstrittene Klausel rückwirkend zum 9. August 2018 abgeschafft wird. Und das dürfte in der Landwirtschaft erhebliche Folgen haben: für junge Bauern, für alte Bauern, für den ganzen Berufsstand und womöglich selbst für Bodenpreise und Landschaften.

Denn besagte Klausel hat ältere Landwirte bisher dazu gezwungen, ihre Höfe an Nachfolger abzugeben. Taten sie dies nicht, erhielten sie auch nicht die Hilfsrente, die sie ihr Berufsleben lang mit monatlichen Zahlungen angespart hatten. Zwar ist diese Altershilfe weder von den Beiträgen noch von der Höhe her mit einer gesetzlichen Rente zu vergleichen. Für viele Landwirte ist sie aber dennoch ein wichtiges Zubrot zu ihrer privaten Altersvorsorge. Also haben die meisten ihre Höfe tatsächlich an einen Jungbauern abgegeben – oder zumindest familienintern verpachtet, um an das Geld heranzukommen.

Schon lange gab es Proteste gegen diese Vorschrift, die einst eingeführt worden war, um dafür zu sorgen, dass junge Bauern überhaupt eine Chance haben, an Land und Gehöfte zu kommen. Einer, der seit Jahren für die Abschaffung der Regelung gekämpft hat und sich nun freut, ist Günter Hunsicker aus dem Saargau-Dorf Fisch. „Das Eigentum ist ein hohes Gut“, sagt er und zieht folgenden Vergleich: „Wo kämen wir hin, wenn man seine leerstehende Wohnung vermieten müsste, um die Rente zu bekommen?“ Eine Sichtweise, mit der Hunsicker nicht allein ist: Das Bundesverfassungsgericht hatte die Hofabgabeklausel am 9. August 2018 für verfassungswidrig erklärt. Der Bundestag hat dem nun Rechnung getragen. Nicht nur die Alters-, auch die Erwerbsminderungs- und die Hinterbliebenenrente werden künftig gewährt, ohne dass Bauern ihren Hof dafür aufgeben müssen.

Hunsicker, der auch für den Verein landwirtschaftlicher Fachschulabsolventen Saarburg spricht, empfindet Genugtuung. War es aus seiner Sicht doch ungerecht, dass ein Schreiner seinen Betrieb auch im Rentenalter fortführen konnte, ein Bauer jedoch nicht.

Mögen die Älteren sich nun auch freuen. „Für die jungen Leute ist das von erheblichem Nachteil“, glaubt Manfred Zelder vom Bauern- und Winzerverband Bernkastel-Wittlich. „Bauern trennen sich sehr ungern von ihren Betrieben und wurschteln womöglich bis zum 80. vor sich hin“, sagt Zelder. Junge kämen dann nicht zum Zuge.

 Mit dem Pflug unterwegs. Eine Gesetzesänderung könnte der ganzen Landwirtschaft große Umbrüche bringen.

Mit dem Pflug unterwegs. Eine Gesetzesänderung könnte der ganzen Landwirtschaft große Umbrüche bringen.

Foto: dpa/Jens Büttner

Das fürchtet auch Benjamin Purpus, Vorsitzender der Landjugend Rheinland-Nassau. „Viele Ältere haben Angst vor Veränderung und geben das Zepter ungern weiter.“ Sein Bedenken ist, dass Bauern darauf beharren, auch im Rentenalter Betriebsleiter zu bleiben. Der 30-jährige Purpus nimmt sich selbst als Beispiel: Wenn sein jetzt 55-jähriger Vater mit 65 in Rente geht, dann ist Purpus 40. Aber was, wenn ein junger Landwirt noch zehn, fünfzehn Jahre länger warten soll, ehe er selbst Chef sein kann. Welche Bank leiht einem über 50-Jährigen noch 1,5 Millionen Euro für einen Kuhstall mit Melkroboter? „Ich habe Angst, dass die jüngere Generation so die Lust verliert“, sagt der Landwirt. Die Betriebe, die dann noch übrig blieben, würden immer größer – und die familiäre Landwirtschaft werde zurückgedrängt, fürchtet Purpus.

Andere fragen sich, welche Auswirkungen es auf die Krankenkassenbeiträge hat, wenn die Bauernschaft – die im Schnitt ohnehin schon älter ist als andere Erwerbstätige – vergreist. Oder wie schwierig es künftig sein wird, Land zu kaufen oder zu pachten. Schon jetzt sind gute Flächen stellenweise rar – und die Preise steigen. Bauernpräsident Michael Horper geht davon aus, dass die Prämien, die für Brach-, Öko- oder Ausgleichsflächen gezahlt werden, es für ältere Landwirte attraktiv machen, diese Flächen zu behalten. Und genau da will Purpus ansetzen: Er fordert, dass solche Subventionen für über 65-Jährige gestrichen werden.

Eine Regelung, mit der viele ältere Bauern wohl ähnlich unglücklich wären wie mit der nun abgeschafften Hofabgabeklausel.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort