Kulinarisches Serie Heimat-Genuss: Wo die Forelle noch wirklich blau ist
Dudeldorf · In der Torschänke in Dudeldorf gibt es bodenständige Küche mit Pfiff. Die Speisekarte schreibt der Chef höchstpersönlich alle 14 Tage in Schönschrift neu.
Josef Cillien sitzt an der Theke und schreibt die neue Speisekarte mit Feder und Filzstift. Ein kalligraphisches Meisterwerk. „Nur die Holländer können die meist nicht gut lesen“, sagt er. Alle 14 Tage ändert der Chef der Torschänke in Dudeldorf die Gerichte „damit Bewegung auf der Karte ist“. In dieser Woche gibt es zum Beispiel „Gefüllte Kaninchenkeule mit Aprikosen und Salbei auf Bauernspaghetti mit buntem Salat“, „Monschauer Senfsuppe mit Streifen vom geräucherten Rinderschinken“ und „Heiße Apfelklöße mit Vanilleeis und Zimtzucker“.
Eine Spezialität des Hauses, die immer auf der Karte steht. Genau wie das Schweinerückensteak. Ein Torschänken-Klassiker. Ansonsten kreiert das Ehepaar Cillien die Gerichte nach Saisonangebot mit Produkten aus der Region. „Unser Rinderfilet und Roastbeef beziehen wir von einem Bauernhof aus Spangdahlem, die Kräuter haben wir im Garten, genau wie das Obst. Und frische Forellen bekommen wir immer dienstags von der Klosterfischerei Himmerod“, sagt Josef Cillien.
Immer dienstags gibt es in der Torschänke ab 17 Uhr Forelle Müllerin oder blau. „Ich will die ganz frisch haben. Donnerstags kriegste die nicht mehr blau, da kannste machen, was du willst“, sagt Josef Cillien. Und deswegen bestellt er auch lieber weniger Forellen, als er verkaufen könnte. Und wie wird die Forelle blau? „Die äußere Schleimschicht darf nicht verletzt werden. Zusammen mit einem Schuss Essig und Zitrone wird der Fisch beim Garen blau“, erklärt seine Frau.
„Bei uns kommt nichts aus der Dose, außer der Pfeffer“, sagt sie. Die Köchin hat ihr Handwerk auf der Hotelfachschule und bei Molitors Mühle gelernt. Dort hat sie auch ihren späteren Mann kennengelernt. „Ich habe früher immer in der Gastronomie geholfen und bin so in den Beruf hineingerutscht“, sagt Josef Cillien, der gelernter Raumausstatter ist, später aber noch die Hotelfachschule besucht hat. Heute kümmert er sich im Restaurant vor allem um den Service. Aber auch die Dekoration der Gasträume ist Chefsache. Was ihm an seinem Beruf gefällt? „Wenn man nette Gäste um sich herum hat“, sagt er. „Wir haben Stammkunden, die sind von der ersten Stunde an dabei. Das ist für uns ein Erfolg. Wenn die da sind, ist die Stimmung ganz anders.“ Selbstständig zu sein bedeute aber auch, viel zu entbehren, ergänzt seine Frau. „Koch ist ein anstrengender Beruf. Doch wenn die Gäste zufrieden sind, entschädigt das für vieles.“ Ihre Küche sei bodenständig, sagt Petra Cillien. Aber trotzdem mit Pfiff und alles selbst gemacht. „Bei uns gibt es keinen Geschmacksverstärker“, sagt sie. Ob Eis oder Parfait, selbst die Plätzchen zum Kaffee werden selbst hergestellt. Seit zwei Jahren haben sie einen Steinofen. „Wenn wir Zeit haben, backen wir dort das Brot“, sagt die Köchin.
Ihre Gerichte versuchen sie immer weiterzuentwickeln. Inspiriert werden sie vom saisonalen Angebot. „Wir haben von meiner Cousine jede Menge Mirabellen bekommen. Die haben wir jetzt mit Fisch kombiniert“, sagt Petra Cillien. Und passend zur Weinlese gibt es als Nachtisch drei verschiedene Zubereitungen der Traube: Federweißer-, Riesling- und Rotweineis. „Die Ideen kommen beim Machen“, sagt sie. Nur nicht zu ausgefallen dürfen die Gerichte sein.
Känguru oder argentinisches Rumpsteak sucht man auf der Speisekarte vergebens. „Wenn wir nicht mehr hierum die Sachen finden zum Kochen, hören wir auf“, sagt Josef Cillien. „Die Ware muss frisch und gut zubereitet werden – die muss nicht aus der hintersten Ecke der Welt kommen.“
Und was isst das Ehepaar privat am liebsten? „Mehlklöße mit Obst, dazu zerlassene Butter und Kompott“, verrät Josef Cillien. „Die esse ich auch gerne“, sagt sie. „Und eingelegte Matjesfilets.“ Er: „oder eine schöne Sülze“. Und was mögen die Gäste? „Der Renner sind unsere geschmorten Ochsenbäckchen. Aber auch Wild wird viel gegessen“, sagt er.
90 Plätze hat das Lokal. Das Haus wurde 1821 errichtet. Das Tor daneben stammt aus dem Jahr 1354. „In Dudeldorf gab es früher drei Brauereien“, sagt Josef Cillien. In der heutigen Torschänke war früher die Brauerei Valentin Eichorn beheimatet. Später war dort eine Metzgerei mit angeschlossener Wirtschaft. Bier gibt es auch heute noch in der Torschänke zu trinken. Aber der Gast kann alternativ aus einer großen Weinkarte mit mehr als 40 Flaschenweinen und zwischen zehn bis zwölf offenen Weinen auswählen. „Wir kennen fast alle Winzer, deren Wein wir anbieten, persönlich“, sagt Josef Cillien.
37 Jahre führen die Cilliens das Restaurant. Josef Cillien erinnert sich an die Anfangsjahre: „Da hatten wir manchmal eine Disco und haben Hawaii-Nächte veranstaltet, „heiße Musik auf drei Etagen. Da ging es ab“. Am nächsten Tag habe man beim Aufräumen auch noch Sektgläser auf dem Speicher gefunden. Wenn die beiden frei haben, gehen sie auch gerne mal woanders essen. „Genauso schön sind aber auch ein schöner Wein und ein paar Doraden im Ofen daheim“, sagt sie.
Viele ihrer Besucher haben sich in ihrem Gästebuch verewigt. Einige Seiten davon hat Josef Cillien aus dem Gästebuch herausgenommen, eingerahmt und an die Wand der Gaststube gehängt, wie zum Beispiel die Widmung der verstorbenen Politikerin Regine Hildebrandt. Auch Sternkoch Helmut Thieltges , einer der besten Köche Deutschlands, vom Waldhotel Sonnora in Dreis, verkehrte zu Lebzeiten gerne in der Torschänke. „Er kam alle paar Wochen sporadisch vorbei und hat uns viele wertvolle Tipps gegeben“, sagt Josef Cillien. „Einmal habe ich ihn gefragt, wie wir unser Hacksteak denn ein bisschen aufpeppen könnten.“
Für den TV bereitet Petra Cillien das Hacksteak à la Thieltges in der Küche zu. Auf einem Bett von gekochtem Blattspinat und Portweinjus legt sie das gebratene Fleisch, spritzt drei kleine Häufchen Kartoffelpüree dazu, legt ein Spiegelei oben auf das Hacksteak und verfeinert es mit frischen Gartenkräutern und eingelegten Trüffelscheiben. Das Rezept will sie uns aber leider nicht verraten. „Das bleibt geheim. Um das Hacksteak zu essen, muss man in die Torschänke kommen“, sagt sie und lächelt. Und wer sich auf den Weg dorthin macht, sollte sein Augenmerk auch auf die liebevoll ausgesuchte Deko richten (vom Chef persönlich), die handgeschriebene Speisekarte (die Hülle dafür bastelt ein Stammgast aus Bitburg) und sich zum Schluss die Apfelklöße gönnen (auch über dieses Rezept schweigt die Köchin beharrlich, „das gebe ich nicht her, erst nach meinem Tod“). Und sich beim Kaffee oder Espresso über einen selbst gebackenen Keks freuen.